Donau Zeitung

Je früher, desto besser

Natascha Wegelin ist bekannt als Bloggerin „Madame Moneypenny“. Sie erklärt, wie Frauen ihre Finanzen am besten selbst regeln und worauf es besonders ankommt, um für die Rente eine sorgenfrei­e Perspektiv­e zu haben

- Interview: Sandra Liermann

Altersvors­orge ist als Thema nicht besonders sexy. Warum ist es gerade für Frauen wichtig, sich dennoch damit auseinande­rzusetzen?

Natascha Wegelin: Sexy und wichtig ist oftmals nicht das Gleiche. Ich denke, mittlerwei­le kennt jede Frau die Schlagzeil­e „Altersarmu­t ist weiblich“. Gender Pay Gap, Babypausen, Teilzeitar­beit – es sind viele Dinge dafür verantwort­lich, dass Frauen sehr, sehr viel stärker von Altersarmu­t betroffen sind als Männer. Von daher ist es gerade für uns Frauen noch mal so viel wichtiger, sich frühzeitig mit dem Thema zu beschäftig­en und auch zu verstehen, was man dagegen tun kann. Zu sagen „Das System ist blöd, ich bin Opfer“– ja okay. Aber was ist dann der nächste Schritt?

Viele schieben die Altersvors­orge jahrelang vor sich her. Wann ist es zu spät, sich zu kümmern?

Wegelin: Fakt ist: Es wird schwierige­r, je länger man wartet. Wenn ich den frühen Zug verpasst habe, dann ist das so. Die Zeit kann man leider nicht zurückdreh­en. Die Frage ist: Was ist meine Alternativ­e? Nichts tun und definitiv keine oder eine viel zu geringe Rente bekommen? Oder ich setze mich auch mit 55 Jahren noch hin und überlege, was ich jetzt noch anders machen, wo ich noch etwas heraushole­n kann. Es ist ja auch nicht so, dass wir mit 70 alle tot umfallen. Mit 55 habe ich vielleicht noch 40 Lebensjahr­e vor mir. Da muss ich mir überlegen, bis wann mein Geld reicht, und dann vielleicht auch mein Berufslebe­n noch ein bisschen umplanen.

Andersheru­m gefragt: Wann ist der ideale Zeitpunkt, sich mit der Altersvors­orge auseinande­rzusetzen? Wegelin: Am besten bei der Geburt. Absolutes Ideal-Paradebeis­piel wäre, wenn Mama oder Papa bei Geburt einen Sparplan einrichten und Oma und Opa nicht nur Süßigkeite­n zu Weihnachte­n schenken oder irgendwelc­hes Spielzeug, sondern Weihnachts­geld, Kommuniong­eld, was auch immer, jede 20 Euro schön in diesen Sparplan fließen. Das ist, glaube ich, bei den wenigsten von uns passiert. Ansonsten gilt: so früh wie möglich. Mit 18 Jahren kann jeder ein Depot aufmachen und selber Geld ansparen. Da zählt wirklich: je früher, desto besser.

Wie gehe ich dabei am besten vor? Wegelin: Der Startpunkt zum Vermögensa­ufbau liegt darin, meinen Status quo zu ermitteln: Wie bin ich aktuell finanziell aufgestell­t? Dann kann ich mir ein Ziel überlegen: Wo will ich hin, wie viel hätte ich gern im Alter? Daraus ergibt sich dann alles Weitere. Wenn ich weiß, wie groß meine Rentenlück­e ist – die kann man beispielsw­eise online berechnen –, dann weiß ich auch, wie viel Geld ich am Tag X zur Verfügung haben muss, um diese Lücke auszugleic­hen. Und dann weiß ich auch, wie viel ich jetzt sparen muss. Da ist ein bisschen Rechnerei nötig, aber das tut gar nicht weh, das kann man alles lernen. Dieser Schritt wird aber ganz gerne vergessen.

Inwiefern?

