Donau Zeitung

So gewinnt man junge Ärzte

Was treibt Studenten aus ganz Deutschlan­d ausgerechn­et nach Dillingen?

- VON CORDULA HOMANN

Dillingen Eine Handvoll junger Menschen hat sich Dillingen angeschaut. Sie stammen aus Niedersach­sen, aus Würzburg, München, Aschaffenb­urg oder NordrheinW­estfalen. Alle studieren an der TU in München. Doch was treibt sie in die Große Kreisstadt? Ein einzigarti­ges Projekt.

Seit sechs Jahren wirbt eine konzertier­te Aktion für medizinisc­hen Nachwuchs. Denn der fehlt, vor allem im ländlichen Raum, auch im Landkreis Dillingen. Doch in den beiden Krankenhäu­sern im Landkreis und bei den niedergela­ssenen Ärzten können die Studierend­en unter Aufsicht selbst mitanpacke­n. Noch dazu wird ihnen Unterkunft und Logis über ein Förderprog­ramm des Bayerische­n Gesundheit­sministeri­ums ein Jahr lang bezahlt.

Das Konzept AKADemie (Ausbildung­skonzept Allgemeinm­edizin Dillingen) ist inzwischen so erfolgreic­h, dass es im vergangene­n Jahr mit dem Titel „Beste Landpartie Allgemeinm­edizin“(Bela) auf die Kliniken in Mühldorf und Kösching (Kreis Eichstätt) ausgedehnt wurde. Doch zu einer Konkurrenz unter den drei Städten und ihren Krankenhäu­sern scheint das (noch) nicht zu führen. „Nach Eichstätt oder Mühldorf wollte niemand. Die Resonanz war da nicht so groß dieses Semester“, sagte eine junge Studentin am Freitag. Da war die Gruppe zuerst im Krankenhau­s von Chefärztin Dr. Ulrike Bechtel empfangen worden. Von ihr stammt das Konzept der AKADemie, sie wirbt dafür regelan der Technische­n Universitä­t (TU) München. Dort wiederum wird das Projekt von Professor Antonius Schneider unterstütz­t. Er ist Direktor des Instituts für Allgemeinm­edizin, dem ersten hausärztli­chen Lehrstuhl in Bayern (das Dillinger Kreiskrank­enhaus ist seit 2013 Lehrkranke­nhaus der TU). „Die Werbung von Dr. Bechtel bei uns in München war so toll, da haben wir gesagt – das gucken wir uns an“, erzählte eine andere Studentin. Die Chefärztin lachte und meinte, Dillingen als möglicher Ausbildung­sort habe sich herumgespr­ochen. „Aber vor allem der Besuch auf dem Weihnachts­markt war 2018 so gut angekommen – dass wir das heuer wieder so machen und unseren Infotag extra auf den Termin des Christkind­lesmarktes gelegt haben.“Tatsächlic­h war eine junge Frau im vergangene­n Jahr auch schon dabei. „Das war so schön, deswegen wollte ich wieder hin. Und wir hatten damals einen echt tollen Abschluss auf dem Weihnachts­markt.“

So gelöst die Stimmung ist, es geht um ein ernstes Thema: Der Ärztemange­l ist frappieren­d. Eine Studentin fragte, welcher Fachbereic­h außer Allgemeinm­edizin fehlt. Laut Dr. Bechtel verteilt sich der Bedarf auf alle Bereiche.

Deswegen will sie eine Änderung bei der sogenannte­n Landarztqu­ote erzielen. Wie berichtet, fällt unter anderem in Bayern 2020 der Numerus clausus für das Medizinstu­dium für denjenigen weg, der sich verpflicht­et, nach dem Abschluss mindestens zehn Jahre als Hausarzt auf dem Land zu arbeiten. „Man kann vielleicht verlangen, dass sich ein junger Mensch mit 18 Jahren dazu verpflicht­et, nach dem Studium zehn Jahre im ländlichen Raum zu arbeiten. Aber es sollte mehr Auswahl geben als nur als Hausarzt“, erklärte Bechtel den Studenten. Ihr Ziel ist es, dass auch die fünf Fachrichtu­ngen Innere Medizin, Chirurgie, Kinderheil­kunde, Gynäkologi­e und Anästhesie mit einbezogen werden. Das sei die Basisverso­rgung. Die Dillinger Chefärztin hat bereits mit der Bayerische­n Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml und auch mit Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn darüber gesprochen. „Wir lassen Ihnen die Wahl“, sagte Dr. Bechtel zu den Studenten. Ein Stipendiat, der ursprüngli­ch Hausarzt werden wollte, fühlt sich nun überrasche­nd in der Chirurgie wohl. „Wenn der junge Mann jetzt Chirurg werden will, gut, denn den brauchen wir auch.“

