Leute, geht ins Theater!
„Azzurro“im Stadtsaal Dillingen: Gute Unterhaltung kann so einfach sein – und ist gerade jetzt so wichtig
Dillingen Es war für mich die erste Musikveranstaltung, die ich komplett mit einer Maske vor Nase und Mund erlebt habe, wie wohl für die meisten Besucher des Italo-PopMusicals Azzurro im Dillinger Stadtsaal am vergangenen Samstag. Es muss hart sein für die Schauspieler – die zum Glück bis auf eine Szene selbst auf das Tragen von Masken verzichten konnten –, vor einem auf Abstand sitzenden, ziemlich überschaubaren Publikum mit mehr als zur Hälfte verdeckten Gesichtern spielen zu müssen. I Dolci Signori und Co. lieferten trotzdem eine tolle Show ab. Die Dillinger Besucher gaben ihrerseits ihr Bestes, um fehlende sichtbare Mimik mit kräftigem Applaus zu kompensieren. Trotzdem – die großen Platzlücken wegen der Leute, die kurzfristig ihre Karten zurückgegeben haben, waren beschämend, wenn auch verständlich. Keine Frage – wer sich in Quarantäne befindet, selbst Erkältungssymptome hat oder gefährdeter Risikopatient ist, muss zu Hause bleiben. Für alle anderen gilt: Nutzt die kulturellen Angebote, die es noch gibt, es lohnt sich! Und es ist möglich.
Für Werner Bosch als Verantwortlichem des veranstaltenden Kulturrings Dillingen stand zu keinem Zeitpunkt die Absage der Veranstaltung zur Debatte, obgleich auch in Dillingen bereits in der Woche vor dem Termin die Infektionszahlen angestiegen waren. „Wir haben alle erforderlichen Maßnahmen getroffen, die eine Ausbreitung des Virus vermeiden“, erklärt Bosch, „warum also sollten wir absagen?“Auch wenn Masken nicht besonders schön sind, auch wenn man auf das Glas Sekt in der Pause verzichten muss, auch wenn insgesamt weniger Menschen in den Saal dürfen – Kunstgenuss ist möglich, sinnvoll und nötig in Zeiten der Pandemie und der damit einhergehenden sozialen Distanz. Wie einfach das Rezept für gute Unterhaltung sein kann, haben die Musiker und Schauspieler mit „Azzurro“an diesem Abend bewiesen.
Eine Lovestory, die im Süden Italiens beginnt und in einem abenteuerlichen Roadtrip auf einer alten Vespa Richtung Gelsenkirchen mündet, gewürzt mit dem Traum vom schnellen Geld in Deutschland und Geschichten vom großen Erfolg in Amerika. Angereichert mit sämtlichen Klischees von deutschen und italienischen Eigenheiten, vor allem aber serviert mit stilsicher ausgewählten italienischen Popsongs der vergangenen Jahrzehnte. Mit viel Witz und Ironie, an manchen Stellen gerade noch erträglichem Klamauk, vor allem aber mit tollen Stimmen boten die Jungs der Band I Dolci
Signori die perfekte Unterhaltung. I Dolci Signori mit den beiden Sängern Gianni Carrera und Rocky Verardo sowie den Musikern Richie Necker, Uli Rossi, Bernardo Meyer und Michael Thomas haben sich als Italo-Popband auch in Dillingen bereits einen Namen gemacht. Der Plot des Musicals von Stefan Tilch bietet den Musikern den perfekten Kontext für ihre Coversongs der italienischen Popgeschichte. Hits wie „Senza una donna“, „Adesso tu“, „Musica è“oder „Gloria“und viele weitere bekannte Canzoni sorgten für viel italienisches Lebensgefühl und Stimmung, die Lust auf Mitsingen und Mittanzen machte. Die beiden Sänger performten die Songs mit der perfekten Balance aus Nähe zum Original und eigener Interpretation. Unbedingt hervorzuheben ist darüber hinaus die schauspielerische Leistung der Schauspieler Katharina Wittenbrink und Johann Anzenberger. Mit wunderbar überzeichneten Figuren und vollem Körpereinsatz nahmen sie in verschiedenen Rollen die Zuschauer für sich ein.
Katharina Wittenbrink überzeugte als typisch deutsche Frauke mit Heino-Trauma schauspielerisch und tänzerisch, Johann Anzenberger bewies unter anderem als italienische Mamma, betrügerischer Konzertveranstalter und als Groupie großes Komik-Talent und enorme Wandlungsfähigkeit. Musik, Humor, Leidenschaft, Emotion und Liebe – „Azzurro“hatte alles, was ein gutes Musical und eine unterhaltsame Abendunterhaltung braucht.