Sollen in der Pandemie Handy-Daten gezielt ausgewertet werden?
Ungewöhnliche Zeiten erfordern ungewöhnliche Mittel. Und wenn es sein muss, weil es während einer Pandemie Menschenleben rettet, dann gehört zu diesen ungewöhnlichen Mitteln auch, die Handydaten auszuwerten. Diese freilich nicht generelle, nur temporäre Maßnahme würde uns als Gesellschaft in Zeiten von Corona sogar ein freieres Leben bescheren, als wir es im Moment haben. Klingt paradox? Ist es nicht.
Wir leben in Zeiten, in denen Milliarden Menschen kein Problem damit haben, täglich unzählige Daten ins Internet zu stellen, Informationen kostenlos an private Firmen zu liefern, ohne zu wissen, was diese damit genau machen. Klar ist: Mit Daten verdienen Internetkonzerne viel Geld. Höre ich einen Aufschrei? Wo ist also das Problem, wenn wir unsere HandyDaten mal für was Sinnvolles einsetzen und damit unserem Land helfen, die Bevölkerung vor der Ansteckung mit einem gefährlichen Krankheitserreger zu bewahren?
Es ist gut, dass die Debatte geführt wird und nicht einfach willkürlich entschieden wird. Aber Corona wird uns möglicherweise immer wieder ereilen und gegen neue Feinde braucht man daher auch neue Waffen.
Ich frage daher alle Gegner: Würden Sie Ihre Daten nicht freiwillig rausrücken, wenn Sie damit das Leben eines geliebten Menschen schützen könnten? Ist es Ihnen allen Ernstes lieber, durch eine Ausgangsbeschränkung oder gar -sperre in Ihrer Bewegungsfreiheit und in Ihrem Alltag massiv eingeschränkt zu sein? Nicht falsch verstehen: Nach den bisherigen rechtlichen und medizintechnischen Voraussetzungen, die unser Land hat, finde ich die Ausgangsbeschränkungen im Moment die richtige Maßnahme. Bloß: Südkorea hat gezeigt, dass es auch anders ginge. Anstatt daheim zu bleiben, könnten wir im Café sitzen und ins Kino gehen und müssten uns nicht so große Sorgen um das Leben machen, wie wir es bisher kannten.
Die Smartphones, mit denen wir herumlaufen und unser Leben teilen, sind kleine Wunderkisten. Was man damit alles machen kann! Der einsamen Oma ein Foto schicken, durch die Stadt navigieren und George Orwells „1984“runterladen und lesen zum Beispiel. Aber auch: massenhaft Spuren und persönliche Daten hinterlassen. An die kostbaren Abfallprodukte unseres digitalen Lebens wollen sie alle ran, die kommerziellen Riesen wie Google & Facebook. Aber auch der Staat.
Technisch ist ein Smartphone heute so etwas wie ein unter die Haut implantierter Chip. Man kann Leute damit orten, ihre Wege nachzeichnen, ihren Tag rekonstruieren. Und natürlich lässt sich sanktionieren, wenn jemand sein Fußfesselhandy nicht mitführt oder sich weigert, eine App zu installieren, die für das von der Exekutive definierte Gemeinwohl wichtig ist. In anderen Ländern sieht man schon, wie weit die Gängelei und die BigData-Überwachung der Leute gehen kann. Im Zweifelsfall übrigens findet sich immer eine Legitimation: Ist ja freiwillig, dass wir, die Solidarischen (es sei denn, es geht um die letzten Erbensuppen im Supermarkt), uns gegenseitig verfolgen und uns vom Staat und seinen RKI-Autoritäten tracken lassen. Ist doch anonymisiert! Aber wenn es personalisiert mehr hilft … Angesichts der Inbrunst, mit der auch hierzulande geradezu um staatliche Kontrolle und Durchgriffe gebettelt wird, kann einem nicht ganz wohl sein. Schon gibt es Stimmen, die fordern: Wer sich, wo es doch um Leben und Tod geht, querlegt und nach Luxus wie Legitimation und Freiheit fragt, der muss im Corona-Fall eben leider auf ein Beatmungsgerät verzichten. Digitale Übergriffe sind unsichtbar wie Coronaviren – und genauso gefährlich. Vielleicht würde ja mehr abschrecken, sich vorzustellen, dass negativ Getestete künftig grüne, Ungetestete blaue und Infizierte große rote Anstecker tragen sollen?