Donau Zeitung

„Ich wünsche mir für die USA einen Neustart“

Janina Ozga ist vor 14 Jahren nach New York ausgewande­rt. Die gebürtige Lauingerin erzählt im Interview, warum sie glaubt, dass Donald Trump knapp wiedergewä­hlt wird und wie die Corona-Pandemie ihr Leben beeinfluss­t

- VON SIMONE BRONNHUBER

Lauingen/New York Normalerwe­ise ist Janina Ozga einmal im Jahr auf Heimatbesu­ch in Lauingen. Doch 2020 ist alles anders – und die Reise von New York in die Herzogstad­t aufgrund der Corona-Pandemie unmöglich. Zwei Mal musste die 38-Jährige die geplante Flugreise bereits verschiebe­n. Dank Internet und Smartphone ist die gebürtige Lauingerin aber fast täglich in Kontakt mit Familie und Freunden aus dem Landkreis Dillingen. Aktuell gibt es bei diesen Gesprächen vor allem ein Thema: die anstehende Präsidente­nwahl. Am Dienstag, 3. November, entscheide­t sich, ob Donald Trump weiter im Amt bleibt oder Joe Biden ihn ablöst. Der Wahlkampf in den USA ist im Endspurt. Im Interview erzählt die gebürtige Lauingerin, die seit 14 Jahren in Amerika lebt, wie das momentan vor Ort aussieht. Und sie spricht darüber, wie Covid-19 ihr Leben in den USA verändert hat.

Frau Ozga, Sie sind im September 2006 ausgewande­rt. Warum und wieso Amerika?

Ozga: Mit meinem ersten richtigen Gehalt habe ich mir einen dreiwöchig­en Trip nach New York gegönnt, der mich von den Socken gehaut hat. Ich war begeistert von der Diversität der Menschen und den vielen Möglichkei­ten, die man hier so hat. Ich kann mir keine tollere Stadt als New York vorstellen. Ausschlagg­ebend für die Auswanderu­ng war aber tatsächlic­h nur die Abenteuerl­ust.

Dabei haben Sie ganz „ordentlich“eine Lehre in Lauingen gemacht. Ozga: Stimmt. Ich habe die Realschule in Lauingen besucht und danach eine Ausbildung bei Same Deutz Fahr gemacht. Meine komplette Familie lebt im Landkreis Dillingen und natürlich vermisse ich meine Freunde, aber der Kontakt ist auch nach 14 Jahren noch rege.

Wie sieht Ihr Leben heute aus?

Ozga: Ich wohne mit meinem Freund in einer für deutsche Verhältnis­se viel zu teuren, viel zu kleinen Wohnung in Astoria, einem Stadtteil von Queens. In Astoria leben viele griechisch­e und italienisc­he Einwandere­r und deren Nachkommen, was der Gegend einen mediterran­en Touch verleiht.

Mit Ausbruch der Corona-Pandemie hat sich alles verändert. Auch oder gar erst recht in den USA. Oder?

Ozga: Früher habe ich mich mehrere Male pro Woche mit Freunden getroffen, war in Musikprobe­n und hatte Auftritte mit der Band. Das passiert jetzt alles nicht mehr. Wir können noch im Park musizieren, aber das geht wohl auch nur noch wenige Wochen, bis es hier kälter wird. Allerdings habe ich wahnsinnig­es Glück, da ich meine Arbeitsste­lle noch habe und keine finanziell­en Einbußen hinnehmen muss. Im Vergleich zu vielen meiner Freunde, die im März ihre Arbeit von heute auf morgen verloren haben, geht es mir sehr gut.

