Ein energieautarkes Haus – geht das?
Ja, das geht: Richtig eingesetzt liefert die Sonne so viel Energie, dass ein Haus komplett mit Strom und Wärme versorgt werden kann. Eine Familie in Zusmarshausen hat noch keinen Tag gefroren
Ein energieautarkes Haus, das ganz ohne Strom- und Gasanschluss oder sonstige Zulieferung eines festen, flüssigen oder gasförmigen Brennstoffs auskommt, funktioniert das? Und wenn ja, wie? Oder liegt das alles noch in weiter Ferne? Fragen, die mir in letzter Zeit öfter gestellt werden. Die Antwort lautet: Ja, das gibt es jetzt schon, wenn auch höchst selten. Richtig eingesetzt liefert die Sonne so viel Energie, dass ein Haus komplett mit Strom und Wärme versorgt werden kann.
Voraussetzung dafür ist ein sehr energieeffizientes Haus mit guter Wärmedämmung und energieeffizienten Haushaltsgeräten, um den Strom und Wärmebedarf gering zu halten. Dann sind große Photovoltaik-Flächen auf dem Dach und an der Fassade wichtig. Aber auch das alleine reicht noch nicht aus. Damit die Energieversorgung auch im
Winter und bei längeren Schlechtwetterphasen gewährleistet werden kann, muss die Sonnenenergie gespeichert werden können. Und hier kommt die Wasserstofftechnik ins Spiel. Das Prinzip, das dahintersteckt, ist eigentlich recht simpel: Im Sommer liefern die Photovoltaikmodule Sonnenstrom im Überfluss. Was nicht benötigt wird, wird verwendet, um aus Wasser Wasserstoff zu produzieren. Auf diese Weise lässt sich die Sonnenenergie über Monate hinweg speichern und auch im Winter nutzen – dann eben, wenn die solaren Gewinne gering sind.
Herzstück des Systems ist der Elektrolyseur. Dieser macht – mithilfe des Stroms aus den PV-Modulen – aus Wasser Wasserstoff. Und den nutzt die Brennstoffzelle wiederum im Winter, um Strom und Wärme zu erzeugen. Um den Wärmebedarf so gering wie möglich zu halten, muss die Gebäudehülle extrem gut gedämmt sein und das Haus sollte über eine Komfortlüftung mit Wärmerückgewinnung verfügen. In Schwaben gibt es be
ein komplett energieautarkes Haus, das nach diesem Prinzip funktioniert. Es steht in Zusmarshausen. Stolze Besitzer sind Rita und Markus Hörmann. Nach deren Angaben gab es seit dem Einzug im Dezember 2018 noch keinen Tag, an dem sie gefroren haben, abends im Dunkeln saßen oder sonst irgendwelche Einbußen in Sachen Wohnkomfort ertragen mussten. Zwar existiere ein Backup-System mit einer Batterie, das aber bislang noch nie zum Einsatz gekommen sei, betonen Rita und Markus Hörmann, die sich selbst mit ihrem Betrieb Solartechnik spezialisiert haben. Die Kosten für die Technik samt Pufferspeicher und Lüftungsanlage lagen beim Haus der Familie Hörmann bei rund 70 000 Euro zuzüglich der Ausgaben für die Installation. Was sich nach viel Geld anhört, kann sich über einen längeren Zeitraum betrachtet als wirtschaftlich erweisen, fallen doch keinerlei Energiekosten mehr an – und von der KfW gab es auch noch 12 450 Euro Zuschuss für die Brennstoffzelle.
Doch ist das Haus ein Prototyp – und wann macht es Sinn diesen Weg zu gehen? Es gibt mittlerweile einige wenige Häuser, die nach einem ähnlichen Muster wie das Haus der Hörmanns mit Strom und Wärme versorgt werden. Allerdings besitzen diese Häuser in der Regel noch einen Stromanschluss. Der Grund: Im Sommer bleibt selbst nach der Wasserstoff-Produktion Solarstrom übrig, der dann über den Hausanschluss ins öffentliche Stromnetz eingespeist wird. Denn dafür gibt es derzeit noch Geld.
Für den einen oder anderen Phoreits tovoltaikanlagen-Besitzer, dessen garantierte Einspeisevergütung jetzt nach 20 Jahre endet, könnte die Elektrolyseur-Wasserstoff-Lösung auch durchaus interessant werden – wenn es für eine große Solarstromanlage keine Einspeisevergütung mehr gibt, könnte der gesamte Solarstrom so selbst genutzt werden.
Das Wasserstoff-Konzept bietet sich auch für Bauherren an, die über ein abgelegenes Grundstück verfügen, das bebaut werden darf, aber noch nicht ans öffentliche Netz angeschlossen ist. Eine Stromleitung dorthin verlegen zu lassen, wäre teuer und kann den Bauherren weit über 100000 Euro kosten. In einem solchen Fall ist das Wasserstoff-Konzept wahrscheinlich sogar die günstigere Lösung. Größere Berghütten kommen ebenfalls als Einsatzgebiet infrage.
Martin Sambale ist Geschäftsführer des Energie- und Umweltzentrums Allgäu, kurz eza!