Die Vision von einer geschwisterlichen Welt
Heute von Stefan Schneid, Gemeindereferent bei Regens Wagner
Liebe Leserinnen und Leser, liebe Schwestern und Brüder, als Christen ist uns diese Anrede vertraut. Werden wir doch so im Gottesdienst angesprochen. Mir gefällt diese Anrede. Sie drückt aus, dass wir als Christen eine große Familie sind und einen gemeinsamen Vater im Himmel haben.
Bereits die ersten Christen verstanden sich als Brüder und Schwestern, die füreinander da sind, miteinander teilen, sodass auch die armen Menschen genug zum Leben haben. Dieses schöne Ideal wurde im Laufe der Kirchengeschichte oft nicht gelebt. Doch immer wieder gab es Einzelpersönlichkeiten, die sich radikal am Leben von Jesus Christus ausgerichtet haben. Franz von Assisi war so jemand.
Durch seine tiefe Beziehung zu Gott fühlte er sich mit allen Geschöpfen
geschwisterlich verbunden. Neben Menschen bezeichnete er auch Tiere und Pflanzen als Bruder und Schwester. Gut 600 Jahre später wirkte Johann Ev. Wagner in Dillingen.
Schon als Kind erlebte er, wie ein gehörloser Bub in seinem Heimatdorf Dattenhausen bettelte, weil es damals für Menschen mit Behinderung weder Schulbildung noch finanzielle staatliche Unterstützung gab. Jahre später, als er als Leiter (Regens) im Dillinger Priesterseminar war, gründete er mit den Dillinger Franziskanerinnen eine Schule für gehörlose Mädchen. Regens Wagner,
dessen Todestag wir am 10. Oktober gedenken, begegnete Menschen mit Behinderung auf Augenhöhe und setzte sich mit voller Hingabe für sie ein.
Der heilige Franziskus war für ihn ein großes Vorbild, wie auch für Papst Franziskus, der bewusst diesen Namen wählte.
In einer Zeit, in der die Schere zwischen Arm und Reich wächst und viele Menschen unter den Folgen von Krieg, Umweltzerstörung und Verfolgung leiden, wendet sich Papst Franziskus an alle Menschen guten Willens.
In der Enzyklika „Fratelli tutti“(zu Deutsch: Alle sind Brüder und Schwestern) schreibt er: „Ich habe den großen Wunsch, dass wir in dieser Zeit, die uns zum Leben gegeben ist, die Würde jedes Menschen anerkennen und bei allen ein weltweites
Streben nach Geschwisterlichkeit zum Leben erwecken.“
Diese Vision von einer geschwisterlichen Welt wird Wirklichkeit, wenn viele Menschen vor Ort sich begeistern lassen.
Aus christlicher Perspektive ist jeder Mensch wertvoll, egal aus welchem Land, welcher Kultur und Religion jemand kommt. Es gilt, einander geschwisterlich zu begegnen, auch in dem Bewusstsein, dass es in jeder Familie auch einmal Spannungen und Ungerechtigkeiten gibt.
Entscheidend ist, dass wir uns immer wieder aufs Neue aufeinander zubewegen.
Pace et bene (Friede und Heil)
Ihr
Stefan Schneid Gemeindereferent bei Regens Wagner Dillingen