Endstation Sehnsucht
Ausgerechnet heute feiert der Schengenraum Geburtstag
Das Schicksal ist manchmal eben doch ein mieser Verräter. Keine Blumen. Keine Champagnerduschen. Keine großen Reden. Stattdessen Fassungslosigkeit und Ratlosigkeit. Da verwöhnt uns dieser Schengenraum jahrein, jahraus mit grenzenloser Freiheit und wird doch als selbstverständlich hingenommen.
Und just am 25. Geburtstag dieses europäischen Versprechens, also jenem Tag, an dem sich Schengen endlich einmal feiern lassen könnte, passiert: nichts. Die Grenzen sind dicht, an den Schlagbäumen kommt es zu Staus. Die Bundesregierung hat für die komplette Welt eine Reisewarnung
herausgegeben. Der Globus wird zum Krisengebiet. Selten zuvor war unser Radius geringer, selten zuvor war klarer, wie weit ein freizügiges Europa zur Normalität geworden war. „Für Reisende ohne triftigen Reisegrund gilt, dass sie nicht mehr einreisen können“, sagt Bundesinnenminister Horst Seehofer. Schengen ade! Aber bis wann? Oder für immer? Hieß es nicht noch vor kurzem: „Wenn Schengen stirbt, stirbt Europa“?
Müssen wir also statt der Geburtstagsfeier eine Trauerfeier abhalten? In Zeiten, in denen das „social distancing“, die soziale Distanz, zur charakterlichen Königsdisziplin erhoben wird, entfremden wir uns von unseren europäischen Nachbarn – und sehnen uns zugleich nach Ostern in Italien, Strandspaziergängen in Griechenland, Sightseeing in Barcelona, wandern in Österreich. Und vielleicht ist das die gute Nachricht inmitten dieses trüben Ozeans: Unsere Reiselust wird so schnell nicht sterben. Und vielleicht ist es manchmal gar nicht so schlecht, wenn uns im Moment des Mangels bewusst wird, wie viele Errungenschaften unser Leben hat.