Zwitschern reicht nicht
MMICHAEL BÖHM al ehrlich, man blickt doch kaum mehr durch in dieser digitalen Welt. Zu Hause Facebook, Instagram und WhatsApp. Im Büro Outlook, Teams und Slack. Und im Kopf surrt es nur noch vor lauter Nachrichten, Texten und Chats. Da kann es schon mal passieren, dass man dem Chef aus dem Homeoffice versehentlich ein Bild vom Kaffeetrinken schickt oder der Ehefrau kommentarlos den nächsten Arbeitsauftrag weiterleitet.
Da ist es doch beruhigend zu sehen, dass sich auch Politiker hin und wieder im Dschungel der Medienkanäle verirren. Beispiel gefällig? Die Pressestelle des bayerischen Gesundheitsministeriums verschickte am Mittwochabend eine Pressemitteilung. Per E-Mail. So weit, so normal. Dass aber die E-Mail quasi nur aus einem Hinweis auf eine Twitter-Nachricht bestand, war dann doch eher ungewöhnlich. „Lieber Jens! Ich wünsche Dir gute Besserung und einen milden Verlauf“hatte Melanie Huml ihrem mit dem Coronavirus infizierten Amtskollegen Jens Spahn zugezwitschert.
Das ist eine nette Geste, keine Frage. Und wie es eben so ist mit netten Gesten und guten Taten, sollten möglichst viele Menschen davon erfahren. Auch diejenigen, die nicht bei Twitter angemeldet sind oder im Presseverteiler des Ministeriums stehen. Also ran ans Briefpapier, Genesungswünsche aufschreiben und Flugblätter in München verteilen. Der ministerialen Telegrafieabteilung Bescheid geben – und wenn nächste Woche die Post kommt, soll der Kutscher noch ein paar Briefe für den Rest Bayerns mitnehmen. Mal schauen, wie die Bürger reagieren und wann der erste twittert: „Liebe Melanie! Danke für Deinen Brief. Ich habe ihn eingescannt und auf Instagram, Facebook und WhatsApp gestellt. Auf Twitter war er ja schon. Vielleicht magst ihn ja zur Sicherheit auch noch per Mail verschicken!?“