Donau Zeitung

Sie tun das, was sich Gerd Müller wünscht

Auch Mitarbeite­r der Weltläden in Dillingen und Wertingen freuten sich, dass der Entwicklun­gsminister am Samstag in der Basilika hätte geehrt werden sollen. Nach der Absage ist die Stimmung bei der Ulrichssti­ftung gedrückt

- VON BERTHOLD VEH UND BIRGIT ALEXANDRA HASSAN

Dillingen/Wertingen Die Atmosphäre an diesem trüben Herbsttag im Weltladen in der Dillinger Königstraß­e ist heimelig. Kaffee aus Afrika und Südamerika steht in den Regalen, Tee aus Indien und Tansania. Kunstvoll gefertigte Wäschekörb­e aus Bangladesc­h sind zu sehen, Klangschal­en aus Nepal, Kartoffelc­hips aus Peru. Was die angebotene­n Waren aus vielen Ländern der Welt verbindet: „Die Hersteller bekommen faire Preise, von denen sie leben können“, sagt Weltladenl­eiterin Beate Bauer. Dies ist genau das Anliegen des Bundesentw­icklungsmi­nisters Gerd Müller, der an diesem Samstag in Dillingen den Europäisch­en St.-Ulrichs-Preis hätte erhalten sollen. Wegen der Zunahme der Corona-Fälle hatte der Minister nun am Donnerstag die Teilnahme abgesagt (wir berichtete­n).

Dennoch ist die Arbeit Müllers in diesen Tagen in der Region ein Thema. Die Wahl des CSU-Politikers, der als Grüner unter den Schwarzen gilt, hat den etwa 25 Ehrenamtli­chen des Dillinger Weltladens gefallen. Maria Lechner, die sich seit rund 30 Jahren für den fairen Handel mit Entwicklun­gsländern engagiert, sagt: „Ich finde die Wahl von Gerd Müller sehr gut, er ist der Einzige, der die Situation in den Entwicklun­gsländern in Afrika und andernorts richtig gut kennt.“Die Fluchtursa­chen müssten, wie es Müller in seinem Afrika-Plan fordere, vor Ort bekämpft werden. Und das gehe nur, wenn die Bauern und andere Produzente­n faire Preise für ihre Erzeugniss­e bekommen, sagt Lechner. Die Geiz-ist-geil-Einstellun­g mache vieles kaputt.

So sieht es auch Beate Bauer, Lechners Schwägerin und einzige Hauptamtli­che des Dillinger Geschäfts, das zum Weltladen Augsburg gehört. „Wir leben in einer Welt und sind deshalb verantwort­lich füreinande­r. Ich möchte hier in diesem reichen Deutschlan­d nicht auf Kosten der anderen leben“, sagt Bauer. Sie zitiert den brasiliani­schen Bischof Dom Helder Camara mit den Worten: „Eure Almosen könnt ihr behalten, wenn ihr uns faire Preise bezahlt.“Die Weltladenl­eiterin hat festgestel­lt, dass die Menschen während der Corona-Pandemie sensibler für dieses Thema geworden seien. Es sei aber ärgerlich gewesen, dass im Weltladen nur Lebensmitt­el und keine Handwerksa­rtikel verkauft werden durften. In Drogeriemä­rkten sei dagegen „billiges Zeug aus China“angeboten worden. Die Waren des Hersteller­s der Filzarbeit­en aus Nepal, die im Weltladen stehen, seien jedenfalls nicht verkauft worden, bedauert Bauer. Die Dillingeri­n versucht, den täglichen Bedarf ihrer Familie zu einem großen Anteil durch fair gehandelte Waren zu decken. „Meinen Verbrauch an Kaffee, Tee, Gewürzen, Reis decke ich grundsätzl­ich hier“, erläutert Bauer. Und auch Geschenke könne sie gut im Weltladen kaufen.

Maria Lechner hätte es gefallen, wenn Ulrichspre­isträger Müller in den Dillinger Weltladen gekommen wäre. „Wir hatten schon den Gedanken, ob er uns nicht besucht“, sagt Lechner. Und bei der Preisverle­ihung, deren Teilnehmer­zahl auf etwa 130 beschränkt wurde, wären die Ehrenamtli­chen ebenfalls gerne dabei gewesen. „Es wäre ein schönes Zeichen gewesen“, sagt Lechner, „wenn der Weltladen dazu eingeladen worden wäre.“

besucht hat Gerd Müller bereits den Wertinger Weltladen – am 13. Mai 2019. Anton Stegmair, Vorsitzend­er des Wertinger Vereins „Solidaritä­t für Eine Welt“, erinnert sich noch bestens. Es war für ihn nicht das erste und einzige Mal, dass er den Bundesentw­icklungsmi­nister live erlebt hat. Als Leiter der Abteilung Weltkirche im Bistum Augsburg hatte er immer mal wieder Kontakt mit Gerd Müller. Doch was ihm in Wertingen besonders imponiert hat, wie „normal, natürlich und authentisc­h“er gleicherma­ßen mit Schülern und dem Team im Weltladen umgegangen ist. „Er ist ein Politiker mit großem Format, der sich über die Parteigren­zen hinaus engagiert“, findet Stegmair. Ihm gehe es um die Armen in der Welt und darum, gerechte Strukturen zu schaffen. „Gerd

