So wunderschön kann finster sein
Der international erfolgreiche Pianist Amadeus Wiesensee begeistert mit einem sehr persönlichen Debüt in Dillingen
Dillingen „Stellen Sie sich einfach vor, dass Sie mir beim Üben ein wenig über die Schulter schauen.“
Dieser freundlichen Einladung sind die Besucher von Amadeus Wiesensees Konzert im Dillinger Stadtsaal am Donnerstag nur allzu gerne gefolgt. Der hoch talentierte und bereits international erfolgreiche Künstler aus München gab sein erstes Konzert nach der pandemiebedingten Zwangspause im Dillinger Stadtsaal und gewährte dabei einen mitunter sehr persönlichen Einblick in sein junges Künstlerleben. Das Programm für den Abend: „Dem Licht entgegen“- hinsichtlich der Krise der Berufskünstler kein zufällig gewähltes Sinnbild.
So charmant wie eloquent führte Wiesensee aus der Dunkelheit der vier lyrisch-düsteren „Impromptus“von Franz Schubert bis hin zum Finale mit Beethovens vorletzter Klaviersonate in As-Dur. Von „beim Üben über die Schulter schauen“kann dabei allerdings mitnichten die Rede sein. In höchster handwerklicher Präzision, dabei gefühlvoll und leidenschaftlich und im perfekten Spiel von Dynamik und Tempi überließ der Pianist nichts dem Zufall. Virtuos baute er einen Spannungsbogen auf, der den Zuhörern bisweilen den Atem stocken ließ.
Die „Variationen über ein Thema von Paganini op. 35“etwa gelten als eines der schwierigsten Werke der romantischen Klavierliteratur – Wiesensee meisterte sie mit Bravour und Anmut.
Er bestimmte mit Wahl und Interpretation der Stücke die Gefühlslage des Publikums und ließ diese durch ruhige, mitunter meditative Klänge (Schubert) über „Action pur“(Brahms), schicksalhafte Motive und elegische Seitenthemen (Allegretto aus der Sinfonie Nr. 7, A-Dur von Beethoven), durch Weltall-Stimmung und Räume von unendlicher Weite (Alban Berg, Sonate op. 1) so ziemlich alles an Emotionen miterleben, bis schließlich mit Beethovens Klaviersonate AsDur op. 110 „aus der Finsternis ein Licht nach oben schießt“.
Beethovens vorletzte Sonate hat nach Meinung des Pianisten einen der glänzendsten Schlusssätze der Musikliteratur und bildete somit den perfekten Abschluss des Programms – im Licht.
Amadeus Wiesensee machte den Abend zum Gesamtkunstwerk und zum Genuss – auf klanglicher wie auf intellektuell-sprachlicher Ebene. Das Publikum spendete großen Beifall, Wiesensee setzte mit Johann
Es gibt eine Fortsetzung
Sebastian Bachs Präludium in EsDur eine grandiose Zugabe als Schlusspunkt.
Wer die Gelegenheit verpasst hat, diesen jungen Ausnahmepianisten zu hören, hat Glück, denn es wird eine Fortsetzung geben. Amadeus Wiesensee wird am Donnerstag, 12. November, auf Einladung des P-Seminars Musik am Johann-MichaelSailer-Gymnasiums noch einmal auftreten – freilich mit einem anderen Programm.