Welche Lehren die SPD aus dem USWahlkampf zieht
Wie Joe Biden will Olaf Scholz den Machtwechsel. Droht Schlammschlacht nach amerikanischem Vorbild?
Berlin Aufwühlend, schmutzig, spaltend – der US-Wahlkampf hat auch die Deutschen monatelang in Atem gehalten. Nach dem Sieg von Joe Biden klammert sich Donald Trump zwar noch verzweifelt an sein Amt als Präsident, doch in Deutschland richtet sich der Blick auf die Bundestagswahl im kommenden Jahr. Dann wird ein Nachfolger für Bundeskanzlerin Angela Merkel von der CDU gesucht, die nach 16 Jahren im Amt aufhört. Weil Amerika auch in Sachen Wahlkampf oft die Trends für die deutsche Politik setzte, stellt sich die bange Frage: Droht Deutschland im kommenden Jahr eine WahlkampfSchlammschlacht wie in den USA?
Die einzige deutsche Partei, die bereits entschieden hat, welchen Kanzlerkandidaten sie 2021 ins Rennen schickt, ist die im UmfrageKeller
darbende SPD. Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz soll die Genossen in den Wahlkampf führen. Generalsekretär Lars Klingbeil leitet die Kampagne, bei der gelingen soll, was den Demokraten in den USA gelang: der Machtwechsel. Unserer Redaktion sagte er: „Wir werden in Deutschland keinen so stark polarisierten, ja fast schon verfeindeten Wahlkampf erleben, wie es in den USA der Fall war. Dort standen sich die Lager von Demokraten und Republikanern fast unversöhnlich gegenüber.“
Im Willy-Brandt-Haus, der SPDBundeszentrale in Berlin, haben sich die Strategen die US-Kampagnen sehr genau angeschaut – das hat Tradition. Einst wurde Willy Brandt als „deutscher Kennedy“inszeniert. Auch die legendäre Wahlkampfzentrale „Kampa“, die Gerhard Schröder zum bislang letzten SPD-Kanzler machte, hatte Vorbilder
in den USA und bediente sich etwa bei den Strategien des demokratischen US-Präsidenten Bill Clinton. Jetzt könnte Biden zum Vorbild für Olaf Scholz werden. Doch beim Blick über den Atlantik haben die Genossen zuletzt immer besorgter das Auseinanderdriften der Gesellschaft beobachtet. Klingbeil:
„Diese Spaltung hat das Land in den letzten Monaten sehr geprägt. Es wird ein Kraftakt für Joe Biden, die Menschen wieder zusammenzubringen.“Er sei froh, sagt der Generalsekretär, dass die Verhältnisse in Deutschland nicht so zerrüttet seien: „Unser politisches Mehrparteiensystem zwingt uns bei aller inhaltlichen Auseinandersetzung immer wieder zu Kompromissen.“
Es ist kein Geheimnis, dass die Herausforderung für die SPD nach Jahren der Großen Koalition darin besteht, sich ausreichend von CDU und CSU abzugrenzen, ohne die gemeinsam erzielten Erfolge kleinzureden. Ein knallharter Konfrontationskurs wie zwischen Republikanern und Demokraten in den USA wäre da unglaubwürdig. Lars Klingbeil sagt: „Auch wenn es im Wahlkampf inhaltlich hart zur Sache gehen wird, am Ende geht es um Zusammenarbeit.“
Lehren aus dem US-Wahlkampf will die SPD dennoch mitnehmen. Genau soll analysiert werden, wie es zur historisch hohen Wahlbeteiligung kam. Auch die Erfahrungen zum digitalen Wahlkampf unter Corona-Bedingungen interessieren die Macher der SPD-Kampagne brennend. Klingbeil glaubt: „Da können wir uns einiges in der Ansprache der Wählerinnen und Wähler abgucken.“Der SPD-Generalsekretär geht nach eigenen Angaben nicht davon aus, dass im kommenden Jahr ein ganz normaler Bundestagswahlkampf möglich sein werde. Selbst in den optimistischen Szenarien wird die Corona-Pandemie wohl noch viele Monate Massenveranstaltungen unmöglich machen. Kampagnen-Chef Klingbeil: „Wir planen weniger mit großen Events auf den Marktplätzen der Republik. Das Digitale bekommt eine viel stärkere Bedeutung.“