Die Lufthansa ist weiter ohne Schub
Nachdem es in den Sommermonaten wieder mehr Flüge gegeben hat, folgt mit dem Winterflugplan eine harte Landung. Die Verhandlungen zum Personalabbau ziehen sich weiter und die Krise der Airline trifft nun auch München
Frankfurt am Main Der Winter wird hart, so viel ist sicher. Alles andere ist bei Deutschlands schwer angeschlagener Vorzeige-Airline Lufthansa weiter in der Schwebe. Noch im Sommer ging man davon aus, im vierten Quartal wieder 50 Prozent der Kapazität im Vergleich zum Vorjahr verkaufen zu können. In den Monaten Juli und August war der Flugplan wieder ausgeweitet worden. Auch die erheblichen Fixkosten konnte man drücken. Doch alle Sparbemühungen reichen nicht, wenn das Geschäft wegen einer zweiten Corona-Welle sowie laufend ausgeweiteter Reisewarnungen und Quarantänebestimmungen nicht in Schwung kommt.
In den ersten neun Monaten des Jahres summierte sich der Verlust der Lufthansa auf rund 4,2 Milliarden Euro. Noch immer verliert der Konzern umgerechnet 500 000 Euro in jeder Stunde. Mittlerweile hat der Vorstand reagiert und angekündigt, im vierten Quartal quer über alle Konzern-Airlines nur noch maximal 25 Prozent der Vorjahreskapazität anzubieten. So soll sichergestellt werden, dass zumindest die angebotenen Flüge profitabel bleiben. 125 Flugzeuge werden oder bleiben also geparkt. Weiter gespart werden muss natürlich auch. Ersatzteile sollen künftig, wo immer möglich, aus stillgelegten Flugzeugen ausgebaut werden. Auch Büro- und Verwaltungsflächen sollen schrumpfen.
Intern kommunizieren die Führungskräfte des Konzerns regelmäßig in sogenannten Webcasts, Videoansprachen mit der Möglichkeit, anschließend Fragen zu stellen. Dort wurde den Piloten des Konzerns jüngst auch erklärt, dass die Langstrecke vorläufig schwerpunktmäßig von Frankfurt aus bedient werden soll. Insgesamt acht moderne und sparsame A350Maschinen werden dafür von München abgezogen. Nach wie vor ist die Auslastung ein großes Problem, bei der Langstrecke liegt sie wohl nur bei rund 25 Prozent, wie ein erfahrener Pilot im Gespräch mit unserer Redaktion bestätigt. Je nach weiterem Verlauf der Krise rechnet man in München nicht vor 2024 mit einer Wiederherstellung der Lufthansa-Flottenstärke von 2019, heißt es auch in einer aktuellen Mitteilung der Flughafengesellschaft. Die können nicht beliebig gestrichen werden. Sie sind das Rückgrat des Netzwerks. Wenn sie ausfallen, sind auch viele kurze Zubringerstrecken nicht zu halten.
Eine der größten und nach wie vor ungelösten Baustellen des Vorstands ist jedoch der anvisierte Personalabbau. Weltweit sollen rund 30000 Stellen gestrichen werden. Doch bislang gelang es erst mit der das Kabinenpersonal vertretenden Gewerkschaft Ufo, einen Krisenbeitrag zu verhandeln. Mit Verdi und der Vereinigung Cockpit, die die Piloten vertritt, stocken die Gespräche seit Monaten. Für große Empörung auf der Arbeitnehmerseite sorgt unter anderem die geplante Etablierung einer neuen FerienfliegerMarke unter dem Namen Ocean. Die Gewerkschaften werfen der Konzernführung Tarifflucht auf Staatskosten vor. Denn nachdem bereits die Touristiktochter Sun Express Deutschland aufgelöst wurde und die Germanwings kurz davorstehen soll, können sich nun deren Beschäftigte bei Ocean bewerben – für neue Stellen ohne Tarifbindung. „Das ist ein klassisches Instrument des Tarifdumpings“, sagt VerdiGewerkschaftssekretär Sven Bergelin. Zudem mache die mit Staatsgeld gerettete Lufthansa damit im BeLangstreckenverbindungen reich der Ferienflieger den ebenfalls mit Staatsgeld gestützten Gesellschaften Condor und Tuifly Konkurrenz. In der kommenden Woche sollen die Verhandlungen zwischen Lufthansa und Gewerkschaft wieder aufgenommen werden, nachdem der Konzern im September einen Gewerkschaftsvorschlag mit Einsparungen von rund 620 Millionen Euro abgelehnt hatte. Nun gibt es ein neues Papier von Lufthansa, das aber noch „stark verhandlungsbedürftig“sei, heißt es bei Verdi.
Auch bei den Piloten ist die Lage mit dem Wort „unübersichtlich“noch zurückhaltend beschrieben. Denn sowohl die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit als auch das Unternehmen haben intern offenbar Probleme, eine einheitliche Linie zu finden. Für Reibungen sorgt zudem, dass das Unternehmen auf getrennte Verhandlungen mit Cockpit und der Personalvertretung besteht. Dies erschwere die Suche nach kreativen Lösungen, sagt ein Betroffener: „Wenn die Gewerkschaft nicht über den Personalabbau verhandelt, wie soll sie dann Flexibilität bei Gehaltseinbußen zeigen?“
Mit einem freiwilligen Ausscheiden einer größeren Zahl hoch bezahlter Piloten ist wohl ebenfalls nicht zu rechnen. Für die Lufthansa wäre dies teuer: Wer vorzeitig geht, bekommt vom Unternehmen laut Tarif eine Übergangsversorgung bis zur Rente. Weil derzeit die meisten Piloten in Kurzarbeit sind, wiegen die Personalkosten aber nicht so schwer. Zudem ist die Übergangsversorgung nicht insolvenzgesichert. Das heißt, sollte der Konzern pleitegehen, bevor Betroffene das Rentenalter erreichen, müssten sie mit erheblichen Einbußen rechnen.