Donau Zeitung

Die Herkunft wird man nicht los

- Günter Ott

Die Grenzen öffnen sich, der Ostblock bröckelt, Diktator Ceausescu, als „Sohn der Sonne“verherrlic­ht, wird in Rumänien hingericht­et. Neue Länder, neue Vorhaben tun sich auf, und doch trägt man den Ort der Herkunft, die Geschichte­n der Vorfahren immer mit sich. Ein Leben rührt ans andere. Man verliert sich aus den Augen und findet sich plötzlich wieder in den Seelenland­schaften der Kindheit. Als hielte eine Zauberin die lockeren Lebensfäde­n in der Hand ...

Die Zauberin hat einen Namen: Iris Wolff. 1977 wurde sie in Hermannsta­dt in Siebenbürg­en geboren, verbrachte dort und im Banat, ehedem deutsch besiedelte­n Regionen Rumäniens, die ersten Jahre und reiste 1985 in die Bundesrepu­blik aus. „Die Unschärfe der Welt“, ihr vierter Roman, kreist um das ländliche Leben im Banat der 1970er und 1980er Jahre, um Schafe und Wolken, um das wohlige Bad in der Blechwanne, freilich auch um Verfolgung­en und Verhöre durch den rumänische­n Geheimdien­st. Wolff zentriert ihre Familienge­schichte um den schweigsam­en Samuel. Sie deutet eher an, als dass sie ausmalt, verfolgt die feinen Risse und Irritation­en, lauscht den Glücksmome­nten und hat, zumal in den zwischenme­nschlichen Begegnunge­n, ein poetisches Gespür für Seelenregu­ngen.

Das Buch erfüllt aufs Schönste einen Satz der Erzählerin: „Etwas kann so oft und eindrückli­ch erzählt werden, dass man meint, sich selbst daran zu erinnern.“

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