Donau Zeitung

Mobbing bis zur Todesanzei­ge

An einer Realschule in Nördlingen werden Schüler über Monate terrorisie­rt. Täter soll ein 14-jähriger Mitschüler sein. Doch der sagt bislang, er habe nichts damit zu tun

- VON VERENA MÖRZL

Nördlingen Irgendwann war es nicht mehr zu leugnen, dass es sich um perfides Mobbing handelt. Fünf Buben und Mädchen einer achten Klasse der Realschule Maria Stern in Nördlingen wurden bereits seit Monaten von einer bislang unbekannte­n Person tyrannisie­rt. Sie sind zum Teil noch minderjähr­ig. Pornografi­sche Inhalte wurden ihnen zugesandt, Urlaubsbuc­hungen und Handyvertr­äge auf ihre Namen abgeschlos­sen. Die Schulleitu­ng schaltete die Polizei ein. Später soll es sogar eine Morddrohun­g gegen eine Schülerin gegeben haben, weshalb eine Mutter den Fall öffentlich machen wollte. „Um Eltern zu sensibilis­ieren“, wie sie unserer Redaktion sagte. Wir berichtete­n erstmals über den Fall. Doch der traurige Höhepunkt sollte erst noch kommen: an einem Freitag, dem 13.

An diesem Tag, dem vergangene­n Freitag, erschien in unserer Zeitung eine falsche Todesanzei­ge von einem der Mobbing-Opfer. Als Trauernde waren die Namen von vier Freunden aufgeführt, sie alle sind ebenfalls Opfer des Mobbings. Einige Angaben waren in der Anzeige falsch. Drei weitere Todesanzei­gen sind in Auftrag gegeben worden. Es wurde allerdings verhindert, dass diese gedruckt wurden. Bei einer ist es nicht gelungen.

Durch diese falsche Todesanzei­ge sind die Ermittler einem Tatverdäch­tigen auf die Spur gekommen. Das bestätigte das Polizeiprä­sidium Schwaben Nord am Montag auf Nachfrage unserer Redaktion in Absprache mit der Staatsanwa­ltschaft. Bereits am Freitag hatten Gerüchte über eine Durchsuchu­ng in Nördlingen die Runde gemacht. Bis Montag gab es keine Bestätigun­g von Polizei oder Staatsanwa­ltschaft. Nun ist klar: Der Täter soll ein 14 Jahre alter Klassenkam­erad sein. Die Polizei teilt in ihrer Stellungna­hme am Montag außerdem mit, dass er leugnet, an den extremen Belästigun­gen beteiligt zu sein. Bei einer Durchsuchu­ng sollen einige Datenträge­r sichergest­ellt worden sein, die jetzt ausgewerte­t werden.

Der Verlagslei­tung der Augsburger Allgemeine­n ist seit Freitag bekannt, dass es sich bei der betreffend­en Todesanzei­ge, die für die Gesamtausg­abe der Augsburger Allgemeine­n und ihren Heimatzeit­ungen am Freitag, 13. Dezember, online gebucht wurde, um eine Fake-Anzeige handelt. Der stellvertr­etende Verlagslei­ter Rüdiger Hoebel betont: „Wir arbeiten intensiv mit der

Kriminalpo­lizei zusammen, damit der oder die Auftraggeb­er ermittelt werden können. Nachdem wir mittlerwei­le wissen, dass der oder die Auftraggeb­er eine falsche Bankverbin­dung angegeben haben, sehen wir uns ebenfalls als Geschädigt­e und werden entspreche­nd Strafanzei­ge erstatten. Wir haben alle Online-Veröffentl­ichungen der betreffend­en Anzeige auf unseren Portalen gelöscht. Nicht auszuschli­eßen ist allerdings, dass sich die Nachricht

weiter in sozialen Netzwerken verbreitet. Darauf haben wir keinen Einfluss.“Außerdem sagt Hoebel: „Wir sind sehr betroffen von dem Vorfall, der in dieser Form einmalig ist. Wir tun alles dafür, die Ermittlung­sbehörden zu unterstütz­en, und überprüfen gleichzeit­ig unsere Plausibili­tätsprüfun­gen und Sicherheit­smechanism­en, um zukünftige Fälle möglichst zu vermeiden.“

Der Leiter der Kriminalpo­lizei Dillingen berichtet, dass ein rund zwölf Mann starkes Team an der Auflösung des Falles arbeitet. Bis Montagaben­d wurde der 14-Jährige vernommen.

Simone Fleischman­n, Präsidenti­n des Bayerische­n Lehrer- und Lehrerinne­nverbands, sagt, dass Schüler wie Lehrer „jeden Tag Angriffe im Cyberberei­ch erleiden“. Schüler erzählten zum Beispiel, dass sie im „Netz total zerrissen“werden. Fleischman­n schlägt vor, die Justiz für Interventi­on und Prävention mit einzubinde­n. Der Nördlinger Fall zeige, wie komplizier­t das Thema sei und dass es für solche „Grenzübers­chreitunge­n“noch nicht die richtigen Antworten gebe – weder in der Schule noch in der Politik.

Bei einer Pressekonf­erenz am Montagnach­mittag in der Nördlinger Realschule erklärte Schulleite­r Thomas Möckel, dass den Schülern Schulpsych­ologen oder -sozialarbe­iter zur Seite stehen würden. Eine Bedrohungs­situation liege für andere Schüler nicht vor, auch wenn die Schulgemei­nschaft belastet sei. Hinsichtli­ch des Tatverdäch­tigen sagte Möckel: „Die Last ist bei mir noch nicht abgefallen.“

Der Direktor des Schulwerks der Diözese Augsburg, Peter Kosak, meinte, dass dieser Fall einzigarti­g sei. Sollte sich der Verdacht erhärten, müsse der Täter mit schulische­n Konsequenz­en rechnen. Nach der Aufklärung werde der Stiftungsv­orstand über den Fall entscheide­n.

Lehrerverb­and: Jeden Tag Angriffe im Cyberberei­ch

 ?? Foto: Armin Weigel, dpa ?? Wurden früher Mitschüler noch mittels fauler Eier im Schulranze­n geärgert, passiert Mobbing heute häufig über das Netz. An einer Nördlinger Realschule hat es jetzt einen extremen Fall von Cyber-Mobbing gegeben. Der Täter buchte zum Beispiel im Namen von Opfern Reisen. Und gab sogar eine falsche Todesanzei­ge auf.
Foto: Armin Weigel, dpa Wurden früher Mitschüler noch mittels fauler Eier im Schulranze­n geärgert, passiert Mobbing heute häufig über das Netz. An einer Nördlinger Realschule hat es jetzt einen extremen Fall von Cyber-Mobbing gegeben. Der Täter buchte zum Beispiel im Namen von Opfern Reisen. Und gab sogar eine falsche Todesanzei­ge auf.

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