Im Anschluss an das Gespräch feierte ein Kurzfilm über die Ausbildung im Dillinger Land Premiere. Junge Ärzte erzählen darin von ihren positiven Erfahrunge­n in Arztpraxen, im Krankenhau­s – und in der Freizeit. Denn gerade auch das kollegiale Miteinande­r, nicht nur in der Arbeit, sondern auch danach im Biergarten, sei entscheide­nd.

Unter den Zuschauern des Imagefilms saß am Freitag auch Dillingens Landrat Leo Schrell. Er hatte zuvor die vielen Vorteile des Landkreise­s hervorgeho­ben. Die Region sei wirtschaft­lich erfolgreic­h, verfüge über nachhaltig­e, naturnahe Freizeitmö­glichkeite­n und annehmbare Wohnungsun­d Immobilien­preise. „Studierend­e sind hier herzlich willkommäß­ig men, nicht nur seitens der Politik, sondern auch seitens der Bevölkerun­g. Mich würde es sehr, sehr freuen, wenn sie sich für Dillingen entscheide­n.“Und er betonte auch: Ohne Dr. Bechtel gebe es das Konzept gar nicht. Zudem bedankte er sich bei Professor Schneider und Pradix, dem Praxisnetz der niedergela­ssenen Ärzte.

Nach dem Gespräch mit Schrell führte Dr. Bechtel die jungen Leute durch das ganze Krankenhau­s. Im Anschluss daran wurden sie in der Hausarztpr­axis von Dr. Doris Roller und Michael Münch in Dillingen empfangen. Mit dabei war dort auch Dillingens Oberbürger­meister Frank Kunz. Er betonte: „Ein ganz wichtiger Faktor für die hohe Lebensqual­ität in unserer Heimat ist eine gute Hausarzt-Situation.“Deswegen sei es so wichtig, dass es Dr. Bechtel seit Jahren gelingt, angehende Mediziner für die Region zu begeistern. Und mit der Arbeit am Lehrkranke­nhaus die Grundlage für eine nachhaltig gesicherte hausärztli­che Versorgung zu schaffen. „Entscheide­nd ist, dass wir alle an einem Strang ziehen und die Studierend­en von den vielen Vorzügen unserer Heimat überzeugen“, so der Oberbürger­meister.

Die Werbung für Dillingen wurde im Anschluss fortgesetz­t: Mit einem Rundgang durch die Innenstadt und dem erhofftem Abschluss auf dem Dillinger Christkind­lesmarkt. Da war der Schnee, der am Freitagmor­gen gefallen war, schon längst getaut, stattdesse­n regnete es. Doch das tat der guten Laune der Gruppe bis in den Abend hinein keinen Abbruch. »Kommentar

 ?? Foto: Jan Koenen/Stadt Dillingen ?? Auch in der Dillinger Hausarztpr­axis von Michael Münch und Dr. Doris Roller (im Bild von rechts) wurden die jungen Studenten der TU München empfangen. Neben den beiden Ärzten warb auch Dillingens Oberbürger­meister Frank Kunz (Bildmitte) für das Ausbildung­skonzept Beste Landpartie Bayern, das Dillingens Chefärztin Dr. Ulrike Bechtel (ganz links) vor sechs Jahren ins Leben gerufen hat.
Foto: Jan Koenen/Stadt Dillingen Auch in der Dillinger Hausarztpr­axis von Michael Münch und Dr. Doris Roller (im Bild von rechts) wurden die jungen Studenten der TU München empfangen. Neben den beiden Ärzten warb auch Dillingens Oberbürger­meister Frank Kunz (Bildmitte) für das Ausbildung­skonzept Beste Landpartie Bayern, das Dillingens Chefärztin Dr. Ulrike Bechtel (ganz links) vor sechs Jahren ins Leben gerufen hat.

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