Schluss mit Handy-Verstecken in der Schule?
Seit gut einem Jahr testen 135 bayerische Schulen, wie der Alltag ohne generelles Handyverbot funktioniert. Welche Erfahrungen die Schulen gemacht haben und was Lehrervertreter davon halten
Augsburg In der Pause eine Whatsapp-Nachricht verschicken, ein Youtube-Video anschauen oder etwas auf Wikipedia nachschlagen? Bisher war das in der Regel an bayerischen Schulen verboten. Seit etwa einem Jahr testen 135 Schulen, wie der Schulalltag ohne generelles Smartphone-Verbot funktioniert. Wissenschaftler des Staatsinstituts für Schulqualität und Bildungsforschung untersuchen, wie sich das Projekt auswirkt. Im Herbst 2020 werden sie ihre Ergebnisse vorstellen. Auf dieser Grundlage entscheidet dann die Politik, wie es weitergeht.
Auch einige Schulen aus dem Regierungsbezirk Schwaben nehmen an dem Projekt teil. Welche Regeln genau gelten, das legen sie selbst fest. Am Gymnasium bei St. Stephan Augsburg zum Beispiel hat man sich für „eher strenge Regeln“entschieden, sagt Schulleiter Bernhard Stegmann. Schon im Vorfeld des Projekts haben er und die Lehrer der Schule ein Regelwerk erarbeitet.
Es beginnt mit drei grundlegenden Punkten: Die Schule müsse ein geschützter Raum sein. Auch mit Smartphones im Schulalltag müsse ein respektvoller Umgang untereinander garantiert werden. Und wer sich nicht an Regeln hält, den erwarten Konsequenzen.
Das Gymnasium bringe die Besonderheit mit sich, dass die Schüler über eine besonders große Altersspanne verfügen: Die Jüngsten sind manchmal neun Jahre, die Ältesten nicht selten 19 Jahre alt. An seiner Schule habe man sich entschieden, dass die Fünft- bis Neuntklässler auch in diesem Versuch keine Handys privat nutzen dürfen – außer ein Lehrer erlaubt es. Ab der zehnten Klasse dürfen Schüler in der Zentralbibliothek das Handy nutzen – sie ist den ganzen Vormittag geöffnet, außerdem ist permanent ein Lehrer vor Ort. Die Elfund Zwölftklässler dürfen im Oberstufenraum ihre Handys nutzen. „Dort ist es nahezu unmöglich, für eine permanente Kontrolle zu sorgen.“Im Unterricht werden die Geräte ohnehin schon regelmäßig eingesetzt. Vor Prüfungen allerdings können Lehrer die Geräte einsammeln, wenn sie wollen.
Die Schule dürfe keine Parallelwelt darstellen, betont Schulleiter Stegmann: Im Alltag sind Smartphones allgegenwärtig, auch bei Erwachsenen. Aus der Schule könne man sie verbannen. „Auf der anderen Seite müssen wir Schüler vor Risiken schützen. Dies schließt Missbrauch ein. Es muss aber auch möglich sein, dass Jugendliche kein Smartphone besitzen, ohne unter
Nachteilen zu leiden.“Stegmann ist mit dem Regelwerk zufrieden – und die Lehrer und Schüler seien es ebenso. Nun bleibe abzuwarten, ob und wie sich die Gesetze nach dem Versuch ändern. „Ich hoffe, dass die Schulen weiterhin eigene Lösungen finden können.“
An der Christoph-von-SchmidRealschule in Thannhausen (Kreis Günzburg) hat man andere Regeln aufgestellt. Dort ist die Smartphone-Nutzung keine Frage des Alters, sondern der Uhrzeit, erklärt Schulleiter Marcus Langguth. Vor und nach dem Unterricht dürfen Schüler ihre Handys aus der Tasche holen – und auch privat benutzen. Zwischen den Stunden und in den Pausen müssen sie verschwinden – außer die Lehrer erlauben es. „Ich finde es
gut, dass dadurch diese Heimlichkeit bei der Handynutzung weniger geworden ist.“Früher hätten sich die Schüler zum Telefonieren oder Nachrichtenschreiben versteckt. „Dadurch, dass es klare Regeln
gibt, hat die Handynutzung nicht zugenommen, sie ist nur entspannter geworden“, betont der Schulleiter. Mobilgeräte zu nutzen sei ohnehin nicht mehr wegzudenken. Manche Klassen ersetzen ihre Schulbücher durch Tablets, um auf den schweren Ranzen zu verzichten, andere bearbeiten selbst Arbeitsblätter mit den Geräten. „Die Nutzung wird zukünftig mehr werden, das ist für mich klar“, sagt Langguth. „Uns ist aber auch wichtig, dass in unserer Schule zwischenmenschliche Kommunikation stattfindet.“
Darauf legt Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrerund Lehrerinnenverbands, ebenfalls Wert. Sie ist allerdings optimistisch, dass Schüler mit mehr Freiheiten umgehen können, auch wenn es festgelegter Regeln bedarf. „Schüler und Lehrer sind in der Lage, mit neuen Medien umzugehen.“Das merke man gerade in dieser Jahreszeit: „Kinder schätzen es, wenn Lehrer ihnen die Weihnachtssehr geschichte vorlesen, auch wenn sie sie sich auf Youtube reinziehen könnten.“
„Natürlich bringen Smartphones Gefahren mit sich, etwa ungewollte Videos und Fotos oder Mobbing, vor denen wir schützen müssen“, stellt Fleischmann fest. Dafür brauche es Regeln. Wie diese auszusehen haben, hänge von vielen Faktoren ab. Deshalb sollten Schulen selbst festlegen können, wie sie mit Smartphones umgehen. Fest stehe, dass Schulen sich nicht von der Außenwelt isolieren könnten und ein Spiegel der Gesellschaft seien. Ein vernünftiger Umgang mit Smartphones sei nicht eine Frage des Alters. „Es gibt auch viele Kinder, die ihre Eltern ermahnen, das Handy beim Essen wegzulegen.“
„Viele Kinder ermahnen ihre Eltern, das Handy beim Essen wegzulegen.“
Simone Fleischmann, Präsidentin des BLLV