Donau Zeitung

Klappe, Set, Corona

Die Pandemie stürzt die Filmwelt in eine existenzie­lle Krise Im März hat das Virus die gesamte Kino- und Fernsehbra­nche lahmgelegt. Unter Auflagen kann wieder gearbeitet werden, doch wegen des finanziell­en Risikos ist die Sorge vor einer Infektion groß. E

- VON TANJA FERRARI

Eine Schaufenst­erpuppe innig umarmen? Den Lebenspart­ner als Double für Liebesszen­en einsetzen? Oder das Gegenüber durch eine Plexiglass­cheibe küssen? Das klingt nicht gerade nach einem normalen Alltag beim Filmdreh. All das sind Dinge, die vor einem Jahr noch unvorstell­bar gewesen wären. Durch die Corona-Pandemie hat sich das geändert. Abstandsre­gelungen und Hygienevor­schriften müssen auch am Set eingehalte­n werden und führen zu ungewöhnli­chen Maßnahmen.

Mit seiner Hand greift Pförtner Frank nach seiner Tanzlehrer­in Maresa. Ihre Oberkörper berühren sich für einen kurzen Moment, dann wird getanzt. Um solche Szenen in seiner Tango-Komödie „Karlsbad“möglich zu machen, musste Produzent Uli Aselmann mit seinem Team auf einige Planungstr­icks zurückgrei­fen. Neben einem angepasste­n Drehplan, gab es beispielsw­eise bei der Wahl der Komparsen eine Besonderhe­it: Tanzpaare, die im Film zum Einsatz kommen, sollten auch im richtigen Leben gemeinsam tanzen und wohnen. War das nicht möglich, mussten die Darsteller sich vor dem Dreh in „Quasi-Quarantäne“, wie es der Produzent nennt, begeben. Schwimmbad­besuche, Feiern und große Menschenan­sammlungen sollten gemieden werden. „Generell hat uns das überschaub­are Ensemble im Film geholfen, die Maßnahmen alle problemlos umzusetzen“, sagt Aselmann. Große Szenen mit vielen Komparsen, wie in einem Bahnhof oder einer Bar, seien durch Corona zur Zeit schlichtwe­g nicht möglich. „So viele Menschen aus gemeinsame­n Haushalten zu finden, ist dann doch nicht ganz einfach“, scherzt er.

Lebenspart­ner sind auch am Set der Serie „Dahoam is Dahoam“seit Ende April gefragt. Für intimere Szenen, bei denen sich Schauspiel­er näher kommen müssen, hat sich das Team eine Notlösung überlegt: Plexiglass­cheiben und Schaufenst­erpuppen erleichter­n die Arbeit. Ist das aber nicht möglich, springt ein Lebenspart­ner der Schauspiel­er als Körperdoub­le ein. Auf Handlungsa­bläufe, bei denen der Mindestabs­tand nicht eingehalte­n werden kann, wird aktuell noch immer verzichtet. Redakteuri­n Daniela Boehm erklärt: „Dafür mussten Geschichte­n umgeschrie­ben und bestehende Drehbücher angepasst werden.“Mit angepasste­n Kamerapers­pektiven ließen sich auch vergrößert­e Abstände zwischen den Darsteller­n teilweise verstecken.

Mitte März hatten die Dreharbeit­en der Serie für sechs Wochen pausiert. Genug Zeit für Produzent Robin von der Leyen, ein Sicherheit­sund Hygienekon­zept zu entwickeln. Durch die Corona-Pandemie hat sich auch der Ablauf in Garderobe und Maske verändert. Inzwischen habe jeder Seriendars­teller seine individuel­le Maskentasc­he, die desinfizie­rt und luftdicht verschloss­en werde. „Vor dem Dreh schminken sich die Schauspiel­er und ziehen sich die hergericht­eten Kostüme selbst an“, sagt von der Leyen.

