„Das war eine große Enttäuschung“
Interview Im Januar schien die Karriere von Friedhelm Funkel zu Ende. Er erzählt, warum er immer noch Fortuna-Trainer ist und die Verhandlungsstrategie von Stefan Reuter schätzt
Als Trainer sind Sie im Profibereich seit 1991 tätig. In dem Jahr wurde der 1. FC Kaiserslautern zum dritten Mal deutscher Fußballmeister. Damals wurden Sie kurz nach Beendigung Ihrer Spielerkarriere bei Bayer 05 Uerdingen Co-Trainer von Timo Konietzka. Stimmt es, dass Sie seitdem in Ihrer Trainerlaufbahn bisher kein einziges Pflichtspiel versäumt haben? Friedhelm Funkel: Das stimmt, kein Pflichtspiel. Ich habe ein einziges Vorbereitungsspiel bisher versäumt. Das war letztes Jahr im Juli in der Vorbereitung, da war ich krank. (Anm. d. Red., gegen die SF Eisbachtal gewann Fortuna Düsseldorf auch ohne Funkel mit 9:1).
Ihr Bundesliga-Debüt als Spieler hatten Sie 1975 für Bayer 05 Uerdingen gegeben, gegen Rot-Weiß Essen … Funkel: Da haben wir an der Hafenstraße 1:2 verloren. Ich hab zwar ein Tor geschossen, aber Horst Hrubesch hat zwei für Essen gemacht.
Wie hat sich die Bundesliga in diesen fast 45 Jahren verändert?
Funkel: Wenn ich das ausführlich erklären sollte, brauchen wir drei Stunden. Sie hat sich gewaltig verändert. Medial, in der Trainingslehre, im taktischen, physischen und athletischen Bereich. Eigentlich überall. Und das miterlebt zu haben und immer noch dabei zu sein, ist schon ein tolles Gefühl.
Wie haben Sie das geschafft?
Funkel: In dem ich mitgegangen bin. Und wenn ich das eine oder andere nicht so gut kann oder auch konnte, habe ich mir Spezialisten zur Seite geholt, wie viele andere Trainer
„Als ich angefangen habe, waren wir zu zweit“
auch. Zu Beginn meiner Trainertätigkeit hat man das nicht gemacht, weil man Angst hatte, Schwächen zu zeigen. Das war kompletter Blödsinn. Als ich angefangen habe, waren wir zu zweit. Jetzt habe ich um mich herum 15, 16, 17 Leute. Das sind alles Fachleute. Die unter einen Hut zu bringen, ist eine wichtige Aufgabe als Trainer.
Dass Sie mit Fortuna Düsseldorf auch am Ende des Jahres 2019 in der Bundesliga spielen, daran glaubte im März 2016 wohl niemand. Sie lösten Marco Kurz im Abstiegskampf der 2. Bundesliga ab.
Funkel: Ich bin im März 2016 gekommen und wir haben dann am letzten Spieltag in Braunschweig die Liga gehalten. Danach haben wir angefangen, personell Veränderungen vorzunehmen. Danach sind wir Elfter geworden, haben wieder ein paar neue Spieler geholt und ein Jahr später sind wir aufgestiegen und haben die Klasse dann auch gehalten. Das wird in dieser Saison aber noch schwerer für uns.
Dabei schien es im Januar 2019 so, als würde Ihre Trainerkarriere bei der Fortuna im Sommer zu Ende gehen. Vorstandschef Robert Schäfer hatte im Trainingslager auf Mallorca verkündet, der Vertrag werde im Sommer nicht verlängert. Sie sagten bei der Pressekonferenz unter Tränen: „Dann bin ich Rentner.“Heute sind Sie immer noch Trainer und Robert Schäfer schon längst nicht mehr im Verein. Funkel: Das war damals eine große Enttäuschung für mich, dass man erst im Mai mit mir über eine Vertragsverlängerung sprechen wollte. Das habe ich von der ersten Sekunde abgelehnt, weil ich nicht wollte, dass so spät über meine Zukunft entschieden wird. Das wäre erst im Mai gewesen. Also habe ich gesagt: Okay, dann höre ich auf und ihr könnt euch einen anderen Trainer suchen. Den Mut, das auch durchzuziehen, hatten sie aber nicht. Und dann haben mir die Fans in einer Art und Weise geholfen, die ich niemals für möglich gehalten habe.
Wer waren „sie“?
Funkel: Robert Schäfer und Robert Palikuca (Anm., d. Red., jetzt Sportvorstand beim 1. FC Nürnberg) waren damals die Hauptverantwortlichen. Sie hatten anscheinend andere Überlegungen, wollten mir das aber nicht sofort sagen, sondern mich vertrösten. Ihre Meinung hat sich dann auch aufgrund der Fanproteste geändert und ich habe einen neuen Vertrag unterschrieben.
Die Vorrunde verlief bisher mit Höhen, aber auch mit Tiefen. Sie stehen mitten im Abstiegskampf.