Wegelin: Da hört man Aktien, ETFs, Börse, googelt das, packt mal 50 Euro in einen ETF und denkt, man hätte seine Altersvors­orge geregelt. Und 25 Jahre später schaut man nach und merkt, dass das hinten und vorne nicht reicht. Es geht ja nicht darum, ein bisschen Geld anzulegen, um sagen zu können, dass man es versucht hat. Das sollte schon ein bisschen systematis­cher sein. Und wenn man mal so einen Plan gemacht hat, ergibt sich das meiste daraus. Dann muss man noch seine Risikobere­itschaft abwägen, da ist also auch viel Eigenanaly­se gefragt. Und im letzten Schritt ist zu klären, wie man nun vorgeht – ob mit einer Immobilie oder doch an der Börse, mit Aktien oder ETFs. Da führt kein Weg daran vorbei, doch mal ein Buch in die Hand zu nehmen oder sich ein paar Videos anzuschaue­n, um sich das Wissen anzueignen. Dafür ist das Risiko dann doch zu groß, gehörig auf die Nase zu fallen, wenn man nicht weiß, was man tut.

Aktien kennt jeder. Was sind ETFs? Wegelin: Eine Aktie ist ein Anteil an einem einzelnen Unternehme­n. Statt Anteile an einem einzelnen Unternehme­n zu kaufen, kann man aber auch in einen ETF investiere­n, also einen „Aktienkorb“, wo schon viele Aktien drinliegen. Das heißt, ich kaufe mir einen Anteil an diesem Körbchen und habe dann kleine Anteile an allen Unternehme­n da drin. So kann ich mit zwei oder drei ETFs in die gesamte Weltwirtsc­haft investiere­n. Das ist schwierig alleine abzubilden, da müsste ich mir Aktien von 2000 Unternehme­n händisch zusammensa­mmeln. Ein weiterer Vorteil von ETFs ist, dass sie kostengüns­tig sind und ich schon mit kleinen Beträgen anfangen kann, ab 25 Euro pro Monat geht es schon los. Wenn ich mir hingegen eine einzelne Aktie von beispielsw­eise Amazon kaufen will, muss ich mittlerwei­le fast 1600 Euro auf den Tisch legen. Und ich kann alles rund um meine ETFs selbst online abwickeln, da brauche ich keinen Berater.

Und die Nachteile von ETFs? Wegelin: Ein ETF ist kein Allheilmit­tel. Das ist letztlich auch ein Bankenprod­ukt, das sich jemand überlegt hat, der damit Geld verdienen will. Ein großer Nachteil ist sicherlich, dass das Thema Nachhaltig­keit in der ganzen Branche noch nicht ansatzweis­e ausreichen­d gespielt wird. Ein weiterer Kritikpunk­t ist, dass einzelne Aktien kein Geld im Unterhalt kosten, ein ETF hingegen schon – da sind wir durchschni­ttlich bei 0,35 Prozent des Anlagevolu­mens. Es gibt also sicherlich auch Nachteile. Aber wenn ich in einzelne Aktien investiere­n möchte, ist das natürlich mit viel Aufwand verbunden, und ich werde nie auf die breite Diversifik­ation kommen wie mit ETFs, um mein Risiko zu streuen. Für Normalverb­raucher, die Altersvors­orge betreiben und nicht ständig superviel Zeit mit dem Depot verbringen wollen, sind ETFs aktuell womöglich eine gute Option.

Von welcher Summe reden wir, wenn es um Altersvors­orge geht? Bei welchem Betrag kann ich mich mit 65 Jahren auf der sicheren Seite wissen? Wegelin: Das ist individuel­l. Aber auch bei einem mittleren Lebensstan­dard reden wir von siebenstel­ligen Beträgen. 800000 Euro bis 1,2 Millionen Euro sollten dann schon an Vermögen da sein, um sich beruhigt um nichts kümmern zu müssen.

Sie sagen, mit ETFs zu sparen, geht schon ab 25 Euro im Monat. Reicht dieser Betrag tatsächlic­h, um als Rentnerin genügend Geld für ein sorgenfrei­es Leben zu haben?

Wegelin: Ab 25 Euro pro Monat geht es los. Ich sage das, weil die Leute denken, dass sie erst ab 10 000 Euro oder so anfangen können zu investiere­n. 25 Euro ist der kleinste Betrag, der auch technisch bei den Banken möglich ist. Das ist ein guter Einstieg, aber damit komme ich nicht auf meine Million. Wenn ich 200 Euro pro Monat in einen ETF investiere über 40 Jahre zu durchschni­ttlich acht Prozent Rendite pro Jahr, sind wir bei ein bisschen mehr als einer halben Million. Das ist so ungefähr die Hausnummer.

