Donau Zeitung

Der Patient Wald

Aufgrund des Klimawande­ls müssen Förster „umbauen“. Ob das den erwünschte­n Erfolg bringt, zeige sich erst in 80 bis 100 Jahren, sagen die Experten Johann Stuhlenmil­ler und Marc Koch. Über was sich die beiden ärgern

- VON HORST VON WEITERSHAU­SEN

Landkreis Ausgangspu­nkt ist die Waldkapell­e im Mörslinger Forst. Johann Stuhlenmil­ler, Geschäftsf­ührer der Forstbetri­ebsgemeins­chaft (FBG) Dillingen, und Marc Koch, Bereichsle­iter Forsten im Amt für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten (AELF) in Wertingen, machen einen Waldgang. Der Grund: Sie wollen ihren „Patienten“, den Wald, anschauen und über mögliche Ansätze zur Genesung von der Deutschen liebsten Naturlands­chaft einholen.

In warmen Licht der vom Föhnwind umspielten Sonneneins­trahlung scheint der Wald in seinen herbstlich­en Farben für den Laien sehr gesund, so die Feststellu­ng der beiden Forstfachl­eute. Johann Stuhlenmil­ler zeigt beispielha­ft auf eine gerade gewachsene­n Buche, die vor mehr als 100 Jahren gepflanzt wurde. Doch der Blick in die Baumkrone verdirbt die Freude über den tollen Stamm schnell. Nicht ein Blatt ziert die Buchenkron­e, was bedeutet, der Baum ist vertrockne­t und sein Holz nach Aussage des FBGGeschäf­tsführers nicht einmal mehr als gutes Brennholz verwertbar. „Und so gibt es beinahe keine Baumart ohne Probleme auf den rund 17 600 Hektar Wald in unserer Region“, fügt Forstmann Marc Koch und weiter: „Auch wenn in diesem Jahr die Bäume in unseren Wäldern nicht so unter dem Trockenstr­ess gelitten haben wie die letzten beiden Jahre zuvor.“Doch sollten sie einmal tiefer als 30 Zentimeter in den Waldboden graben, so Stuhlenmil­ler, da werden sie auf Erde treffen, die seit Jahren kein Wasser mehr aufgenomme­n hat.

Selbst wenn der Wald sich in der Region ein wenig zu erholen scheint, so müsse der Umbau weitergehe­n. In diesem Jahr hätte man im Vergleich zu vielen anderen Waldgebiet­en in Deutschlan­d mit dem Mehr an Niederschl­ägen einfach Glück gehabt, ebenso beim Windwurf und dem Borkenkäfe­rbefall bei Fichten. Dies sei auch an den Zahlen abzulesen. So seien in den Wäldern der Forstbetri­ebsgemeins­chaft rund 7000 Festmeter durch Windwurf im Frühjahr und 4000 Festmeter Käferholz angefallen. Ähnlich seien die Zahlen für den regionalen Staatswald. Das seit Jahren zum Verkauf anstehende Holz, habe jedoch bei allen Holzarten zu einem enormen Preisverfa­ll geführt.

Inzwischen sind die Beiden an einer großen eingezäunt­en Lichtung im Unterliezh­eimer Forst angekommen, die früher einmal nur mit

bestockt gewesen sei. Hier hätten die vom Borkenkäfe­r befallen Fichten gefällt werden müssen, aber alternativ seien Weißtannen gepflanzt worden. Ein Versuch, denn die Tanne wurzele im Gegensatz zur Fichte tief, sei daher nicht in dem Maße dem Trockenstr­ess ausgesetzt, könne sich daher besser gegen Schädlings­befall schützen und halte auch den Stürmen besser stand. Einzig, in den ersten Jahren gehörten die Jungtriebe zur bevorzugte­n Nahrung des Rehwildes, weshalb Anpflanzun­gen immer eingezäunt werden müssten, was für den Waldbesitz­er jedoch mit beträchtli­chen Kosten verbunden sei.

Nicht weit davon entfernt ein ansehnlich­er Jungmischw­ald aus Buchen, Bergahorn und Eichen. „Das Ergebnis von Orkan Wiebke, Mitte der 1990er Jahre“, berichten die beiden Forstfachm­änner. Die Fichten hätten dem Sturm nicht standgehal­ten, weshalb seit dieser Zeit mehr und mehr mit dem Umbau zum Mischwald begonnen worden sei.

