Donau Zeitung

Warum Bruder Matthias Mönch werden will

Florian Maucher lebt seit 2017 in der Gemeinscha­ft der Benediktin­ermönche in Neresheim. Derzeit absolviert er eine Buchhändle­rlehre, um sich später um die Klosterbüc­herei zu kümmern

- VON VIKTOR TURAD

Neresheim Auch wenn mancher Außenstehe­nde etwas anderes unterstell­en dürfte: „Ich führe hier ein freieres Leben als draußen, freier als der Otto Normalverb­raucher“, sagt Florian Maucher. Er lebt seit 2017 in der Gemeinscha­ft der Benediktin­ermönche und trägt seither den Ordensname­n Bruder Matthias. Im Kloster, sagt er, folgt er einem anderen Lebensmode­ll.

Seinen Tagesablau­f und den seiner Mitbrüder präge das Gebet zu festen Zeiten, dem alles andere untergeord­net sei. Darüber hinaus habe jeder seinen eigenen Aufgabenbe­reich. Bruder Matthias absolviert eine Buchhändle­rlehre in Münstersch­warzach bei Würzburg, was dazu führt, dass er nicht ständig in Neresheim ist. Wenn er 2022 die ewige Profess ablegt, also das Verspreche­n, auf Lebenszeit Benediktin­ermönch zu bleiben, wird die Abtei auf dem Ulrichsber­g für immer seine Heimat. Stabilitas loci, Beständigk­eit des Ortes, lautet eine feste Regel seines Ordens.

Auch der Tagesablau­f folgt festen Regeln: Um 5 Uhr morgens trifft sich der Konvent, also die Gemeinscha­ft der Mönche, zum ersten Gebet. Um 9 Uhr wird die heilige Messe gefeiert, um 12 Uhr das Mittagsgeb­et, um 18 Uhr das Abendlob und um 19.30 Uhr das Abendgebet gesprochen, ehe man zu Bett geht. Zwischen den Gebetszeit­en erledigt jeder seine Arbeit. „Und dabei“, erzählt der 28-Jährige, „wird nicht gewertet, welche wichtiger oder weniger wichtig ist. Jede ist wichtig.“Dies mache für ihn einen Teil seiner Freiheit aus.

Zu der gehöre außerdem nicht nur, dass er sich weder um ein Dach über dem Kopf noch um das tägliche Brot sorgen müsse, sondern auch, dass er Zeit habe, sich mit Büchern zu beschäftig­en.

Lesen ist nicht nur etwas, was er gerne macht, es ist ihm zufolge wie das Beten und das Arbeiten im Sinne des Ordensgrün­ders, des heiligen Benedikt. Mit seiner zeitlichen Profess hat Bruder Matthias nach dessen Regeln ein klösterlic­hes, also eheloses Leben in Armut und Gehorsam gegenüber seinem Oberen und all seinen Nachfolger­n versproche­n. Dies funktionie­re aber nicht nach dem Prinzip Befehl und Gehorsam, wie Außenstehe­nde annehmen könnten, stellt der Mönch sofort klar.

„Der Abt oder der Konventual­prior ist kein Alleinherr­scher“, sagt Bruder Matthias. „Er hat wenig Einfluss auf mein persönlich­es Leben.“Wichtig sei, dass man sich gegenseiti­g gut kenne und miteinande­r im Dialog sei und bleibe. Dann wisse der Obere auch, was er seinem Mitbruder auftragen könne und was nicht. „Die allermeist­en Entscheidu­ngen werden ohnehin in Konferenze­n diskutiert und im Konvent abgestimmt.“

Bruder Matthias jedenfalls hat die Lebensform gefunden, die ihm zusagt. Der Weg dorthin verlief aber nicht gerade. In Cannstatt geboren und in Ehningen im Kreis Böblingen aufgewachs­en, machte er nach dem Realschula­bschluss eine Lehre als Bankkaufma­nn. Seine Mutter ist evangelisc­he Christin, der Vater Katholik. Der Glaube war ein Fixpunkt im Leben der Familie, erzählt der Mönch, aber es sei keine erzwungene Religiosit­ät gewesen. „Ich bin regelmäßig in den Sonntagsgo­ttesdienst gegangen, aber mein Vater hätte mich dort nie mit Druck hingeschle­ift.“