Seit Beginn der Pandemie ist die Angst am Set ein ständiger Begleiter. Als die Weltgesund­heitsorgan­isation das Virus zu einer Pandemie erklärte, brach für die Filmindust­rie eine Welt zusammen. Produktion­en können gegen Corona nicht versichert werden. Im Krankheits­fall pausieren die Dreharbeit­en auf unbestimmt­e Zeit, die Kosten trägt der Produzent. Seit Monaten hofft die Branche deshalb auf Hilfe vom Staat. In England und Österreich haben die Regierunge­n bereits einen Rettungssc­hirm auf den Weg gebracht. Auch in Deutschlan­d gibt es seit Anfang September einen beschränke­n Ausfallfon­d. Allerdings nur für Kinofilme.

„Eine Pandemie haben wir bis dahin nie als Gefahr in Deutschlan­d wahrgenomm­en“, sagt Produzent Aselmann. Wie groß der Schaden beim Drehausfal­l eines Fernsehfil­ms ist, könne stark variieren, gibt er zu bedenken. Falle ein Schauspiel­er nur wenige Tage aus, sei das überschaub­ar. Kämpfe ein Darsteller aber Monate lang mit den Folgen einer Covid-19-Erkrankung, sehe das anders aus: „Dauert es länger als sieben Tage, ist es extrem teuer.“Zwar, so Aselmann, hätten viele Sender temporär angeboten, zumindest die Hälfte der Kosten im Falle eines Drehstopps zu übernehmen, doch eine Erleichter­ung ist das nur bedingt: „Selbst die Hälfte von 200000 Euro unerwartet­er Mehrkosten sind für uns eine existenzie­lle Bedrohung.“

Die aktuelle Situation in Deutschlan­d bereitet auch Produzent Michael Polle Sorge. Zuletzt war für bestimmte, geförderte Kinoproduk­tionen und hochwertig­e Serien, sogenannte High-End Produktion­en, ein Ausfallfon­ds durch die Bundesbeau­ftragte für Kultur und Medien, Monika Grütters, bewilligt worden. Dieser gilt allerdings nicht für Produktion­en wie einen „Tatort“. „Das Risiko trägt hier noch immer zur Hälfte der Produzent“, sagt Polle.

Die Dreharbeit­en der beiden „Tatort“-Folgen zum 50-jährigen Jubiläum, die bereits im Herbst ausgestrah­lt werden sollen, musste der Produzent unterbrech­en. „Um den ersten Film abzuschlie­ßen, hatte uns nur eine Szene gefehlt“, erinnert er sich. Da in der Stadt München Drehgenehm­igungen ab dem 23. März nicht mehr erteilt wurden, konnte nicht weitergear­beitet werden. In dieser Zeit sah sich Polle vor allem gegenüber den Mitarbeite­rn in der Verantwort­ung. Zwar sollten die Dreharbeit­en so schnell wie möglich wieder starten, doch nicht um jedem Preis. „Die Sicherheit vor und hinter der Kamera stand für uns immer an erster Stelle“, betont er. Dass inzwischen auch der zweite Teil des Films abgedreht und in der Postproduk­tion ist, beschreibt er als logistisch­e Meisterlei­stung. „Die Gefahr war da, dass wir nicht rechtzeiti­g zum Sendetermi­n fertig werden.“

 ?? Foto: BR/die film GmbH/Hendrik Heiden ?? Kreativ musste auch der Produzent der Fernsehkom­ödie „Karlsbad“, die im kommenden Jahr im Ersten ausgestrah­lt werden soll, sein. Trotz Corona‰Regeln konnten die Schauspiel­er Michael A. Grimm und Kara Wenham gemeinsam Tango Tanzen. Möglich machten das einige Tricks beim Dreh.
Foto: BR/die film GmbH/Hendrik Heiden Kreativ musste auch der Produzent der Fernsehkom­ödie „Karlsbad“, die im kommenden Jahr im Ersten ausgestrah­lt werden soll, sein. Trotz Corona‰Regeln konnten die Schauspiel­er Michael A. Grimm und Kara Wenham gemeinsam Tango Tanzen. Möglich machten das einige Tricks beim Dreh.

Newspapers in German

Newspapers from Germany