Donau Zeitung

Der seltsame Fall des Jens Söring

Seine Geschichte liest sich wie ein Krimi. 33 Jahre saß er in US-Haft – viele sagen, zu Unrecht. Nun kehrt er zurück

- Lena Klimkeit, dpa

Washington Mehr als die Hälfte seines Lebens hat Jens Söring im Gefängnis verbracht. Zu Unrecht, sagen seine Unterstütz­er. In den USA ist er rechtskräf­tig wegen Doppelmord­es an den Eltern seiner damaligen Freundin verurteilt worden. Mehr als 30 Jahre nach der Tat im US-Bundesstaa­t Virginia polarisier­t der Fall des deutschen Diplomaten­sohns noch immer. Am heutigen Dienstag soll der 53-Jährige wieder in Deutschlan­d ankommen.

Wer sich einmal in Sörings Geschichte einliest, kann nicht mehr aufhören: Es geht um Drogen, Sex und die scheinbar grenzenlos­e Liebe zwischen einer schönen Kanadierin und dem „kindergesi­chtigen“Deutschen, wie die Washington Post einst schrieb. Es gibt Filme und Bücher über den Fall. Söring beteuert bis heute seine Unschuld.

Im August 1984 lernt der junge Mann Elizabeth Haysom kennen. Söring verliebt sich in die zwei Jahre ältere Frau und wird sie später als

„verdammt sexy“beschreibe­n. Im März 1985 werden Haysoms Eltern Derek und Nancy in ihrem Haus in Lynchburg (Virginia) mit zahlreiche­n Messerstic­hen ermordet. Es sei gewesen, als ginge man in ein „Schlachtha­us“, erinnert sich ein Polizist später. Das Paar nimmt an der Beerdigung der Haysoms teil, als sie unter Verdacht geraten, fliehen sie. Erst ein Jahr nach dem Mord werden sie in London wegen Scheckbetr­ugs verhaftet. Nach der Auslieferu­ng in die USA wird Haysom

1987 wegen Anstiftung zum Mord zu zweimal 45 Jahren Haft verurteilt. Söring erhält 1989 dieselbe Strafe. Großbritan­nien hatte seiner Auslieferu­ng nur unter der Bedingung zugestimmt, dass die Todesstraf­e nicht verhängt wird.

Wie Söring vor Gericht ins Kreuzverhö­r genommen wurde, kann man im Dokumentar­film „Das Verspreche­n“nachsehen. Söring wird als hochintell­igenter Diplomaten­sohn dargestell­t, Elizabeth Haysom als Tochter eines reichen Unternehme­rs, die bisexuell ist und möglicherw­eise von ihrer Mutter sexuell missbrauch­t wurde. In einem schmucklos­en Gefängnisr­aum beteuert Söring immer wieder seine Unschuld. Seine Haare sind ergraut.

Söring hatte die Morde zunächst gestanden, später das Geständnis widerrufen und erklärt, die psychisch kranke und drogenabhä­ngige Elizabeth habe ihre Eltern getötet. Er habe den Mord auf sich genommen um sie vor der Todesstraf­e zu bewahren. „Ich dachte, ich sei ein Held.“Haysom erklärte, Söring zu den Morden angestifte­t zu haben.

„Die Schuldfrag­e ist meines Erachtens bis heute nicht abschließe­nd geklärt“, sagte Peter Beyer, Koordinato­r für die transatlan­tische Zusammenar­beit der Bundesregi­erung, kürzlich. Er traf Söring zweimal im Gefängnis. „Es sind immer noch viele Fragen offen.“Beyer betont, dass die Verurteilu­ng rechtskräf­tig sei, die am Tatort gefundenen DNASpuren aber nicht zu Söring passten.

Die Freilassun­g des 53-Jährigen – und auch von Haysom – ändert nichts an dem Urteil in einem der wohl spektakulä­rsten transatlan­tischen Kriminalfä­lle der vergangene­n Jahrzehnte. In ihrer Entscheidu­ng machte die Gnadenkomm­ission im Bundesstaa­t Virginia klar, dass es keine Grundlage für Sörings Behauptung gebe, unschuldig zu sein. Sowohl er als auch Haysom hätten aber mehr als 33 Jahre für ihre „fürchterli­chen Verbrechen“ gebüßt und stellten keine Gefahr für die öffentlich­e Sicherheit dar. Eine Begnadigun­g wurde abgelehnt.

Mehrfach hat Söring seit seiner Verurteilu­ng als Haupttäter Entlassung auf Bewährung beantragt, mehrfach erfolglos. 2013 äußerte er die Hoffnung, dass Bundeskanz­lerin Angela Merkel bei einem Treffen mit dem US-Präsidente­n Barack Obama den Fall zur Sprache bringen würde. In einem Brief schrieb Söring: Eine lebensläng­liche Haftstrafe sei in den USA eine Todesstraf­e auf Raten. „In den Vereinigte­n Staaten brüstet man sich mittlerwei­le damit, dass diese Strafe viel grausamer ist als die schnelle, schmerzlos­e Giftspritz­e. Ist sie auch.“

Läuft alles nach Plan, soll Söring am Dienstagmi­ttag in Frankfurt landen. „So richtig glaube ich es erst, wenn ich im Flugzeug sitze und der Sprit nicht mehr reicht, um umzukehren“, zitierte ihn sein Freundeskr­eis. Dann will erst erst einmal Urlaub machen.

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Foto: dpa Jens Söring kommt nach 33 Jahren aus der US-Haft frei.

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