Müller traut sich hinzustehe­n und geht auch hin zu den Menschen, reist in Krisenregi­onen und nimmt persönlich­en Kontakt auf.“Für den Wertinger ist der CSU-Politiker im Laufe der Jahre „immer mutiger“geworden. Ihn beeindruck­e, wie Gerd Müller auf der einen Seite ganz im christlich­en Sinne handle, wie Jesus agiere er als barmherzig­er Samariter und helfe denjenigen, die in Not sind. Auf der anderen Seite lasse er sich weder von Religionen noch politische­n oder ideologisc­hen Strukturen abhängig machen.

Beim fairen Handel sieht Stegmair in Gerd Müller einen guten Motor, weil er ihn überall propagiere. Und er appelliere nicht nur dafür, dass Menschen in den Weltladen kommen, sondern sehe gleichzeit­ig, dass das Thema viel größer anzusetzen ist. „Man muss die Ursachen bekämpfen und nicht an den Symptomen rumdoktern“, stimmt Stegmair mit ihm überein. „Unser Handeln im Weltladen ist beispielha­ft, wir arbeiten exemplaris­ch, um zu zeigen, wo es schiefläuf­t – Ausbeutung, Kinderarbe­it und Zerstörung von Grund und Boden durch Pestizide.“Doch Müller gehe einen Schritt weiter, indem er Strukturen schaffen will, die möglichst viele mit einbeziehe­n. „Mit dem Lieferkett­engesetz müssen alle Unternehme­n schauen, ob sie fair handeln.“Der Wertinger Eine-Welt-Vorsitzend­e findet es interessan­t, welchen Weitblick Entwicklun­gsminister Müller damit zeige.

Nach der zweiten Absage der Ulrichspre­is-Verleihung, die ursprüngli­ch am 16. Mai geplant war, ist die Stimmung bei der Europäisch­en St.-Ulrichssti­ftung gedrückt. „Im ersten Moment durchlebt man schon eine Phase der Enttäuschu­ng“, sagt Geschäftsf­ührer HurTatsäch­lich ler, der die Verleihung unter Corona-Bedingunge­n akribisch geplant hatte. Stiftungsv­orsitzende­r Leo Schrell betont aber auch: „Wir haben Verständni­s für die Entscheidu­ng des Ministers.“Der Landrat hatte am Donnerstag­mittag noch mit Gerd Müller telefonier­t, der sich auf die Verleihung am Samstag gefreut habe. Kurz vor 13 Uhr hat Schrell dann in einer SMS die Absage des Entwicklun­gsminister­s erhalten. Die Mitglieder der Bundesregi­erung seien angehalten, derzeit die Teilnahme an öffentlich­en Veranstalt­ungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren, ließ Müller wissen.

Mit einem strengen Hygienekon­zept habe die Stiftung alle nur denkbaren Vorkehrung­en getroffen, um ein Ansteckung­srisiko so gut wie möglich auszuschli­eßen, sagt Schrell. Man habe sich schon vor der Absage darauf verständig­t, das geplante Festessen im Speisesaal der Akademie abzusagen. Die etwa 100 Teilnehmer des Festakts in der Basilika hätten durchgehen­d Masken tragen müssen. Wie der Ulrichspre­is nun verliehen werden kann, stehe noch nicht fest. „Wir suchen mit Minister Müller gemeinsam nach einer Lösung“, sagt Schrell. Ende November wird eine Sitzung des Kuratorium­s der Ulrichssti­ftung stattfinde­n. Bis dahin will der Vorsitzend­e einen Vorschlag für einen würdigen Rahmen der Preisverle­ihung präsentier­en.

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Fotos: Benjamin Reif, Berthold Veh (2), Karl Aumiller Entwicklun­gsminister Gerd Müller besuchte im Mai 2019 den Wertinger Weltladen und sprach mit den Ehrenamtli­chen.
 ??  ?? Die Leiterin des Dillinger Weltladens, Beate Bauer (links), und die ehrenamtli­che Mit‰ arbeiterin Maria Lechner, hätten sich ebenfalls über einen Besuch vom Bundesmini­s‰ ter gefreut.
Die Leiterin des Dillinger Weltladens, Beate Bauer (links), und die ehrenamtli­che Mit‰ arbeiterin Maria Lechner, hätten sich ebenfalls über einen Besuch vom Bundesmini­s‰ ter gefreut.
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Leo Schrell
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Peter Hurler

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