Donau Zeitung

Schluss mit Handy-Verstecken in der Schule?

Seit gut einem Jahr testen 135 bayerische Schulen, wie der Alltag ohne generelles Handyverbo­t funktionie­rt. Welche Erfahrunge­n die Schulen gemacht haben und was Lehrervert­reter davon halten

- VON PHILIPP WEHRMANN

Augsburg In der Pause eine Whatsapp-Nachricht verschicke­n, ein Youtube-Video anschauen oder etwas auf Wikipedia nachschlag­en? Bisher war das in der Regel an bayerische­n Schulen verboten. Seit etwa einem Jahr testen 135 Schulen, wie der Schulallta­g ohne generelles Smartphone-Verbot funktionie­rt. Wissenscha­ftler des Staatsinst­ituts für Schulquali­tät und Bildungsfo­rschung untersuche­n, wie sich das Projekt auswirkt. Im Herbst 2020 werden sie ihre Ergebnisse vorstellen. Auf dieser Grundlage entscheide­t dann die Politik, wie es weitergeht.

Auch einige Schulen aus dem Regierungs­bezirk Schwaben nehmen an dem Projekt teil. Welche Regeln genau gelten, das legen sie selbst fest. Am Gymnasium bei St. Stephan Augsburg zum Beispiel hat man sich für „eher strenge Regeln“entschiede­n, sagt Schulleite­r Bernhard Stegmann. Schon im Vorfeld des Projekts haben er und die Lehrer der Schule ein Regelwerk erarbeitet.

Es beginnt mit drei grundlegen­den Punkten: Die Schule müsse ein geschützte­r Raum sein. Auch mit Smartphone­s im Schulallta­g müsse ein respektvol­ler Umgang untereinan­der garantiert werden. Und wer sich nicht an Regeln hält, den erwarten Konsequenz­en.

Das Gymnasium bringe die Besonderhe­it mit sich, dass die Schüler über eine besonders große Altersspan­ne verfügen: Die Jüngsten sind manchmal neun Jahre, die Ältesten nicht selten 19 Jahre alt. An seiner Schule habe man sich entschiede­n, dass die Fünft- bis Neuntkläss­ler auch in diesem Versuch keine Handys privat nutzen dürfen – außer ein Lehrer erlaubt es. Ab der zehnten Klasse dürfen Schüler in der Zentralbib­liothek das Handy nutzen – sie ist den ganzen Vormittag geöffnet, außerdem ist permanent ein Lehrer vor Ort. Die Elfund Zwölftkläs­sler dürfen im Oberstufen­raum ihre Handys nutzen. „Dort ist es nahezu unmöglich, für eine permanente Kontrolle zu sorgen.“Im Unterricht werden die Geräte ohnehin schon regelmäßig eingesetzt. Vor Prüfungen allerdings können Lehrer die Geräte einsammeln, wenn sie wollen.

Die Schule dürfe keine Parallelwe­lt darstellen, betont Schulleite­r Stegmann: Im Alltag sind Smartphone­s allgegenwä­rtig, auch bei Erwachsene­n. Aus der Schule könne man sie verbannen. „Auf der anderen Seite müssen wir Schüler vor Risiken schützen. Dies schließt Missbrauch ein. Es muss aber auch möglich sein, dass Jugendlich­e kein Smartphone besitzen, ohne unter

Nachteilen zu leiden.“Stegmann ist mit dem Regelwerk zufrieden – und die Lehrer und Schüler seien es ebenso. Nun bleibe abzuwarten, ob und wie sich die Gesetze nach dem Versuch ändern. „Ich hoffe, dass die Schulen weiterhin eigene Lösungen finden können.“

An der Christoph-von-SchmidReal­schule in Thannhause­n (Kreis Günzburg) hat man andere Regeln aufgestell­t. Dort ist die Smartphone-Nutzung keine Frage des Alters, sondern der Uhrzeit, erklärt Schulleite­r Marcus Langguth. Vor und nach dem Unterricht dürfen Schüler ihre Handys aus der Tasche holen – und auch privat benutzen. Zwischen den Stunden und in den Pausen müssen sie verschwind­en – außer die Lehrer erlauben es. „Ich finde es

gut, dass dadurch diese Heimlichke­it bei der Handynutzu­ng weniger geworden ist.“Früher hätten sich die Schüler zum Telefonier­en oder Nachrichte­nschreiben versteckt. „Dadurch, dass es klare Regeln

gibt, hat die Handynutzu­ng nicht zugenommen, sie ist nur entspannte­r geworden“, betont der Schulleite­r. Mobilgerät­e zu nutzen sei ohnehin nicht mehr wegzudenke­n. Manche Klassen ersetzen ihre Schulbüche­r durch Tablets, um auf den schweren Ranzen zu verzichten, andere bearbeiten selbst Arbeitsblä­tter mit den Geräten. „Die Nutzung wird zukünftig mehr werden, das ist für mich klar“, sagt Langguth. „Uns ist aber auch wichtig, dass in unserer Schule zwischenme­nschliche Kommunikat­ion stattfinde­t.“

Darauf legt Simone Fleischman­n, Präsidenti­n des Bayerische­n Lehrerund Lehrerinne­nverbands, ebenfalls Wert. Sie ist allerdings optimistis­ch, dass Schüler mit mehr Freiheiten umgehen können, auch wenn es festgelegt­er Regeln bedarf. „Schüler und Lehrer sind in der Lage, mit neuen Medien umzugehen.“Das merke man gerade in dieser Jahreszeit: „Kinder schätzen es, wenn Lehrer ihnen die Weihnachts­sehr geschichte vorlesen, auch wenn sie sie sich auf Youtube reinziehen könnten.“

„Natürlich bringen Smartphone­s Gefahren mit sich, etwa ungewollte Videos und Fotos oder Mobbing, vor denen wir schützen müssen“, stellt Fleischman­n fest. Dafür brauche es Regeln. Wie diese auszusehen haben, hänge von vielen Faktoren ab. Deshalb sollten Schulen selbst festlegen können, wie sie mit Smartphone­s umgehen. Fest stehe, dass Schulen sich nicht von der Außenwelt isolieren könnten und ein Spiegel der Gesellscha­ft seien. Ein vernünftig­er Umgang mit Smartphone­s sei nicht eine Frage des Alters. „Es gibt auch viele Kinder, die ihre Eltern ermahnen, das Handy beim Essen wegzulegen.“

„Viele Kinder ermahnen ihre Eltern, das Handy beim Essen wegzulegen.“

Simone Fleischman­n, Präsidenti­n des BLLV

 ?? Foto: Sven Hoppe, dpa ?? Im Projektver­such dürfen Jugendlich­e an manchen Schulen ihr Handy zwischen den Stunden und in den Pausen auch privat nutzen – und die Lehrer findens gut, weil nicht mehr heimlich während des Unterricht­s Whatsapp-Nachrichte­n getippt werden.
Foto: Sven Hoppe, dpa Im Projektver­such dürfen Jugendlich­e an manchen Schulen ihr Handy zwischen den Stunden und in den Pausen auch privat nutzen – und die Lehrer findens gut, weil nicht mehr heimlich während des Unterricht­s Whatsapp-Nachrichte­n getippt werden.

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