Donau Zeitung

Leute, geht ins Theater!

„Azzurro“im Stadtsaal Dillingen: Gute Unterhaltu­ng kann so einfach sein – und ist gerade jetzt so wichtig

- VON SILVIA SCHMID

Dillingen Es war für mich die erste Musikveran­staltung, die ich komplett mit einer Maske vor Nase und Mund erlebt habe, wie wohl für die meisten Besucher des Italo-PopMusical­s Azzurro im Dillinger Stadtsaal am vergangene­n Samstag. Es muss hart sein für die Schauspiel­er – die zum Glück bis auf eine Szene selbst auf das Tragen von Masken verzichten konnten –, vor einem auf Abstand sitzenden, ziemlich überschaub­aren Publikum mit mehr als zur Hälfte verdeckten Gesichtern spielen zu müssen. I Dolci Signori und Co. lieferten trotzdem eine tolle Show ab. Die Dillinger Besucher gaben ihrerseits ihr Bestes, um fehlende sichtbare Mimik mit kräftigem Applaus zu kompensier­en. Trotzdem – die großen Platzlücke­n wegen der Leute, die kurzfristi­g ihre Karten zurückgege­ben haben, waren beschämend, wenn auch verständli­ch. Keine Frage – wer sich in Quarantäne befindet, selbst Erkältungs­symptome hat oder gefährdete­r Risikopati­ent ist, muss zu Hause bleiben. Für alle anderen gilt: Nutzt die kulturelle­n Angebote, die es noch gibt, es lohnt sich! Und es ist möglich.

Für Werner Bosch als Verantwort­lichem des veranstalt­enden Kulturring­s Dillingen stand zu keinem Zeitpunkt die Absage der Veranstalt­ung zur Debatte, obgleich auch in Dillingen bereits in der Woche vor dem Termin die Infektions­zahlen angestiege­n waren. „Wir haben alle erforderli­chen Maßnahmen getroffen, die eine Ausbreitun­g des Virus vermeiden“, erklärt Bosch, „warum also sollten wir absagen?“Auch wenn Masken nicht besonders schön sind, auch wenn man auf das Glas Sekt in der Pause verzichten muss, auch wenn insgesamt weniger Menschen in den Saal dürfen – Kunstgenus­s ist möglich, sinnvoll und nötig in Zeiten der Pandemie und der damit einhergehe­nden sozialen Distanz. Wie einfach das Rezept für gute Unterhaltu­ng sein kann, haben die Musiker und Schauspiel­er mit „Azzurro“an diesem Abend bewiesen.

Eine Lovestory, die im Süden Italiens beginnt und in einem abenteuerl­ichen Roadtrip auf einer alten Vespa Richtung Gelsenkirc­hen mündet, gewürzt mit dem Traum vom schnellen Geld in Deutschlan­d und Geschichte­n vom großen Erfolg in Amerika. Angereiche­rt mit sämtlichen Klischees von deutschen und italienisc­hen Eigenheite­n, vor allem aber serviert mit stilsicher ausgewählt­en italienisc­hen Popsongs der vergangene­n Jahrzehnte. Mit viel Witz und Ironie, an manchen Stellen gerade noch erträglich­em Klamauk, vor allem aber mit tollen Stimmen boten die Jungs der Band I Dolci

Signori die perfekte Unterhaltu­ng. I Dolci Signori mit den beiden Sängern Gianni Carrera und Rocky Verardo sowie den Musikern Richie Necker, Uli Rossi, Bernardo Meyer und Michael Thomas haben sich als Italo-Popband auch in Dillingen bereits einen Namen gemacht. Der Plot des Musicals von Stefan Tilch bietet den Musikern den perfekten Kontext für ihre Coversongs der italienisc­hen Popgeschic­hte. Hits wie „Senza una donna“, „Adesso tu“, „Musica è“oder „Gloria“und viele weitere bekannte Canzoni sorgten für viel italienisc­hes Lebensgefü­hl und Stimmung, die Lust auf Mitsingen und Mittanzen machte. Die beiden Sänger performten die Songs mit der perfekten Balance aus Nähe zum Original und eigener Interpreta­tion. Unbedingt hervorzuhe­ben ist darüber hinaus die schauspiel­erische Leistung der Schauspiel­er Katharina Wittenbrin­k und Johann Anzenberge­r. Mit wunderbar überzeichn­eten Figuren und vollem Körpereins­atz nahmen sie in verschiede­nen Rollen die Zuschauer für sich ein.

Katharina Wittenbrin­k überzeugte als typisch deutsche Frauke mit Heino-Trauma schauspiel­erisch und tänzerisch, Johann Anzenberge­r bewies unter anderem als italienisc­he Mamma, betrügeris­cher Konzertver­anstalter und als Groupie großes Komik-Talent und enorme Wandlungsf­ähigkeit. Musik, Humor, Leidenscha­ft, Emotion und Liebe – „Azzurro“hatte alles, was ein gutes Musical und eine unterhalts­ame Abendunter­haltung braucht.

 ?? Fotos: Silvia Schmid ?? Leidenscha­ft, Gefühl, eine Liebesgesc­hichte und jede Menge „bella musica italiana“: „Azzurro“bot alles, was gute Abendunter­haltung garantiert.
Fotos: Silvia Schmid Leidenscha­ft, Gefühl, eine Liebesgesc­hichte und jede Menge „bella musica italiana“: „Azzurro“bot alles, was gute Abendunter­haltung garantiert.
 ??  ?? Auf der Vespa durch die italienisc­he Pop‰ musik.
Auf der Vespa durch die italienisc­he Pop‰ musik.

Newspapers in German

Newspapers from Germany