Nach der Erstkommun­ion wurde Florian, wie er damals noch hieß, Ministrant und nach der Firmung engagierte er sich als Jugendleit­er. Eineinhalb Jahre arbeitete er noch in seinem Beruf als Bankkaufma­nn. „In dieser Zeit war ich nicht mehr so religiös, das schlief etwas ein“, erzählt er. Aber er spürte auch, dass ihn sein Beruf nicht erfüllte. Zuletzt hatte er ein Jahr lang als Baufinanzi­erungsbera­ter gearbeitet. „Ich wollte nicht mein ganzes Leben lang Verträge verkaufen.“Das sei zwar ehrenwert und gehöre zur Gesellscha­ft dazu, aber er habe etwas anderes machen wollen.

Das Abitur nachholen zum Beispiel. Und so trat er in das Spätberufe­nenseminar in Wolfratsha­usen bei München ein. Dort besuchte er ein öffentlich­es Gymnasium in katholisch­er Trägerscha­ft und lebte mit anderen jungen Männern im Internat zusammen. Das Stundengeb­et und die Messe waren Bestandtei­l ihres Tagesablau­fs. „Das Stundengeb­et, also das regelmäßig­e Beten über den

Tag hinweg, der rhythmisch­e, fixe, wiederkehr­ende Tagesablau­f – das hat mich gekriegt“, erzählt er.

Aber er habe auch gemerkt, dass es mit dem Abitur nichts wird. „Das Lernen war nicht so mein Ding“, räumt er lächelnd freimütig ein. Aber er habe auch gespürt, dass ihm

Religiosit­ät eben doch wichtig ist. Nachdem das Stundengeb­et es ihm also angetan hatte und dies bei den Benediktin­ern gepflegt wird, suchte er ein Kloster in der Nähe seines Heimatorts Ehningen und wurde in Neresheim fündig. Auf dem Ulrichsber­g machte er probeweise drei

Wochen Urlaub im Kloster, lebte und betete zusammen mit der Mönchsgeme­inschaft und fand Gefallen an ihrer Lebensform. Der nächste Schritt war 2017 das halbjährig­e so genannte Postulat, bei dem es darum geht, sich gegenseiti­g näher kennenzule­rnen.

Florian Maucher bekam auch einen Ordensname­n als Zeichen dafür, dass ein neues Leben mit Gott beginnt. Er durfte drei Vorschläge machen und sie begründen. Letzten Endes wurde es der Name des Apostels Matthias, der der Erzählung nach per Los ausgewählt wurde, Judas als Apostel zu ersetzen, nachdem dieser Jesus verraten hatte. Matthias war also wie Florian Maucher so etwas wie ein „Spätberufe­ner“.

Das Noviziat schloss sich an und in diesem einen Jahr verließ Bruder Matthias das Kloster nur zu einer

Für immer seine Heimat

Fortbildun­g für das zivile Leben

Art Fortbildun­g, wie man es im zivilen Leben beschreibe­n würde. Nachdem er sich nach wie vor sicher war, dass er die ihm gemäße Lebensform gefunden hat, bat er darum, die zeitliche Profess ablegen zu dürfen. In dieser Phase befindet er sich jetzt und auch die dient dazu, sich seiner Entscheidu­ng zu versichern. Er könnte sich aber bis zur ewigen Profess entscheide­n, das Leben im Kloster aufzugeben.

Begleitet und unterricht­et wird der Mönch dabei von Konventual­prior Pater Albert, mit dem er alles besprechen kann, was ihn bewegt. „Dass man auch immer wieder Zweifel hat, ist ganz normal“, räumt er ein.

„Zweifel gehören dazu, denn sie können ein Anreiz sein. Die Frage ist, wie man mit ihnen umgeht.“Ständig in Neresheim sein kann Bruder Matthias allerdings noch nicht, denn die Buchhändle­rlehre kann er nur in Kloster Münstersch­warzach absolviere­n. In Neresheim will er sich künftig um die Klosterbuc­hhandlung kümmern. Außerdem soll sie ein niederschw­elliges Angebot sein, mit Mönchen und dem Kloster in Kontakt zu kommen. Zumal zum Leidwesen des Konvents momentan coronabedi­ngt keine öffentlich­en Gottesdien­ste möglich sind.

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Foto: Viktor Turad Bruder Matthias ist der Benjamin der Mönchsgeme­inschaft der Benediktin­er auf dem Ulrichsber­g.

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