Ungeplante Geiselnahme
Tatort: Die Zeit ist gekommen
Geiselnahmen sind im „Tatort“praktisch an der Tagesordnung. Etwas anders verhält es sich mit jener, die im Dresdner Sonntagskrimi geschieht. Louis Bürger (Max Riemelt) hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich. So saß er drei Jahre im Knast, weil er einen anderen fast totgeprügelt hat. Jetzt sieht es so aus, als ob die Vergangenheit Bürger eingeholt hat. Als ein Wohnungsnachbar, der Polizist Jan Landrock, mit einem Baseballschläger umgebracht wird, gerät er schnell unter Tatverdacht. Louis kann seine Frau Anna (Katia Fellin) überreden, ihn aus der Untersuchungshaft zu befreien.
Gemeinsam mit Sohn Tim, der sich in Obhut des Jugendamts befindet, wollen sie ins Ausland fliehen. Aber als sie Tim im Kinderheim abholen wollen, sind die Ermittlerinnen Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) schneller. Der Fluchtversuch entwickelt sich unwillkürlich zur ungeplanten Geiselnahme.
Danach überschlagen sich die Ereignisse, was dem „Tatort“jede Menge Spannung verleiht. Bürger sieht sich als „ewiges Opfer“, beteuert seine Unschuld, was ihn aber nicht davon abhält, die Heimleiterin und einen jungen Bewohner in seine Gewalt zu bringen.
Eindrucksvoll in ihren Rollen als eine Art Bonnie und Clyde sind Max Riemelt und vor allem Katia Fellin, der man eine große TV-Karriere voraussagen möchte. Bei der Polizei ist als schwitzender Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) so gut wie lange nicht. Dagegen bleiben Gorniak/ Winkler in den Ermittlungen so blass wie in ihren Dialogen. Als Winkler sich ein Kettchen umhängt, fragt Gorniak: „Sind Sie gläubig?“Darauf Winkler: „Sie hat meinem Bruder gehört. Die hat er zur Erstkommunion erhalten.“Auf die Gegenfrage, ob Gorniak an Gott glaube, sagt die Kollegin: „Ich glaub’ an mich selbst. Aber auch nicht immer.“Das Gespräch passt nun überhaupt nicht zu dem spannenden Wechsel der Erzählperspektiven und der dramaturgisch komplexen Geschichte.