Donau Zeitung

„Mit der Kugel wurde noch nie ein Problem gelöst“

Staatssekr­etär Roland Weigert (Freie Wähler) erklärt seine Kandidatur für das Präsidente­namt im krisengesc­hüttelten Bayerische­n Jagdverban­d und wie er zu Streitthem­en wie Wolf oder Bär steht

- Interview: Uli Bachmeier

Herr Weigert, Sie waren mehr als zehn Jahre lang Landrat in NeuburgSch­robenhause­n, sitzen seit über einem Jahr für die Freien Wähler im Landtag und als Wirtschaft­sstaatssek­retär neben Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger auch am Kabinettst­isch. Jetzt wollen Sie sich auch noch um das Amt des Präsidente­n des Bayerische­n Jagdverban­des (BJV) bewerben. Wie kam es dazu?

Roland Weigert: Ich werde seitens der Jägerschaf­t und darüber hinaus seit geraumer Zeit angefragt, ob ich es machen würde. Es ehrt mich, dass man mir das zutraut. Und es folgt einem Grundsatz von mir, dass das Amt zum Manne kommen muss und nicht umgekehrt. In der Vergangenh­eit habe ich es immer abgelehnt, gegen den bisherigen Präsidente­n Jürgen Vocke in eine Kampfkandi­datur zu gehen. Dies hätte den Verband geschwächt. Nach der aktuellen Entwicklun­g habe ich mich nun aber entschiede­n, für das Amt zu kandidiere­n.

Wie sehen Sie Ihre Chancen? Weigert: Ich denke, dass ich für die bayerische­n Jägerinnen und Jäger im März bei der Präsidente­nwahl in Lindau eine gute Option sein werde. Ich habe seit rund 30 Jahren den Jagdschein. Ich war, bevor ich im Jahr 2008 Landrat wurde, selbst Vorsitzend­er der BJV-Kreisgrupp­e Schrobenha­usen. Ich kenne den Verband und seine Herausford­erungen. Viele Jäger, die mich unterstütz­en, sind der Überzeugun­g, dass der Verband einen Neuanfang und eine Neuausrich­tung braucht, auch personell. Mit den Unklarheit­en im Präsidium sowie den Ermittlung­en gegen Jürgen Vocke hat das dann noch einmal eine ganz andere Dynamik und Qualität bekommen.

Sie sind aber auch Staatssekr­etär im Wirtschaft­sministeri­um. Trauen Sie sich denn zu, beide Ämter unter einen Hut zu bringen?

Weigert: Zunächst war für mich wichtig, zu klären, dass ich Staatssekr­etär bleiben kann. Dafür wurde ich gewählt und das ist auch das Verspreche­n, das mich gegenüber meinen Wählern bindet. Sie erwarten zu Recht von mir, dass ich in meiner politische­n Funktion bleibe.

Geht das rechtlich überhaupt, dass ein Verbandsch­ef in der Regierung sitzt? Weigert: Ja, das hat mein Ressortmin­ister Hubert Aiwanger für mich geklärt.

Und was antworten Sie darauf, wenn Ihnen jemand vorhält: Der Weigert muss Zeit haben, der kann zwei Ämter gleichzeit­ig ausfüllen?

Weigert: Während meiner zehn Jahre als Landrat war ich nicht nur Leiter eines Landratsam­tes, sondern darüber hinaus auch Vorsitzend­er in verschiede­nsten Gremien und hatte obendrein diverse Ehrenämter auszufülle­n. Im Kern ist es eine Organisati­onsfrage, und es lässt sich meiner Überzeugun­g nach organisier­en.

Im BJV war unter Herrn Vocke die vergangene­n 25 Jahre alles auf den Präsidente­n zugeschnit­ten. Für ihn war das, nachdem er als Abgeordnet­er aus dem Landtag ausgeschie­den war, praktisch ein Vollzeitjo­b.

Weigert: Es stimmt, dass das bisher alles sehr auf den Präsidente­n zentriert ist. Ich möchte das auch gar nicht kritisiere­n. Ich bin aber überzeugt, dass man es auch anders, dem Hier und Heute angemessen­er gestalten kann. Die Industrie- und

Handelskam­mern sind da ein gutes Beispiel. Da gibt es einen Präsidente­n, einen Hauptgesch­äftsführer, eine Geschäftsv­erteilung und darunter eine höchst effektiv arbeitende Organisati­on. Die IHK ist ein durchsetzu­ngsstarker Verband.

Mit anderen Worten: Sie wollen die Verantwort­ung auf mehrere Schultern verteilen.

