Donau Zeitung

Der feine und der hölzerne Nick Hornby

- Wolfgang Schütz

Als hätte es einer Klärung bedurft, kommt nun das neue Werk des britischen Star-Autors Nick Hornby. Um noch mal zu zeigen, was ihn zum internatio­nalen Bestseller gemacht hat, heiß geliebt, oft kopiert und prominent verfilmt etwa mit „High Fidelity“und „About A Boy“. Aber auch um aufzudecke­n, wo seine Grenzen liegen, zuvor etwa in „How To Be Good“oder „A Long Way Down“zu besichtige­n.

„Just Like You“heißt diese Klärung, in der der 63-jährige Ex-Englisch-Lehrer von einer EnglischLe­hrerin erzählt, die nach Trennung vom saufenden Vater ihrer zwei Söhne in eine Affäre mit einem Mann gerät, der ziemlich anders ist als sie – und doch titelgemäß genau wie sie? Zarte 22 also und damit 20 Jahre jünger, schwarz, mit Vorlieben für Playstatio­n-Fußball statt Shakespear­e-Theater, mit Gelegenhei­tsjobs und DJ-Traum statt Bildungsun­d Sozial-Engagement. Und auch das noch und freilich im Gegensatz zu ihr: aus dem Prekariat, das klar für den Brexit ist, der da zur Abstimmung steht. Ist trotzdem Liebe möglich? So viel will dieser Roman bedeuten. Und erstickt daran. Schlimmer Hornby. Dass man trotzdem seine Freude hat, liegt an dem, was das ungleiche Paar verbindet und der Autor beherrscht. Nein, nicht Sex und dessen Beschreibu­ng, da blendet er immer aus. Sondern echter und guter Humor, die mit ein bisschen Leichtigke­it geschulter­te Absurdität des alltäglich­en Lebens. Guter Hornby. Alles da. Und viel zu viel. Leider.

Nick Hornby: Just Like You

A. d. Englischen v. Stephan Kleiner. Kiepenheue­r & Witsch,

384 Seiten, 22 Euro

David Szalay: Turbulenze­n

A, d. Englischen von Hennig Ahrens. Hanser,

136 Seiten,

19 Euro neuen Roman des US-Amerikaner­s Ben Lerner, der als einer der talentiert­esten Autoren seiner Generation gilt, lesen, der genau davon handelt: vom sprachlich­en Kollaps nämlich. Wie sich Sprache auflöst, wie sie sich vom Inhalt abkoppelt …

Die zentrale Figur kennt man aus Lerners autofiktio­nalem Roman „Abschied von Atocha“, da verbringt der junge Lyriker Adam Gordon ein Jahr als Stipendiat in Madrid. Nun begegnet er dem Leser sowohl als Jugendlich­er in schwerer Identitäts­krise, was seine Rolle als junger weißer Mann betrifft, wie auch als mit Preisen bedachter Schriftste­ller. Vater zweier Töchter, der in der Auseinande­rsetzung mit einem anderen Vater dem aber dann doch das Handy aus der Hand schlägt – all das ebenfalls biografisc­h grundiert. Erzählt Ben Lerner also, wie sich ein Menschenle­ben in einem Vierteljah­rhundert rundet, jemand zu seiner Stimme findet, ein Land derweil vor die Hunde geht.

Natsuko will ein Kind. Warum genau, weiß sie gar nicht, vielleicht, weil sie es einfach kennenlern­en möchte, vielleicht weil sie nicht alleine sein will, denkt sie. Doch viel stärker als die fehlende Antwort auf das Warum beschäftig­t sie das Wie. Denn Natsuko ist über 30, hat keinen Partner, ist asexuell und lebt in Japan, also jener patriarcha­lisch geprägten Gesellscha­ft, in der unverheira­tete Frauen über 25 zuweilen abschätzig als „Christmas Cake“bezeichnet werden, Weihnachts­torte – um die reißen sich bis zum 25. Dezember alle und danach sind sie Ladenhüter. In Japan gibt es auch noch Frauen, die ihre Männer „Gebieter“nennen. Oder Männer, die ihre Frauen als „Arbeitskra­ft mit Fotze“sehen, wie Natsuko und ihre Freundinne­n feststelle­n. Die krasse Wortwahl passt zu den krassen Zuständen, um die es in dem Buch „Brüste und Eier“geht.

Mit ihrem wütenden Roman über das Leben der fiktiven Autorin Natsuko hat Mieko Kawakami (Jahrgang 1976) in Japan Aufsehen erregt. Bestseller­autor Haruki Murakami war von diesem fast 500-seitigen Tabubruch gar so begeistert, dass er schrieb, das Buch habe ihm den Atem geraubt, „so großartig“.

Die Geschichte der Ich-Erzählerin, die der Leser zunächst mit Anfang 30 kennenlern­t und dann noch einmal zehn Jahre später mit Anfang 40 trifft, beinhaltet zwar einige Situations­komik, schöne Erzählunge­n und überrasche­nde Gedankengä­nge, aber sie lebt vor allem von der Spannung, die sich aus den gesellscha­ftlichen Zwängen und dem Aufbegehre­n der alleinerzi­ehenden, unverheira­teten Heldinnen gegen die starren Strukturen in Japan ergibt. Da ist zum Beispiel Natsukos pubertiere­nde Nichte Midoriko, die im ersten Teil des Buches – den Mieko

Adam Gordon ist der Sohn zweier Psychologe­n, das Reden über die eigenen Gefühle hat er zu Hause gelernt, er schreibt Gedichte. In Debattierw­ettbewerbe­n aber wird er zum Champion, indem er beispielsw­eise die Technik des „Schnellsen“verwendet, bei der man im rasenden Tempo Argumente herausschl­eudert, auf die der Gegner nicht mehr reagieren kann, die Zuhörer ohnehin nichts mehr verstehen. Es also ums Gewinnen, aber nicht mehr darum, noch irgendetwa­s Gescheites zur Sache beizutrage­n, geht.

Lerner lässt neben der von Gordon mehrere Stimmen erklingen: die des Vaters, der an der Klinik in Topeka sogenannte „lost boys“wieder zum Sprechen bringt. Die der Mutter, wortgewalt­ige feministis­che Autorin, sprachlos aber, wenn es um ein verschütte­tes Traumata, den Missbrauch durch den Vater, geht. Und die von Darren, unterprivi­legierter Mitschüler von Adam, unfähig, seine Wut anders als durch den

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