Der BR hat erstmals eine Chefin
Nach sieben Männern an der Spitze wird Katja Wildermuth die öffentlich-rechtliche Landesrundfunkanstalt in die Zukunft führen. Der Erwartungen sind groß
München Kurz nach 17.30 Uhr am Donnerstag prosteten sich BR-Mitarbeiterinnen über das Programm Microsoft Teams virtuell zu. Das BR-Frauennetzwerk „Female for Future“feierte, wie eine Vertreterin sagte, ein „historisches Ereignis“: Zuvor war erstmals seit Gründung des Bayerischen Rundfunks im Jahr 1949 und nach sieben Männern eine Frau an die Spitze der beitragsfinanzierten öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalt gewählt worden – Katja Wildermuth.
Die 55-Jährige erhielt in der nicht-öffentlichen Sitzung des BRRundfunkrats, dem Aufsichtsgremium des Senders, 38 von 48 Stimmen. Im Februar wird sie die Nachfolge Ulrich Wilhelms antreten. Bislang arbeitete sie als Programmdirektorin des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) in Halle. Kurz nach ihrer Wahl sagte sie der Deutschen Presse-Agentur, sie habe gleich ihren Mann und ihre beiden Kinder angerufen. Ihre Tochter habe aus Rumänien gratuliert, ihr Sohn aus Sydney.
Die Erwartungen an Wildermuth sind groß. So erhoffen sich die rund 400 Unterstützerinnen und Unterstützer des Frauennetzwerks eine „Veränderung der Unternehmenskultur hin zu mehr Transparenz und Beteiligung“. Vor allem muss Wildermuth den BR in eine digitale Zukunft führen – und das bei hohem Spardruck. Der wird weiter auf allen ARD-Anstalten lasten, auch wenn – was noch offen ist – die geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent auf monatlich 18,36 Euro pro Haushalt zu Jahresbeginn kommt. Die Grünen-Landtagsabgeordnete Sanne Kurz, die
im Rundfunkrat ist, sagte im Gespräch mit unserer Redaktion, Wildermuth habe in ihrer 20-minütigen Bewerbungsrede vor dem Gremium „sehr ruhig, besonnen und klar“gesprochen. Die Rede sei in zwölf Kapitel eingeteilt gewesen, zehn davon hätten sich mit Wildermuths „Visionen“für den Sender, zwei mit ihrer Beziehung zu Bayern und dem BR befasst.
Katja Wildermuth, die in Anzing bei München aufwuchs und in der Landeshauptstadt Deutsch, Geschichte und Sozialkunde für das Lehramt Gymnasium studierte, galt lange als Favoritin. Bereits bevor sie für den Spitzenposten vorgeschlagen wurde, schien es Konsens zu sein, dass die Zeit reif für eine Frau als BR-Chefin sei. Vor etwas mehr als einem Monat wurde dann allerdings mit der Veröffentlichung der Wahlliste überraschend bekannt, dass neben einer Frau – Wildermuth – auch zwei Männer im Rennen sind: BR-Verwaltungsdirektor Albrecht Frenzel, 54, und Christian Vogg, 55. Dem gebürtigen Augsburger Vogg, Chief Data Officer beim öffentlich-rechtlichen Schweizer Radio und Fernsehen (SRF), wurden jedoch von Anfang an lediglich Außenseiterchancen eingeräumt. In Frenzel dagegen hatte Wildermuth einen starken Konkurrenten – und die Rundfunkratsmitglieder die Auswahl unter klar profilierten und positionierten Kandidaten. Dennoch erhielt Frenzel nach Informationen unserer Redaktion nur sechs, Vogg nur vier Stimmen.
Mit Frenzel hatte ein über den BR hinaus geschätzter Finanzfachmann zur Wahl gestanden, dem zugetraut wurde, den Sender durch wirtschaftlich schwieriger werdende Zeiten führen zu können. GleichMitglied wohl galt er als „Sparkommissar“. Das Frauennetzwerk und Politikerin Sanne Kurz hoffen, dass er seine Expertise weiter einbringt und Wildermuth den Rücken stärkt.
Mit ihr hatte eine Frau zur Wahl gestanden, von der sich BR-Mitarbeiter einen inhaltlichen Aufbruch wünschen. Sie solle „frischen Wind“in den Sender bringen, ist am Donnerstagabend oft zu hören. Dabei geht es um die Entwicklung neuer Formate und das übergeordnete Ziel, möglichst viele der recht unterschiedlichen Mediennutzer zielgruppengerecht zu erreichen.
Wildermuth kennt sich damit aus: Weil sie sowohl preisgekrönte Dokus („Night Will Fall“, „Putins Spiele“) als auch crossmediale und innovative Projekte mitverantwortete; und, wichtiger noch, weil sie beim MDR die Verschmelzung der Bereiche Fernsehen, Hörfunk und Online mitgestaltete. Nach Informationen unserer Redaktion will sie nicht mit dem Rasenmäher sparen und in einzelne Bereiche sogar verstärkt investieren. Sie wisse darum, dass Transformation Menschen einiges abverlange. Zu hören ist auch, dass sie glaube, ein solide geführtes Haus zu übernehmen.
Ulrich Wilhelm, 59, der bisherige BR-Intendant, wollte sich nach zehn Jahren im Amt nicht mehr zur Wahl stellen. Das hatte er überraschend im Juli erklärt. Er habe dem Haus „Mehltau und Verkrustungen“ersparen wollen. Über seine Zukunftspläne ist nichts bekannt. Der BR-Rundfunkrat, in dem die wichtigen politischen und gesellschaftlichen Gruppen des Freistaats vertreten sind, wählte Wildermuth in geheimer Wahl und mit einfacher Mehrheit für fünf Jahre.