Was wird nun aus Weihnachten?
Die Pandemie wirkt sich massiv auf das Glaubensleben von Christen aus. Und wichtige Gedenk- und Festtage kommen erst noch. Schon an diesem Wochenende geht es los
Augsburg Vieles erinnert Kirchenverantwortliche in Bayern gerade an das Frühjahr. An die Zeit der Gottesdienstverbote, an ein Osterfest, das in leeren Kirchen gefeiert werden musste. Nun steigen die Zahlen der Corona-Infizierten wieder, wieder gibt es einen Lockdown, und wichtige Tage des Kirchenjahres stehen erst noch bevor.
Anders als im Frühjahr aber hatten Kirchenverantwortliche Zeit, darauf Antworten zu finden. Ähnlich wie damals, fallen diese teils überraschend kreativ aus. Den Kirchenverantwortlichen ist wichtig: „Weder Gemeinden vor Ort noch Dekane oder Regionalbischof und Landeskirchenrat wollen, dass wieder alles abgesagt werden muss.“Das sagt Axel Piper, Regionalbischof des evangelisch-lutherischen Kirchenkreises Augsburg und Schwaben. Über Weihnachten unter Corona-Bedingungen mache er sich zum Beispiel bereits seit Juni Gedanken. Die katholischen Bischöfe Bayerns hatten Anfang Oktober wissen lassen: Gerade an Weihnachten soll niemand ausgeschlossen werden, der einen Gottesdienst feiern möchte.
Zunächst jedoch steht in der evangelischen Kirche am Samstag der Reformationstag, in der katholischen Kirche am Sonntag Allerheiligen und am Montag Allerseelen an – jene Tage des Heiligen- und Totengedenkens. Angesichts überaus hoher Inzidenzwerte in einigen Gebieten und neuer, bayernweit geltender Corona-Maßnahmen stellt vor allem Allerheiligen Städte und Gemeinden sowie Pfarreien vor Probleme – schließlich suchen dann traditionell viele Gläubige die Friedhöfe auf, um ihrer verstorbenen Angehörigen zu gedenken. Verbunden ist der Gang auf die Friedhöfe mit der Gräbersegnung. Befürchtet wird, dass es dort eng werden könnte.
Die katholischen Oberhirten rieten Priestern zu Gottesdiensten im Freien und empfahlen: „Die Gläubigen sollen ermutigt werden, selbst mit Weihwasser die Gräber zu segnen.“Wie sie das tun können, erklärt unter anderem das Bistum Würzburg stichpunktartig: Lautes Vorlesen der Grabinschrift, (mitgebrachtes Weih-)Wasser sprengen, Licht entzünden. Es gibt viele solcher Ideen, auch für Sankt Martin, die Advents- und Weihnachtszeit. Sie finden sich auf den kirchlichen Internetseiten.
Was Allerheiligen betrifft: Die bisher geltende Höchstteilnehmerzahl von 200 Personen bei Gottesdiensten und religiösen Zusammen
im Freien wurde von der Bayerischen Staatsregierung kürzlich zwar gestrichen – die jeweils zuständige (Kreis-)Verwaltungsbehörde kann bei Bedarf aber jederzeit Einschränkungen verfügen. Bei der Trauer-Andacht im Freien und der Gräbersegnung müssen Gläubige laut einem Hygienekonzept des Bistums Augsburg anderthalb Meter Mindestabstand halten. Wo dieser nicht eingehalten werden kann, müssen sie eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen.
An diesen Regelungen ändert auch der von Ministerpräsident Markus Söder ab Montag – 2. November – ausgerufene, vierwöchige „Lockdown light“mit einem Herunterfahren weiter Teile des öffentlichen Lebens und strikten Kontaktbeschränkungen nichts. Für die Kirchen bleibe „alles beim Alten“, sagt eine Sprecherin der Staatskanzlei am Freitag auf Anfrage. Sie begründet das mit der verfassungsrechtlich besonderen Stellung der Religionsfreiheit. Man halte zudem an der Aufhebung der TeilnehmerHöchstgrenze fest – Kommunen könnten freilich andere Regelungen treffen. Auch in Augsburg, das bayernweit mit 250,7 Neuinfektionen einen der höchsten Inzidenzwerte hat und wo seit Freitagabend verschärfte Schutzmaßnahmen gelten, ändert sich laut Gesundheitsreferent Reiner Erben nichts für Gottesdienste und religiöse Zusammenkünfte. Dennoch sei jeder angehalten, die physischen Kontakte zu anderen Menschen außerhalb der Angehörigen des eigenen Hausstands auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren, erklärt er.
Seit dem 23. Oktober gilt für das Bistum Augsburg ab einem lokalen Sieben-Tage-Inzidenzwert von 100 Infizierten je 100000 Einwohner während der gesamten Dauer eines Gottesdienstes im Innern Maskenpflicht; auf den Einsatz von Chören muss verzichtet werden, Gemeindegesang wird weitgehend reduziert. Generalvikar Harald Heinrich appellierte, die Anordnungen „sehr ernst zu nehmen, da sie nicht zuletzt auch dazu dienen, gegebenenfalls einen Lockdown des kirchlichen, das heißt vor allem auch des liturgischen Lebens zu verhindern“. In der evangelischen Kirche gelten vergleichbare Bestimmungen.
Einen kreativen und flexiblen Umgang mit der Pandemie werden bald auch der Martins- und Nikokünften laustag (11. November und 6. Dezember) sowie die Sternsingeraktion der katholischen Kirche erfordern. Martinsumzüge wurden bereits abgesagt, und fest steht auch schon, dass es für die Sternsinger „keine große diözesane Eröffnungsaktion geben“wird, wie ein Bistumssprecher sagte. Als Veranstaltungsort war Schrobenhausen geplant. Nun soll es in Augsburg eine Veranstaltung geben, an der sich Pfarreien digital beteiligen können.
Und Weihnachten? Der evangelische Regionalbischof Axel Piper spricht von „zwei Tendenzen“, über die man nachdenke. Szenario eins: möglichst vielen Menschen unter Einhaltung der Hygieneregeln einen Gottesdienstbesuch ermöglichen – im Freien, etwa auf Sportplätzen, oder in Reithallen und Bierzelten. Szenario zwei: möglichst viele kurze Gottesdienste in den jeweiligen Kirchen am Ort gestalten, um der wohl hohen Nachfrage gerecht zu werden. Am 24. Dezember wolle er „in ökumenischer Verbundenheit“mit dem katholischen Bischof Bertram Meier mittags Weihnachten einläuten, sagt Piper. Wie genau, das stehe noch nicht fest. Die Planungen liefen.