Kein falscher Mann
Maria Wiegner, Eichstätt
Im Mai 1945 wurde ich acht Jahre alt und es war seit längerer Zeit keine Schule mehr. Mein Opa hörte im Radio, dass die Amis kommen. Meine Mutter und ich sind immer in den Keller zu meinen Großeltern, so auch an diesem Tag. Dort haben sich auch Verwandte aus Köln, Augsburg und München versteckt bei Bombenangriffen, und eben auch jetzt, als „der Ami“kam.
Brücken und Stege wurden von der SS gesprengt, damit die Amerikaner nicht in die Stadt konnten. Dies war aber nicht nötig, denn sie kamen von der anderen Seite mit ihren Panzern und Jeeps. Am Abend zuvor wurde ein Nachbarsjunge im Alter von circa 25 Jahren von der SS gehängt, weil er die Zündkabel durchgeschnitten hatte. Er wollte die Sprengung der Brücken verhindern. Das war für uns alle sehr schlimm.
Die Amis durchsuchten alle Wohnungen und Häuser, da sie vermuteten, SSler könnten sich verstecken. Als sie in das große Haus meines Opas kamen, hielten sie inne. Er war Kirchenmaler und hatte Heiligenbilder und Figuren zum Ausbessern da. Sie sagten: „Du kannst kein falscher Mann sein, wenn du in der Hitlerzeit solche Arbeiten ausführst.“Er holte alle 25 Leute (Mütter und Kinder) aus dem Keller, hat gelächelt und ist gegangen. Ich weiß noch genau, wie er aussah.
Mama und ich sind zurück in unsere Wohnung. Wir hatten alle Ausgangssperre, und die Amis liefen kaugummikauend und mit lässigem Gewehr über der Schulter Streife. Wenn sie mit ihren Jeeps und Lastautos vorbeifuhren, warfen sie uns Kaugummi (einzeln oder als Päckchen) und Schokolade oder Kekse (kleine Packungen) zu.