Funkel: Da stehen wir ja nicht überraschend. Wir haben uns das nicht gewünscht, aber man konnte es auch nicht ausschließen. Wir sind einfach nicht konstant genug. Wir wissen, dass wir bis zum letzten Spieltag um die Klasse kämpfen müssen.
Wie sehen Sie den FCA?
Funkel: Der FCA hat sich stabilisiert. Die Mannschaft ist gut besetzt, aber sie hatten auch schon die eine oder andere Schwächephase in dieser Saison. Das wird eine unangenehme Aufgabe für uns. Natürlich wollen wir gewinnen, aber Augsburg ist zu Hause gut. Sie haben wenig Ballbesitz, sie versuchen, durch eine gut gestaffelte Defensive schnell nach vorne zu spielen, und das haben sie in den letzten Spielen gut gemacht.
Es stehen ja zwei Ex-Spieler des FC Augsburg in ihren Reihen. Torhüter Florian Kastenmaier hat die Fortuna vor dieser Saison fest vom VfB verpflichtet und Erik Thommy von Stuttgart vorerst für ein Jahr ausgeliehen. Funkel: Es sind beides deutsche Spieler mit Potenzial. Florian haben wir beim VfB II ein paar Mal beobachtet und er hat sich da sehr gut präsentiert. Er ist hier auf dem Weg, sich weiterzuentwickeln. Erik hat bei Jahn Regensburg und dann später beim VfB Entwicklungsschritte gemacht. Die muss er bei uns nun fortsetzen und da ist er dabei.
Bis zum Sommer hatten Sie auch Takashi Usami vom FCA zwei Jahre ausgeliehen. Warum hat er den Durchbruch bei der Fortuna nicht geschafft? Funkel: Das sehe ich anders. Er hat sich schon bei uns durchgesetzt. Er war im Aufstiegsjahr ein wichtiger Spieler und hat auch in der vergangenen Saison dazu beigetragen, dass wir in der Bundesliga geblieben sind. Aber wir konnten ihn leider nicht behalten, weil die geforderte Ablösesumme der Augsburger einfach zu hoch für uns war. Wir sind noch nicht in der Lage, MillionenBeträge für Spieler auszugeben. Wir haben einen gewissen Wert für Usami erkannt und eine gewisse Summe für realistisch gehalten. Stefan Reuter hat das für den FCA anders gesehen, was ich durchaus nachvollziehen kann, weil Usami ein guter Spieler ist. Deswegen konnten wir ihn nicht weiter verpflichten.
Dem FCA-Sportvorstand wird nachgesagt, er setzt die Ablöseforderungen für seine Spieler sehr ambitioniert an. Funkel: Das ist doch für den Verein gut. Er zeigt auch eine gewisse Standhaftigkeit bei den Verhandlungen, die ich in Ordnung finde und die ich auch an ihm schätze. Dass der FCA jetzt seit neun Jahren in der Bundesliga spielt, daran hat Stefan Reuter einen großen Anteil. Er macht sehr gute Arbeit.
Ist der FCA in gewisser Weise sogar ein Vorbild für Fortuna Düsseldorf? Funkel: Das ist nicht nur Augsburg für uns, sondern vor allem Freiburg. Man kann das aber nicht vergleichen. Vor zehn Jahren waren die
Fortuna, der FCA, Mainz und Freiburg vielleicht noch einigermaßen auf Augenhöhe, aber mittlerweile sind sie uns deutlich voraus. Diese Klubs haben durch die langjährige Bundesliga-Zugehörigkeit andere finanzielle Möglichkeiten als wir.
Düsseldorf ist doch von den Voraussetzungen besser positioniert. Düsseldorf hat doppelt so viele Einwohner wie Augsburg, die Merkur-Spiel-Arena fasst fast 55 000 Zuschauer.
Funkel: Man kann auch an kleinen Standorten gute Arbeit machen. Das ist hier in Düsseldorf über Jahre versäumt worden und deswegen ist man lange in der 2. Liga gewesen. Wir sind auf einem guten Weg, aber man kann das nicht innerhalb von einem Jahr aufholen. Das müssen wir langsam, mit viel Vernunft und viel Geduld, versuchen hinzubringen.
Sie haben vor wenigen Tagen Ihren 66. Geburtstag gefeiert. Da fällt mir das Lied von Udo Jürgens ein: Mit 66 Jahren fängt das Leben an…
Funkel: Wenn jetzt mein Leben erst anfangen würde, hätte ich einiges verpasst. Das Schöne ist, dass ich mit 66 Jahren gesund bin, noch Sport treiben kann. Ich kann alles machen, auf das ich Lust habe. Das ist in diesem Alter ein Privileg.
Was machen Sie in der kommenden Saison? Werden Sie Rentner sein? Funkel: Das wird sich in den nächsten Tagen entscheiden.
● Friedhelm Funkel (geb. 10. Oktober 1953 in Neuss). Als Spieler bestritt er 320 Bundesligaspiele für Kaiserslautern und Uerdingen. Mit Bayer wurde er 1985 Pokalsieger. Als Trainer stieg er sechsmal aus der
2. Liga auf. Insgesamt coachte er bisher in 901 Pflichtspielen. Beides sind Rekordmarken.