Der Diesel ist tot, es lebe der Diesel
Auf den Abgas-Skandal folgt der Abgesang auf den Selbstzünder. Dass es dafür viel zu früh sein könnte, beweist ausgerechnet Audi
Selig sind die, die das Kürzel „EAV“allein mit der österreichischen Klamauk-Popband „Erste Allgemeine Verunsicherung“verbinden. Denn sie mussten offensichtlich nie in die Tiefen moderner Dieseltechnologie eintauchen. Da bedeutet EAV nämlich „elektrisch angetriebener Verdichter“– und das wiederum weist die Richtung, in die es geht: ein Selbstzünder, dem der Strom Beine macht. Komplex, komplex.
Wobei „allgemeine Verunsicherung“die Situation auf dem Dieselmarkt ebenso beschreiben könnte. Die Ölbrenner tun sich schwer wie selten, obwohl die neue Generation als sparsamer und sauberer gilt denn je. Ausgerechnet Volkswagen, unrühmlicher Hauptdarsteller des Abgas-Skandals, lebt diesen Widerspruch par excellence.
Im S7 Sportback TDI zum Beispiel, der in Deutschland sogar ausschließlich mit Dieselmotor angeboten wird, zeigt die Edeltochter Audi, dass die Messe für den Diesel noch lange nicht gelesen ist. Für diese Erkenntnis reicht ein Blick auf den Bordcomputer. 9,1 Liter und keinen
Tropfen mehr gönnte sich der Testwagen (Normverbrauch: 6,5 Liter), angesichts von 349 PS, Allradantrieb und des Komfort- sowie Platzniveaus eines viertürigen Großcoupés ein Maß an Effizienz, an das wohl keine alternative Antriebsart derzeit heranreicht. Jedenfalls nicht für Reichweiten von bis zu 1000 Kilometer pro Tank. Dass es nicht langweilig wird auf der Langstrecke, dafür sorgt das zweite Charaktermerkmal dieses Motors: seine Agilität. Erstmals kombiniert Audi hier den erwähnten elektrisch angetriebenen Verdichter mit einem 48-Volt-Bordnetz. Der EAV eliminiert jedes Turboloch und hilft dem mächtigen S7 aus dem Stand heraus auf die Sprünge. Die Reaktionszeit beträgt 250 Millisekunden, die Maximalleistung sieben Kilowatt, die Höchstdrehzahl 70000 Touren pro Minute. Daraus resultiert eine beliebig wiederholbare Boost-Option, die gerade bei niedrigen Drehzahlen kleine Wunder wirkt.
Steigt die Drehzahl und erhöht sich somit das Energielevel im Abgasstrahl, ist der „normale“Turbolader zur Stelle. Für den Fahrer bedeutet das: 700 Newtonmeter Drehmoment liegen konstant zwischen 2500 und 3100 Touren an. Dass der EAV insbesondere untenrum hilft, erspart dem Automatikgetriebe das sonst übliche häufige Zurückschalten beim Druck aufs Gaspedal. Der gut abgestimmte Wandler verfügt über acht Stufen, so dynamisch wie ein Doppelkuppler erledigt er seinen Job allerdings nicht.
Zu Verdichter und Turbolader gesellt sich ein Riemenstarter-Generator (RSG), der direkt an der Kurbelwelle hängt. Dieses Teil macht das Trio infernale perfekt. Die E-Maschine ist in ein 48-VoltBordnetz integriert. Sie hat zwei Aufgaben: einmal die Rückgewinnung von Energie beim Bremsen. Bis zu acht Kilowatt speist der Generator in die zehn Amperestunden fassende Lithium-Ionen-Batterie unter dem Kofferraum ein. Zum Zweiten: das Anlassen des Motors nach einer Stopp-Phase. Dank des RSG startet der Sechszylinder blitzschnell und vibrationsfrei.
Bis zu 40 Sekunden lang kann der S7 mit deaktiviertem Verbrenner segeln, bevor der V6 wieder zu grollen beginnt. Noch nicht einmal am Sound, oft ein Manko des Selbstzünders, kann man herummeckern. Sogar dass Audi für die rollende Diesel-Leistungsschau namens S7 Sportback TDI tiptronic mindestens 83340 Euro nimmt, verwundert nicht besonders. Unfassbar, dass betrügen musste, wer solche Motoren bauen kann.