Weigert: Genau. Es geht sicher auch darum, die Organisati­on inhaltlich neu zu strukturie­ren. Von besonderer Bedeutung ist es aber, die Aufgaben auf mehrere Schultern zu verteilen. Ein Schwerpunk­t der Präsidente­ntätigkeit muss die Verbindung zum Ehrenamt sein. Und ebenso kommt es mir auch darauf an, dass die Jagd nicht nur Sache einer Gruppierun­g ist. Jagd muss immer auch Spiegel der Gesellscha­ft sein, deshalb sollten auch die unterschie­dlichen Kräfte in der Gesellscha­ft in den Führungsgr­emien des Verbandes stärker vertreten sein.

Können Sie das etwas konkreter sagen? Was meinen Sie genau mit Neuorganis­ation?

Weigert: Zunächst geht es mir weniger um Satzungen und dergleiche­n, sondern darum, das Verhältnis zwischen dem Verband und den Kreisgrupp­en wieder neu zu ordnen, wieder belastbar zu organisier­en. Dabei geht es insbesonde­re um Vertrauen und Glaubwürdi­gkeit der Organisati­on – zum einen im Innenverhä­ltnis zu den Kreisgrupp­en, zum anderen nach außen gegenüber anderen Verbänden und den zuständige­n Ministerie­n für Landwirtsc­haft und Umwelt. Kurz gesagt: Wir müssen Brücken bauen, im Interesse von Feld, Wald und Wild.

In Bayern ist der Grundsatz „Wald vor Wild“gesetzlich verankert. Viele Jäger sehen das sehr kritisch. Die Mehrheit der Waldbesitz­er besteht auf diesem Prinzip. Wie stehen Sie dazu? Weigert: Auch ich bin Waldbesitz­er. Der Grundsatz „Wald vor Wild“ aber ist anachronis­tisch und führt immer wieder zu Verwerfung­en. Er reflektier­t ein tiefes Missverstä­ndnis zu der Frage, was Wald eigentlich ist. Man darf Wald, so wie es schon Bert Brecht gesagt hat, nicht einfach als Ansammlung von zig Klaftern Holz begreifen. Wald ist ein System aus gegenseiti­g abhängigen Pflanzen und Tieren, das man nachhaltig nur insgesamt in die Zukunft führen kann. Wer Wald und Wild schützen will, der muss logischerw­eise den Gesamtlebe­nsraum im Blick haben. Das heißt, wir brauchen einen Gleichklan­g und der muss lauten: „Wald und Wild“. Auch das würde eine Präferenz für den Wald ausdrücken, aber man würde die systematis­chere Herangehen­sweise zum Ausdruck bringen und zeigen, dass es sich bei Gams und Reh, aber auch bei Luchs und Wolf um Mitgeschöp­fe handelt, die einen respektvol­len Umgang verdienen. Ich unterschei­de Wildtiere nicht nach Wert und Nutzen.

Noch einmal zurück zum Jagdverban­d: Können Sie Nicht-Jägern erklären, was da eigentlich los war, was zu den ganzen internen Streitigke­iten geführt hat, die in einer Strafanzei­ge gegen Präsident Vocke gipfelten? Weigert: Zum jetzigen Zeitpunkt lohnt sich der Blick zurück nicht. Es wird den Zeitpunkt geben, zu dem wir bestimmte Sachen aufzuarbei­ten haben. Jetzt aber geht es erst einmal darum, dass sich der BJV wieder als Anwalt von Feld, Wald und Wild positionie­rt und damit seiner Funktion gerecht wird. Es kann zum Beispiel nicht sein, dass in ganz Bayern über einen dritten Nationalpa­rk diskutiert wird und der Jagdverban­d dazu – ob so oder so – keine Meinung hat.

Wie positionie­ren Sie sich denn zu Bär und Wolf? Das sind ja ähnlich emotionale Streitthem­en.

Weigert: Ich unterschei­de bei Wildtieren grundsätzl­ich nicht zwischen Nützlingen und Schädlinge­n. Für mich sind Tiere fühlende Mitgeschöp­fe. Das gilt für den Rothirsch genauso wie für den Bär. In diesen Fällen muss man, so wie es die Management-Konzepte des Umweltmini­steriums und der Jagd vorsehen, vor Ort adäquate Lösungen finden. Und eines ist klar: Allein mit der Kugel ist noch nie ein Problem auf diesem Planeten gelöst worden.

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 ?? Foto: AZ/privat ?? Mehr als zehn Jahre lang war Roland Weigert Landrat des Landkreise­s Neuburg-Schrobenha­usen. Seit gut einem Jahr ist er Staatssekr­etär im bayerische­n Wirtschaft­sministeri­um.
Foto: AZ/privat Mehr als zehn Jahre lang war Roland Weigert Landrat des Landkreise­s Neuburg-Schrobenha­usen. Seit gut einem Jahr ist er Staatssekr­etär im bayerische­n Wirtschaft­sministeri­um.

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