Macron verkündet den Lockdown
Schon ab Freitag herrschen in ganz Frankreich wieder strikte Ausgangsbeschränkungen. Wie der Staatspräsident seinem Volk in einer Ansprache die „brutale Bremsung“erklärte
Paris Er hatte es vermeiden wollen. Alles werde er tun, versprach Frankreichs Präsident Emmanuel Macron vor zwei Monaten, um dem Land einen neuerlichen Lockdown zu ersparen. Ganz ähnlich wie deutsche Politiker. Doch in den vergangenen Tagen schwante den Franzosen, dass das kaum möglich sein würde – zu alarmierend entwickelten sich die Infektionszahlen.
„Das Coronavirus verbreitet sich mit einer Geschwindigkeit, die selbst die pessimistischsten Prognosen nicht vorausgesehen haben“, sagte Macron am Mittwochabend während einer Fernsehansprache. Innerhalb von zwei Wochen habe sich die Zahl der Neuinfektionen auf rund 40 000 pro Tag verdoppelt und so reichten die bisherigen Maßnahmen wie eine Sperrstunde in vielen Städten und Regionen nicht mehr aus. Ohne eine „brutale Bremsung müssen die Ärzte bald zwischen einem Covid-19-Patienten und dem Opfer eines Straßenunfalls entscheiden“, warnte der Präsident. Mitte November würden 9000 Plätze an Intensivbetten gebraucht – deutlich mehr, als derzeit überhaupt zur Verfügung stünden.
Ab Freitag gelten daher wieder strikte Ausgangsbeschränkungen im ganzen Land, zunächst bis zum 1. Dezember. Nach zwei Wochen sollen sie allerdings überprüft und möglicherweise angepasst werden. Wer draußen unterwegs ist, etwa um einzukaufen oder für einen Arztbesuch, muss den Grund nun also wieder auf einer Bescheinigung vermerken. Private Treffen sind verboten und jeder, der aus dem Ausland einreist, soll an Flughäfen oder Bahnhöfen einen Schnelltest machen. Anders als zwischen Mitte März und Mitte Mai bleiben Schulen und Kinderkrippen allerdings offen, ebenso Ämter. Cafés und Restaurants schließen dagegen komplett, Geschäfte für nicht lebensnotwendigen Bedarf auch.
Macron kündigte zudem die Verlängerung der Kurzarbeiter-Regelungen sowie massive Hilfen unter anderem für kleine und mittelständische Unternehmen an. „Die Wirtschaft darf weder stoppen noch zusammenbrechen“, sagte er. Genau davor hatte Arbeitgeberpräsident Geoffroy Roux de Bézieux gewarnt: Strikte Ausgangsbeschränkungen haben aus seiner Sicht Folgen, die über den bis jetzt vorhergesagten Einbruch der französischen Wirtschaft um zehn Prozent hinausgehen würden.
An diesem Donnerstag wird das Parlament über die neuen Maßnahmen debattieren und abstimmen. Eine Ablehnung ist höchst unwahrscheinlich. Frankreich zählt seit Ausbruch der Pandemie mehr als 37000 Corona-Tote. Anders als bei der ersten Welle ist diesmal das ganze Land betroffen. Das macht es unter anderem schwieriger, Patienten aus stark betroffenen Regionen in Gebiete zu transportieren, wo es noch mehr Kapazitäten in den Kliniken gibt.
Seit Tagen kritisiert die Opposition die Regierung für ihren „absoluten Mangel an Vorbereitung“, wie es die Rechtspopulistin Marine Le Pen formulierte. Die Franzosen seien „genauso beunruhigt über die Pandemie wie über das Krisenmanagement der Regierung“, kritisierte der sozialistische Abgeordnete Boris Vallaud. Auch die Republikaner klagten über ein „Fiasko“. Macron verwies darauf, dass Frankreich „wie alle unsere europäischen Nachbarn“von der zweiten Pandemiewelle überwältigt worden sei. Er setze auf das Verantwortungsbewusstsein und den Bürgersinn eines jeden Einzelnen. „Bleiben wir vereint und solidarisch“, sagte der Präsident in der für ihn typischen optimistischen Art. „Gemeinsam werden wir es schaffen.“