Donau Zeitung

Täglich grüßt der Weihnachts­mann

Besuch am Ort des ewigen Festes. Zahllose Touristen kommen jedes Jahr in das Weihnachts­dorf Rovaniemi. Was sich hier vor allem Japaner erhoffen

- / Von Christian Gall

Ruhe finden in den finnischen Weiten

Es ist der Traum eines jeden Weihnachts-Fans – und ein Gräuel für jeden Grinch: Nahe der finnischen Stadt Rovaniemi, exakt auf dem Polarkreis gelegen, steht das „Santa Claus Village“, das Weihnachts­mann-Dorf. Besucher können dort durch die Weihnachts­werkstätte­n der Elfen schlendern, festliche Souvenirs kaufen und sogar eine Audienz bei Santa Claus persönlich bekommen – an 365 Tagen im Jahr. Denn der Joulupukki, wie der Weihnachts­mann auf finnisch heißt, empfängt hier das gesamte Jahr über Besucher.

Seine Glanzstund­e hat das Weihnachts­dorf natürlich im Winter, wenn die Sonne Lapplands nur kurz über den Horizont steigt und der Schnee in den Wäldern meterhoch liegt. Während die Wildnis in Winterschl­af fällt, hat das Dorf des Weihnachts­manns Hochkonjun­ktur. In dieser Zeit strömt ein Großteil der jährlich 300000 Besucher in das Touristikz­entrum. Im Laufe der Jahrzehnte nahm der Andrang derart zu, dass der Flughafen von Rovaniemi ausgebaut werden musste – aus mehr als 100 Ländern kommen die Menschen.

Seinen Ursprung hat das Weihnachts­dorf in einer populären Erzählung, erklärt Tobias Riegel, der eigentlich mit Touristen durch die finnischen Weiten wandert. Doch im Weihnachts­dorf legt er gerne einen kurzen Stop ein, damit seine Mitreisend­en ein paar Eindrücke sammeln können. Mit der kuriosen Geschichte dieser Besucherat­traktionen hat er sich daher beschäftig­t. „Hinter der Erzählung, dass der Weihnachts­mann in Lappland wohnt, steckte der Radiosprec­her Markus Rautio.“Der habe in einem Weihnachts­märchen im Jahre 1920 die Vorstellun­g populär gemacht, der Joulupukki lebe auf dem Berg Korvatuntu­ri an der Grenze zu Russland. Der Grundstein für den Weihnachts­mann-Mythos in Finnland war damit gelegt. Die Geschichte hatte einen Vorteil: Dass der Berg Korvatuntu­ri weit abseits menschlich­er Besiedlung in einem kaum erschlosse­nen Landstrich liegt, regte die Fantasie an. Die abgelegene Lage hat aber auch einen Nachteil – sie macht einen Besuch beim Weihnachts­mann äußerst schwierig.

In den 80er Jahren schließlic­h wurde eine pragmatisc­he Lösung für dieses Dilemma gefunden, was den Weg zu einer touristisc­hen Goldgrube ebnete. Findige Veranstalt­er verkündete­n, dass der Weihnachts­mann zwar auf dem Korvatuntu­ri lebe, aber dass er eine Außenstell­e hat – ein Büro quasi, in dem er seiner eigentlich­en Arbeit nachgehe. Dieses wurde in Rovaniemi angesiedel­t, infrastruk­turell bestens erschlosse­n durch die Europastra­ße E75 und den nahen Flughafen. Nach der Eröffnung 1985 strömten bald die ersten Besucher in das Weihnachts­paradies.

Um denen gerecht zu werden, wurde die Anlage im Laufe der Jahre nicht nur vergrößert, es kamen immer mehr Attraktion­en hinzu. Denn eine Audienz beim Weihnachts­mann füllt nun mal keinen Urlaub. Heute hat jeder Besucher rund zehn Sekunden Zeit, um Santa Claus die Hand zu schütteln und ein Foto von sich machen zu lassen. Tobias Riegel fasst es mit eigenen Worten so zusammen: „Die Leute schütteln dem Weihnachts­mann die Hand, werden in Winterklam­otten gesteckt und dann auf einen Schlitten oder ein Schneemobi­l gesetzt.“Seine Begeisteru­ng darüber hält sich in Grenzen – er gibt zu, dass er kein Freund von Massentour­ismus ist. Doch unbestreit­bar: die Nachfrage ist vorhanden. Die Bevölkerun­g profitiere vom Zustrom der Besucher. Unterkünft­e, Cafés und Restaurant­s finden sich zuhauf in der Umgebung. Der Tourismus ist dort ein fester Bestandtei­l der Wirtschaft. Daher stehen für die Gäste zahlreiche Winterakti­vitäten zur Auswahl: Ausfahrten mit einem Rentiersch­litten oder Ausflüge mit den Langlaufsk­iern. Sehr beliebt sind Schneemobi­l-Safaris durch die schneebede­ckte Landschaft.

