Vom Geschäft mit der Beere
In diesen Tagen geht die Erdbeersaison so richtig los. Die Spargelzeit neigt sich dagegen dem Ende zu. Zwei Landwirte erzählen von der Ernte, von ihren Saisonarbeitskräften und wie sie die Corona-Krise erlebt haben
Adelzhausen/Schrobenhausen Reihe an Reihe, Strauch an Strauch, geschützt von Tunneln aus weißen Planen schmiegen sich die Obstfelder von Klaus Mahl an die kleinen Hügel von Haunsried bei Adelzhausen im Landkreis Aichach-Friedberg. Mit seinem dunkelblauen Pick-up-Transporter fährt der Landwirt über seine 25 Hektar große Anlage und erzählt. Von der Erdbeersaison, die in diesen Tagen so richtig beginnt. Von der ersten Ernte in diesem Jahr, von den Feldern zum Selberpflücken, von den Himbeeren, Brombeeren und Heidelbeeren, die er ebenfalls anbaut, und dem Familienbetrieb, in den er in den vergangenen Jahren so viel investiert hat. Und von früher. Früher, ein Wort, bei dem Klaus Mahl lachen muss. „Ich sage immer früher, dabei meine ich letztes Jahr. Früher, also vor Corona.“
In diesem Jahr ist auf Mahls Obsthof
alles anders, die coronabedingten Veränderungen stellen Landwirt Klaus Mahl vor eine Reihe großer Probleme. Lange war unklar, ob seine Erntehelfer aus Rumänien überhaupt einreisen dürfen. Mittlerweile sind sie in Haunsried angekommen. „Sie werden eingeflogen, dann müssen sie bei uns 14 Tage in Quarantäne“, erzählt Mahl. Um die Kontaktbeschränkungen einzuhalten, müssten die Arbeitsgruppen drastisch verkleinert werden. Früher waren es 50 Mann pro Gruppe, heute sind es 20, die während der Arbeit auf dem Feld unter sich bleiben müssen. „Das ist ein extrem hoher Kostendruck, wir benötigen zusätzliche Fahrzeuge, alles braucht mehr Zeit und muss mit viel bürokratischem Aufwand organisiert werden.“Ein Beispiel: Bevor die Saisonarbeiter aus Rumänien anreisen dürfen, muss Mahl alle Papiere wie Arbeitsund Mietverträge und Reisebescheinigungen nach Rumänien schicken, sie müssen Flüge organisieren, Kosten für Ein- und Ausreise übernehmen. „Für kleine Betriebe ist das organisatorisch kaum zu bewältigen“, sagt Mahl.
Auch die Wohnsituation für die Erntehelfer wird auf dem Obsthof von Klaus Mahl wegen der CoronaRegelungen schwieriger. „Es dürfen nur noch zwei Personen in einem Container wohnen, wo bisher drei waren. Für die anderen müssen wir Zimmer, Häuser oder Hotels anmieten.“Die Unterbringung von Saisonkräften, die aus dem Ausland zum Arbeiten nach Deutschland kommen, stand in den vergangenen Tagen besonders in der Kritik und wurde öffentlich heiß diskutiert – vor allem im Zusammenhang mit
Schlachthöfen. Auch Klaus Mahl hat diese Debatte verfolgt: „Auch bei uns gibt es Sammelunterkünfte – aber was bedeutet das eigentlich? Die neuen Auflagen führen dazu, dass wir einen Mehrbedarf an Unterkunftsmöglichkeiten haben, das stellt uns im Alltag vor eine sehr große Herausforderung.“Der Landwirt geht offen mit dem Thema um, führt durch die Räumlichkeiten, in denen die Saisonarbeiter untergebracht sind. Er zeigt die Kantine, die Umkleiden, die Sanitär- und Schlafcontainer, getrennt nach Männern und Frauen. Vieles wird gerade saniert. Zwei Arbeiter teilen sich ein Zimmer mit Betten. Schränke, Sitzmöglichkeiten und Bettzeug werden gestellt, persönliche Dinge bringt jeder selbst mit. Die Männer und Frauen verdienen laut Mahl den Mindestlohn, wer mehr arbeitet, bekommt eine Provision obendrauf.
Landwirt Klaus Mahl hat bei dieser Debatte vor allem den Verbraucher
im Blick: „Die Leute wollen faire Löhne und gute Lebensmittel – aber im Laden muss es möglichst billig sein.“Mahl ist der Ansicht, der Kunde müsse sich noch mehr bewusst werden und durchrechnen, wie sich zum Beispiel der Preis seiner Erdbeeren im Supermarkt zusammensetzt: Produktionskosten – für Pflanzen, Bewässerung und Löhne –, Verpackung, Transport, Logistik, die Beteiligung der Supermärkte am Umsatz. „Wir Landwirte benötigen für unsere Produkte einen angemessenen, fairen Preis, dann können alle in der Lieferkette ihren Anteil bekommen.“
Die Debatte um die Unterbringung der Saisonarbeiter – besonders in Zeiten der Corona-Pandemie – verfolgt auch Claudia Westner. Sie betreibt den Spargelhof Gut Haslangkreit in Kühbach und ist Vorsitzende des Spargelerzeugerverbandes Südbayern. „Die Unterkünfte dürfen nur zur Hälfte belegt werden, viele Spargelbetriebe müssten deshalb Pensionszimmer anmieten oder mehr Wohncontainer aufstellen – wenn überhaupt so viele Erntehelfer da sind.“Im Gegensatz zu Obstbauer Klaus Mahl haben viele Spargelbauern aber in diesem Frühjahr gar nicht genug Saisonkräfte bekommen. „Ich schätze, etwa 75 Prozent sind gekommen, aber erst nach den Osterferien. Mitte März, als für uns die Ernte begonnen hat, sah es noch ziemlich schlecht aus.“
Am Anfang seien die Regelungen
Vor allem kleine Betriebe trifft es hart
Spargelhofbesitzerin rechnet mit stabilen Preisen
unklar gewesen, dann hätten viele Polen zu große Angst gehabt, nach Deutschland zu reisen, viele Rumänen wollten nicht mit dem Flugzeug kommen, erzählt Westner. Doch mittlerweile hätte sich die Lage etwas beruhigt. Manche Felder könnten zwar nicht abgeerntet werden, dafür hätten sich Erntehelfer an die Abstandsregelungen und den Mundschutz, den sie in Gebäuden tragen müssten, gewöhnt.
Unter den Umständen war es nach Angaben von Claudia Westner ein einigermaßen passables Spargeljahr: „Das Wetter hat mitgespielt, und wir haben gute Mengen vermarktet. Obwohl uns die Gastronomie weggefallen ist, haben die Leute gut gekauft, weil viele von ihnen daheim mehr gekocht haben.“Die Auswirkungen von Corona auf die Spargelbauern wird der Verbraucher wohl auch nicht beim Einkaufen bemerken. „Bis die Saison dann Mitte Juni zu Ende geht, rechne ich mit stabilen Preisen.“