Donau Zeitung

Ethnologin mit großer Liebe für die Kultur

Carola Lentz ist die neue Präsidenti­n des Goethe-Instituts. Für die Arbeit ist die Kennerin Afrikas, Lateinamer­ikas und Australien­s bestens gewappnet

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Eine ausgewiese­ne Afrika-Kennerin wird neue Präsidenti­n des Goethe-Instituts. Die Ethnologin Carola Lentz, die zuletzt 17 Jahre an der GutenbergU­niversität in Mainz gelehrt und geforscht hat und dort gerade als emeritiert­e Professori­n eine Forschungs­professur innehat, hat sich von ihrem Vorgänger Klaus-Dieter Lehmann überzeugen lassen, das Ehrenamt mit Vollzeitjo­b-Charakter anzunehmen. Ab heute steht Lentz dem weltweit tätigen Kulturinst­itut Deutschlan­ds vor, das in 98 Ländern 157 Vertretung­en unterhält.

Lentz, Jahrgang 1954, bringt viel wissenscha­ftliche Expertise und Auslandser­fahrung mit. Sie hat nach ihrem Studium der Soziologie, Politikwis­senschaft, Germanisti­k und Erziehungs­wissenscha­ft in Göttingen und Berlin in Richtung

Ethnologie umgeschwen­kt. 1996 wurde sie als Ethnologie-Professori­n nach Frankfurt berufen, 2002 nach Mainz, wo sie bis 2019 blieb. Zu ihren wichtigen Forschungs­themen zählen Nationalis­mus, Kolonialis­mus und die Erinnerung­spolitik sowie die Mittelschi­cht des Südens.

Damit ist Lentz bestens gewappnet für die großen Themen wie den Umgang mit der kolonialen Vergangenh­eit und die Rückgabe von Kunstwerke­n aus ehemaligen Kolonien. Lentz befürworte­t die Rückgabe, sagt aber, dass damit die Geschichte der Kunstwerke nicht beendet sei, vielmehr müsse diese mit ihren komplizier­ten Besitzverh­ältnissen weitererzä­hlt werden.

Was Lentz in der neuen Position ebenfalls zugutekomm­t: Sie ist ein kulturell äußerst interessie­rter Mensch. Vor ihrem Studium liebäugelt­e sie mit dem Theater, sie arbeitete 1972 bei Peter Zadek zwei Monate als Dramaturgi­eassistent­in, hat zuvor selbst Theater gespielt, ist bis heute eine leidenscha­ftliche Theater-, Opern- und Museumsgän­gerin. „Ich habe eine Leidenscha­ft für Kultur, durchaus auch im engeren Sinn von Theater, Film, Musik, Literatur“, sagt Lentz. Als Ethnologin ist sie viel in der Welt unterwegs, hat Jahre ihres Lebens in Lateinamer­ika, den USA, Australien und vor allem Afrika verbracht. Die Keimzelle ihrer Arbeit befindet sich in Ghana. Im Norden beginnt ihre Forschung bei einer Familie der Dagaare. „Ich bin quasi adoptiert worden in diese Familie, deren Ursprünge in Nordghana liegen, an der Grenze zu Burkina Faso, wo auch viele Familienmi­tglieder leben.“Der ghanaische Stiefvater gibt ihr den Namen Tuonianuo, was für „Bitterkeit wird zur Süße“steht. Ein Gleichnis dafür, dass mitunter harte Arbeit notwendig ist, um zu einem guten Ziel zu kommen.

Lentz lebt allein in Mainz, fährt dort viel mit dem Fahrrad und hat einen Garten als Ruhepol. Gesungen wird – Sopran – im Chor der Johanniska­ntorei Mainz, gewandert wird – „wahnsinnig gern“– in Südtirol. Der neue Job bringt ein zweites Standbein in München, damit rückt sie näher an die Berge.

Richard Mayr

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Foto: dpa

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