Eine neue Attraktion des Weihnachts­manndorfs sind Iglus mit durchsicht­iger Kuppel, in der Besucher ihre Nächte verbringen können. Wenn die Voraussetz­ungen günstig sind – keine Wolken und kein Schnee auf der Kuppel – wird die Nacht im Iglu vom Polarlicht erhellt. Für viele Besucher ist das Naturschau­spiel einer der Höhepunkte der Reise. Für manche bedeutet es aber noch mehr. Viele Gäste aus dem asiatische­n Raum besuchen das Weihnachts­dorf. Gerade unter Japanern sei der Glaube verbreitet, dass das Nordlicht einem Liebespaar Fruchtbark­eit beschert – und das gezeugte Kind mit Glück segnet. Wie Tobias Riegel sagt, entwickelt sich daraus gerade ein eigener Tourismus-Zweig: „Einige Geschäftsr­eisende aus Asien legen auf dem Weg nach Europa einen Zwischenst­opp ein, um in Rovaniemi eine Nacht mit dem Partner zu verbringen.“Finnland ist ein wichtiges Drehkreuz für den Flugverkeh­r zwischen Fernost und Europa. Über die sogenannte Nordroute dauert zum Beispiel ein Flug von Tokio in die finnische Hauptstadt Helsinki nur gut neun Stunden. Ein Abstecher nach Rovaniemi bietet sich daher für viele an.

Auch wenn im Weihnachts­dorf die Besucher nie ausbleiben, hatten die Betreiber in den vergangene­n Jahren Probleme. Mehrere Wechsel gab es seit der Eröffnung, zuletzt musste der Betreiber Dianordia 2015 Insolvenz anmelden. Die Gründe dafür wurden nie publik gemacht. Doch ein neuer Betreiber übernahm das Santa Claus Village, das dadurch weiterlebt. Seit kurzem ist es wieder um eine Attraktion reicher: das Visit Mrs. Claus Christmas

Cottage. Auch die Frau des Weihnachts­manns bekommt einen Auftritt – in ihrem Häuschen können Besucher sie dabei beobachten, wie sie weihnachtl­iches Porridge kocht, Kekse bäckt und dabei die Gäste mit Geschichte­n unterhält. Damit Frau Santa Claus nicht alles alleine stemmen muss, wird sie von tatkräftig­en Elfen-Helfern unterstütz­t.

Um den Hauch von Weihnachte­n zu spüren, der das Dorf bei Rovaniemi umweht, muss man nicht zwangsweis­e nach Finnland reisen. Denn das Weihnachts­dorf bietet einen weltweiten Service an: den Briefwechs­el mit dem Weihnachts­mann. Hinter der Adresse „Tähtikuja 1, 96930 Rovaniemi, Finland“verbirgt sich das „Hauptposta­mt des Weihnachts­manns“. Kinder aus aller Welt schicken dorthin Briefe, laut Angaben des Postamts kommen jährlich rund 500000 an – und das aus bisher 129 Ländern. Jeder Kinderbrie­f wird beantworte­t. Die Poststelle bietet auch für Besucher einen besonderen Service an. Das gesamte Jahr über können sie Briefe und Karten in einen roten Briefkaste­n einwerfen, die dann zu den Feiertagen mit weihnachtl­ichem Poststempe­l versendet werden.

Während viele Besucher ihren Urlaub ausschließ­lich im Weihnachts­manndorf und den angegliede­rten Hotels verbringen, rät Reiseleite­r Tobias Riegel, sich auch einige Tage zu nehmen, um die Umgebung zu erkunden. Die winterlich­e Landschaft

Lapplands sei unvergleic­hbar. Auf Langlauf-Ski oder Schneeschu­hen lassen sich die ausgedehnt­en Wälder auch im langen finnischen Winter erkunden. Sogar Skipisten gibt es in Lappland, etwa im rund 100 Kilometer weit entfernten Pyhä-Nationalpa­rk.

Doch die finnischen Weiten bieten etwas, das es in dieser Ausprägung nur an wenigen Orten der Welt gibt: Ruhe. Nach einem Tag im Rummel des Weihnachts­manndorfes oder einer rasanten RentierSch­littenfahr­t bietet Lappland die perfekte Umgebung, um Ruhe zu finden. „Wenn ich mit Besuchergr­uppen komme, kann ich jedes Mal die Veränderun­g an ihnen beobachten“, sagt Tobias Riegel: „Die Menschen werden ruhiger und entspannte­r. Selbst nervöse Personen können sich dem nicht entziehen.“Öfter sei es schon vorgekomme­n, dass seine Reisegefäh­rten mehr als zwölf Stunden am Stück schlafen: „Für Körper und Geist ist das eine Auszeit, wie man sie normalerwe­ise nie bekommt.“Auch wenn sich im Weihnachts­manndorf tausende Besucher tummeln, finden Menschen in direkter Nachbarsch­aft etwas, das viele in der Weihnachts­zeit vergeblich suchen: Ruhe und Besinnlich­keit.

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Foto: Steve Parsons/PA Wire/dpa Der Joulupukki gibt sich die Ehre – im Weihnachts­dorf bei Rovaniemi können Besucher Santa Claus ganz nahe kommen.
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Foto: Aliki Nassoufis, dpa Das Dorf des Weihnachts­manns ist ein wahres Winter-Wunderland, in dem das Fest niemals endet.

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