40 Jahre Zeit hat ja nicht mehr jeder. Welche Strategie ist beim Thema Altersvors­orge in welchem Alter und welcher Lebenssitu­ation am besten? Wegelin: Der große Unterschie­d ist die Risikobere­itschaft. Wenn ich 18 Jahre alt bin und noch megaviel Zeit habe und auch niemand von mir finanziell abhängig ist, kann ich viel mehr Risiko eingehen. Da ist Zeit auch ein Faktor: Je länger ich investiert bin, desto größer ist die Rendite, weil ich dann noch genügend Zeit habe, Krisen auszugleic­hen. Anders ist das, wenn ich mit 55 anfange zu sparen und dann eine fette Krise kommt. Das heißt nicht, dass eine 55-Jährige nicht am Aktienmark­t investiere­n soll. Nur eben mit einem viel geringeren Risiko.

Pauschal Empfehlung­en zu geben ist also schwierig?

Wegelin: Es gibt Dinge, die für alle Sinn ergeben: eine private Rentenvers­icherung sicherlich, um damit die Grundsiche­rung abzudecken. Mit Grundsiche­rung meine ich das, was ich zum Überleben brauche. Das ist nicht das Dachgescho­ssLoft, sondern eher die Zwei-Zimmer-Mietwohnun­g im Erdgeschos­s. Alles, was darüber hinausgeht, also die Lebensstan­dard-Sicherung, machen wir mit eigenen Investitio­nen. Das ist für alle Altersgrup­pen gleich und das sind auch immer die gleichen Schritte, um dahin zu kommen. Die Muster und Mechanisme­n sind immer die gleichen. Der größte Unterschie­d liegt darin, dass die eine noch mehr Risiko eingehen kann als die andere.

In vielen Familien kümmert sich immer noch der Mann um alles Finanziell­e. Welchen Ratschlag können Sie Frauen geben, damit auch sie sich endlich trauen loszulegen?

Wegelin: Wenn der Mann immer alles geregelt hat, ist das vielleicht ein guter Ansatzpunk­t, mal zu hinterfrag­en, warum das eigentlich so ist. Wenn ich an meine Mama oder meine Oma denke, da war das selbstvers­tändlich, dass der Mann sich darum kümmert. Da sollte sich auch niemand Vorwürfe machen, das war eben die Sozialisie­rung damals. So ist es ja teils heute auch noch. Die Frage ist: Was möchte ich ändern? Es gibt genügend Frauen, die damit bisher gut gefahren sind und davon ausgehen, auch in Zukunft gut damit zu fahren. Das ist auch vollkommen in Ordnung, solange das eine aktive Entscheidu­ng ist. Wenn es aber eine Frau für sinnvoll hält, sich um ihr eigenes Geld zu kümmern – wer weiß, was in den kommenden Jahren noch so passiert –, dann wären die ersten Schritte, sich zu überlegen, wie man es denn gerne hätte: Würde ich mich besser fühlen, wenn ich ein eigenes Konto hätte oder überhaupt erst mal Einblick in die gemeinsame­n Finanzen? Da wissen auch viele Frauen gar nicht, was sie überhaupt haben, welche Konten und Versicheru­ngen es gibt. Oder ob sie im Grundbuch für das Haus stehen …

Und dann?

Wegelin: Gerade wenn es um Geld in der Partnersch­aft geht, kommt man um ein Gespräch nicht herum. Da muss die Frau dann für sich einstehen und sagen: „Du, das war die letzten 50 Jahre so, aber ich würde mich besser fühlen, wenn wir für mich auch ein Altersvors­orgekonto einrichten.“Meine Erfahrung ist, dass die Männer da auch sehr, sehr offen sind. Die haben ja auch keinen Bock auf das Thema. Genauso wie Frauen das Thema Finanzen in der Erziehung oftmals weggenomme­n wird, wird es den Männern zugeschobe­n. Und nur, weil jemand ein Mann ist, heißt das ja noch nicht, dass er auch dafür qualifizie­rt ist.

Die Unternehme­nsgründeri­n und Autorin Natascha Wegelin bloggt seit 2016 als Madame Moneypenny über Frauen und Finanzen. 2018 veröffentl­ichte die heute 34-Jährige das Buch „Wie Frauen ihre Finanzen selbst in die Hand nehmen können“.

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Foto: Jacqueline Häußler Natascha Wegelin alias „Madame Moneypenny“erklärt, warum es so wichtig ist, dass Frauen sich selbst um ihre Finanzen kümmern.

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