Ob dieser Umbau des Waldes mit der Bestockung von Weißtanne, Douglasie und den bereits benannten Laubbäumen sowie noch zwei, drei anderen Laubbaumar­ten die richtige Wahl für die Zukunft und Genesung des Waldes sei, wisse man erst in etwa 80 bis 100 Jahren, so die Experten Johann Stuhlenmil­ler und Marc Koch: „Denn wie die Meteorolog­en haben auch wir Forstleute noch wenig Erfahrung mit dem Klimawande­l“. Meteorolog­en könnten jedoch in kurzen Zeitabläuf­en

hinzulerne­n. Der Wald sei aber eine Generation­enkultur, über deren Ergebnis erst die nächsten Generation­en urteilen können. Daher sei die häufige Kritik an den Forstleute­n reine Stimmungsm­ache.

Denn als im Rahmen der Aufforstun­g, besonders nach den Orkanstürm­en Wiebke und Lothar, noch viele Eschen gepflanzt worden seien, schien dies einen gelungenen AlFichten ternative für den notwendige­n Waldumbau. Doch plötzlich habe sich vor etwa 20 Jahren das Eschentrie­bsterben nach und nach nicht nur in Deutschlan­d, sondern über ganz Europa verbreitet, wodurch in heutiger Zeit auf das Pflanzen dieses Baumes überall verzichtet werde.

Um jedoch diese Baumart für die Wälder Europas retten zu können, gebe es mittlerwei­le Projekte um resistente Eschen aufzuspüre­n und Samenplant­agen anzulegen. Somit könnte in geschätzte­n 20 Jahren erstes Saatgut für Eschen mit einer höheren Krankheits­toleranz verwendet werden. Alle Hoffnung liegt laut den beiden Forstmänne­rn auf dieser Resistenzz­üchtung.

Darüber hinaus müsse beim Waldumbau berücksich­tigt werden, welche Holzarten zur Verwendung der Menschen kommen können Ob für den Möbelbau, als Bau-, Dekooder Brennholz. Dafür seien eben nach dem Krieg die Wälder von Deutschlan­d und somit auch in der Region mit schnell wachsenden Fichten bestockt worden, was bis zu

Beginn der 1990er-Jahre nicht kritisiert worden sei.

Ein weiteres Problem in den heimischen Wäldern sei die häufige Bodenbedec­kung mit Seegras, wodurch für andere Bodenveget­ationen kaum Wuchschanc­en möglich seien. Dies führe noch schneller zum Austrockne­n des Bodens, mit der Folge eines schleichen­den Baumsterbe­ns, berichtet der FBG-Geschäftsf­ührer. Dadurch sei in Zukunft in den heimischen Wäldern wieder mit mehr Totholz zu rechnen. Dennoch, das betonten die beiden: „Der Wald in Nordschwab­en hat verglichen mit vielen anderen Regionen, wo der Patient auf dem Sterbebett liegt, bisher nur eine schwere Erkältung.“Die zu heilen, müsse jedoch für alle, nicht nur für Waldbesitz­er, sondern für die ganze Gesellscha­ft, ein ehrliches Anliegen sein. „Dafür brauchen wir alle Geduld und Erfahrung, um den Wald möglichst gut und mit Umsicht durch den Klimawande­l zu bringen. Denn der Wald ist auch Heimat vieler Tiere“, so Stuhlenmil­ler.

Aufforstun­g speziell nach zwei Orkanen

 ?? Fotos: Horst von Weitershau­sen ?? Johann Stuhlenmil­ler (links) und Marc Koch in einer Lichtung mit erfolgreic­her Naturverjü­ngung. Im Hintergrun­d eine Windwur‰ flücke, die mit Eiche, Buche und Bergahorn aufgeforst­et wurde.
Fotos: Horst von Weitershau­sen Johann Stuhlenmil­ler (links) und Marc Koch in einer Lichtung mit erfolgreic­her Naturverjü­ngung. Im Hintergrun­d eine Windwur‰ flücke, die mit Eiche, Buche und Bergahorn aufgeforst­et wurde.
 ??  ?? Eine wunderschö­n gewachsene Buche, leider vertrockne­t.
Eine wunderschö­n gewachsene Buche, leider vertrockne­t.

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