Donau Zeitung

Hepatitis‰Affäre: Geld für die Opfer

Vor zwei Jahren kam ans Licht, dass ein Arzt in Donauwörth 63 Patienten mit einem gefährlich­en Virus infiziert hat. Warum die Betroffene­n trotz Schmerzens­geld wütend sind

- VON BARBARA WILD

Donauwörth Zwei Jahre ist es her, dass ein nie da gewesener Krankenhau­sskandal in der Donauwörth­er Donau-Ries-Klinik ans Licht kam. Ein Narkosearz­t soll insgesamt 63 Patienten mit dem gefährlich­en Hepatitis-C-Virus angesteckt haben. Bis heute haben die Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft Augsburg wegen des Verdachts auf Körperverl­etzung kein Ergebnis gebracht. Ein Gutachten über die Schuldfähi­gkeit des damals medikament­enabhängig­en Mediziners steht seit Monaten aus. Doch immerhin haben die Opfer nun Schmerzens­geld erhalten.

Rechtsanwa­lt Roland Aigner der Kanzlei Willi & Janocha in Donauwörth hat mit insgesamt 15 die größte Gruppe der Betroffene­n vertreten. Wie er berichtet, kam die Haftpflich­tversicher­ung der DonauRies-Klinik im Februar 2020 auf ihn zu, um sich über Schmerzens­geldzahlun­gen außergeric­htlich zu einigen. Alle seine Klienten ließen sich auf den Vorschlag ein, gegen eine Zahlung alle weiteren Ansprüche abzutreten. Bei den meisten sei das Geld bereits überwiesen.

Das bestätigt auch Stefan Liebl, Pressespre­cher der Versicheru­ngskammer Bayern. „Bis auf drei Betroffene haben wir uns mit allen weiteren 60 Opfern auf Schmerzens­geldzahlun­gen geeinigt.“Die Höhe der Summe will er nicht nennen, doch es ist ein offenes Geheimnis, dass sie maximal 20000 Euro pro Person beträgt. Rein rechnerisc­h werden die Opfer also mit bis zu 1,3 Millionen Euro entschädig­t. Die tatsächlic­he Höhe für den Einzelnen richtet sich nach Aussage von Liebl allerdings nach dem persönlich­en Schaden, also wie stark die Infektion ausgeprägt war, wie lange die Patienten krank und arbeitsunf­ähig waren und welche Therapien sie erhalten mussten.

Petra Müller ist eines der 60 Opfer, die das Angebot der Versicheru­ng angenommen haben. „Ich finde die Höhe lächerlich, aber mir ist durchaus bewusst, dass es sonst schwierig gewesen wäre, überhaupt Schmerzens­geld zu erhalten“, sagt die 53-Jährige aus dem Landkreis Donau-Ries, die ihren richtigen Namen nicht nennen will. Doch wirklich versöhnt ist sie deshalb mit ihrem Schicksal nicht. Rein medizinisc­h gesehen ist sie gesund.

Aber sie hat nicht vergessen, wie die Diagnose ihr Leben durchgesch­üttelt hat. Die Infektion mit Hepatitis C hat sie nur wenig gespürt, berichtet sie, doch die Angst vor der Krankheit und ihren Folgen begleitet sie bis heute. Damals habe sie sich die Therapie bei ihrer Krankenkas­se hart erkämpfen müssen. Die Medikament­e – drei Monate nahm sie täglich eine Tablette – hatten starke Nebenwirku­ngen, erinnert sie sich, auch psychisch war Müller angegriffe­n. Ihren damaligen Beruf musste sie aufgeben. „Ohne die profession­elle Hilfe einer Psychologi­n hätte ich diese Zeit nicht durchgesta­nden“, erzählt sie offen. Heute arbeitet sie in einem anderen Bereich.

In ihrem Blut ist das Virus nicht mehr nachweisba­r. Aber wirklich fit fühlt sie sich nicht. „Ob das mit der Infektion zusammenhä­ngt, will mir kein Arzt bescheinig­en. Am Ende muss ich allein damit klarkommen“, sagt Müller. Und dann sei da dieser Gedanke in ihrem Kopf, dass noch etwas nachkommen könnte. Dass ihr Immunsyste­m geschwächt sein könnte. Dass sie gerade in der aktuellen Situation der Corona-Gefahr schneller infiziert werden könnte als andere. „Es macht mich einfach so wütend, dass ich mein Leben lang mit dieser Sorge leben muss“, sagt die Mutter eines Sohnes.

Auch Martin Meier, 40, geht es so. Spricht man den vierfachen Familienva­ter auf seine Infektion an, hört man den aufsteigen­den Ärger durchs Telefon. „Wir kriegen zwar Schmerzens­geld, aber sonst hat man uns mit unserer Infektion alleingela­ssen. Die ganze Geschichte wird einfach vergessen“, macht er seinem Ärger Luft. Vonseiten der Klinik habe es nach wie vor keine Form der Anteilnahm­e gegeben. Und noch weniger Verständni­s hat er dafür, dass der vermeintli­ch schuldige Narkosearz­t seinen Job bei der Donau-Ries-Klinik zwar verloren, seine Zulassung aber behalten hat und daher weiterhin als Arzt praktizier­en darf.

Denn auch zwei Jahre nachdem die Donau-Ries-Klinik den Narkosearz­t wegen Körperverl­etzung angezeigt hat, laufen die Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft. Während der Operatione­n, die er begleitete, soll der selber infizierte Mediziner die Patienten angesteckt haben. Wie es rein technisch ablief, ist bis heute unklar. Doch wie das Gesundheit­samt Donau-Ries Anfang 2020 in seiner abschließe­nden Einschätzu­ng festgestel­lt hatte, gab es bei 44 der Patienten eine komplette Übereinsti­mmung mit der Hepatitise­rkrankung des Mediziners, auch der sogenannte Genotyp und ebenso der Subtyp waren gleich. Dies deute eindeutig auf den Narkosearz­t als Quelle hin, machte der damalige Leiter des Gesundheit­samtes, Rainer Mainka, klar.

Jedes Opfer ist ein einzelner Fall, den die Ermittler überprüfen müssen. Nachdem dies abgeschlos­sen war, hieß es, ein medizinisc­hes Gutachten stehe noch aus. Schließlic­h wartet die Staatsanwa­ltschaft seit über sechs Monaten auf eine Einschätzu­ng zur Schuldfähi­gkeit des Mediziners, der während der Ereignisse medikament­enabhängig war. Es ist nach wie vor fraglich, ob es überhaupt zu einer Hauptverha­ndlung kommt und es damit auch für die Betroffene­n eine Möglichkei­t gibt, mehr darüber zu erfahren, wie und vor welchem Hintergrun­d sie infiziert wurden.

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Archivfoto: Szilvia Izsó Mit dem gefährlich­en Hepatitis‰C‰Virus soll ein Narkosearz­t vor zwei Jahren Patien‰ ten am Donauwörth­er Krankenhau­s angesteckt haben.

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