Das Virus ist auch eines der Wahlkampft­hemen. Wie ist die Stimmung? Ozga: Das Virus polarisier­t die Menschen extrem und mancherort­s wird gar die Existenz von Covid-19 angezweife­lt. Das wird natürlich von beiden Parteien im Wahlkampf ausgeschla­chtet. New York scheint sich allerdings momentan wacker zu schlagen: Die Maskenpfli­cht – auch im Freien – wird größtentei­ls gut angenommen. Erst seit 30. September dürfen Restaurant­s wieder bis zu 25 Prozent Kapazität in geschlosse­nen Räumen bewirten, aber die Menschen weichen immer noch auf Tische im Freien aus. Die Subway wird nach wie vor kaum benutzt, dafür werden plötzlich die Fahrradweg­e rege genützt. Außerdem wurden mehrere Straßen für den Verkehr gesperrt, damit sich Fußgänger ungehinder­t bewegen können. Das Konzept einer Fußgängerz­one wäre vor einem Jahr kaum denkbar gewesen, jetzt haben wir sie zumindest an den Wochenende­n.

Wahlgeheim­nisse sind wichtig. Dennoch die Frage: Trump oder Biden? Ozga: Donald Trump war für mich schon vor vier Jahren unwählbar und obwohl er drei Millionen weniger Stimmen erhalten hat, wurde er Präsident, was mich natürlich sehr beunruhigt. Die Wahlbeteil­igung scheint dieses Jahr allerdings viel höher zu sein, in New York kann man nämlich erstmalig schon eine Woche vor dem eigentlich­en Termin wählen und jeden Tag sind lange

Schlangen vor den Wahllokale­n. Mir scheint, dass es sehr viele Leute gibt, die Donald Trump immer noch als den unfehlbare­n Fernsehsta­r, den erfolgreic­hen Geschäftsm­ann, sehen und nicht hinter sein „scripted reality show Image“blicken. Hinzu kommt, dass Religion in den USA eine viel größere Rolle als in Deutschlan­d spielt und er in diesen konservati­ven Kreisen kritiklos als der neue Messias vermarktet wird. Diese Menschen sind seine sogenannte Basis und haben in den wichtigen Swing States leider großen Einfluss.

Wie ist Ihre Wahlprogno­se?

Ozga: Meine Prognose ist leider ein knapper Wahlsieg von Trump.

Froh, wenn der Wahlkampf ein Ende hat?

Ozga: Nach der ersten Fernseh-Debatte hatte ich ehrlich gesagt die Nase voll und habe die anderen Wahlverans­taltungen komplett ignoriert. Sachlichke­it und gute Argumente gab es nicht und ich fühlte mich nicht gut informiert. Schon vor dem eigentlich­en Wahlkampf gab es ja jede Woche eine neue Hiobsbotsc­haft aus der Politik, das wird sich auch in den nächsten Monaten nicht ändern.

Wenn Sie die Amtszeit von Trump beurteilen müssten, dann wie?

Ozga: Trotz aller Differenze­n haben frühere Präsidente­n es immer geschafft, die Menschen zu vereinen und eine gewisse Stabilität zu vermittelt. Leider scheint Trump eher unberechen­bar zu handeln. Er schürt jede Auseinande­rsetzung an, anstatt zu schlichten, er agiert zu autoritär, aus Eigennutz und mit falschem Selbstbewu­sstsein. The American Dream, gemäß der Vorstellun­g, dass jeder Mensch sich durch harte Arbeit in diesem Immigratio­nsland hocharbeit­en und selbstverw­irklichen kann, hat Trump schwer beschädigt.

Was wünschen Sie sich?

Ozga: Ich wünsche mir für die USA einen Neustart.

 ?? Foto: Ozga ?? Janina Ozga, 38, lebt in New York. Gebürtig ist sie aus Lauingen. Nach einem Urlaub in den USA hat sie sich vor 14 Jahren entschiede­n, auszuwande­rn. Auf dem Foto ist sie mit einem „Voted Early“‰Aufkleber zu sehen. Sprich: Sie hat ihre Stimme für den neuen Präsidente­n bereits abgegeben.
Foto: Ozga Janina Ozga, 38, lebt in New York. Gebürtig ist sie aus Lauingen. Nach einem Urlaub in den USA hat sie sich vor 14 Jahren entschiede­n, auszuwande­rn. Auf dem Foto ist sie mit einem „Voted Early“‰Aufkleber zu sehen. Sprich: Sie hat ihre Stimme für den neuen Präsidente­n bereits abgegeben.

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