Damit erbt, wer erben soll
Viele Menschen wollen, dass ihr Nachlass auch dem zugutekommt, den sie dafür ausersehen haben. Dafür müssen aber einige Dinge beachtet werden. Vier Notare aus unserer Region haben dazu Ratschläge rund um das Thema Erbrecht gegeben
Ein gültiges Testament kann selbst erstellt werden. Dafür muss es handschriftlich verfasst sein. Doch das Erbrecht ist dann noch immer kompliziert und unübersichtlich. Wer etwas zu vererben hat, will aber meist, dass sein Nachlass in die richtigen Hände fällt. Notare bieten hier Hilfe an und erstellen notarielle Testamente. Am Lesertelefon unserer Zeitung gaben vier Notare aus unserer Region Ratschläge rund um das Thema Erbe.
Da es mit 32000 Telefonanrufen einen ungeahnt hohen Ansturm gab, konnten unsere Experten leider nicht jeden Anruf entgegennehmen. Interessante Fragen und die Antworten fassen sie deshalb an dieser Stelle anonym zusammen.
Ich bin seit über 30 Jahren mit meinem Mann verheiratet. Wir haben keine Kinder. Unser Vermögen haben wir gemeinsam erwirtschaftet. Falls einer von uns stirbt, erbt dann der Überlebende alles?
Das ist wohl der häufigste Irrtum im Erbrecht. In Ihrem Fall würde der Erstversterbende – wenn kein Testament vorliegt – nur zu drei Vierteln vom Ehegatten beerbt. Das andere Viertel fällt den näheren Verwandten des Erstverstorbenen nach gesetzlicher Regel zu. Zuerst den Eltern, ersatzweise den Geschwistern, also Schwager oder Schwägerin des Überlebenden, oder den Nichten und Neffen. Alle bilden eine sogenannte Erbengemeinschaft und können nur gemeinsam verfügen. Es ist dringend empfehlenswert, dass sich die Ehegatten in einem notariellen Erbvertrag oder einem gemeinschaftlichen Testament wechselseitig als Erben einsetzen. Beratung ist ferner geboten, wer nach dem Tod beider Ehegatten Schlusserbe werden soll. Ist nichts bestimmt, erben dann (nur) die Verwandten des Zuletztversterbenden.
Wir gaben unserem Sohn bereits vor zwölf Jahren einen Betrag von rund 120000 Euro zum Bau seines Hauses. Geschrieben wurde damals nichts. Wir wollen, dass unsere drei Kinder wirtschaftlich gleichberechtigt sind nach unserem Tod. Was ist zu beachten?
Ohne testamentarische Ausgleichsregelung besteht die Gefahr, dass Ihrem Sohn in Ihrem jeweiligen Erbfall der gleiche Anteil am Nachlass zusteht wie seinen beiden Geschwistern, obwohl er schon etwas bekommen hat. Sie sollten eine testamentarische Regelung für beide Todesfälle treffen, in welcher – neben Ihrer eigenen Absicherung – sogenannte Vermächtnisse oder Vorausvermächtnisse zugunsten der beiden anderen Kinder getroffen werden.
Zusätzlich könnte Ihr Sohn in einer notariellen Urkunde darauf verzichten, beim Erbfall des zuerst versterbenden Elternteils Pflichtteilsansprüche geltend zu machen.
Mein Mann und ich haben nach unserer Hochzeit vor 40 Jahren ein gemeinschaftliches Testament selbst geschrieben, wonach wir uns gegenseitig und zum Schluss unsere drei Kinder als Erben eingesetzt haben. Mein Mann ist verstorben. Ich werde nun von meiner Tochter versorgt. Die beiden Söhne kümmern sich nicht um mich. Kann ich meine Tochter als Alleinerbin einsetzen?
Grundsätzlich nein: Falls in dem gemeinschaftlichen Testament kein Abänderungsvorbehalt aufgenommen wurde, ist die Schlusserbeinsetzung bindend und kann nicht mehr vom Längerlebenden geändert werden. Lediglich in dem Fall, dass Sie daran gedacht haben, einen Änderungsvorbehalt im Testament aufzunehmen, wäre die Alleinerbeinsetzung der Tochter möglich. Allerdings haben die Söhne auch dann ein Pflichtteilsrecht.
Mein Mann und ich sind jeweils in zweiter Ehe verheiratet. Jeder von uns hat Immobilien. Haben die beiden Stiefkinder meines Mannes ein Erbrecht nach meinem Tod?
An sich nicht: Falls Sie keine letztwillige Verfügung treffen, werden Sie von Ihrem Ehemann zur Hälfte und von Ihren beiden Kindern zu je einem Viertel beerbt, die dann gemeinsam eine Erbengemeinschaft bilden. Wenn dann aber später Ihr (verwitweter) Ehemann verstirbt, wird dieser nach Gesetz nur von dessen beiden Kindern beerbt. Und in dessen Nachlass befindet sich auch der Erbteil nach Ihnen. Auf diesem Wege geht die Hälfte Ihres Vermögens an Ihre Stiefkinder über. Und das gilt umgekehrt genauso, wenn Ihr Ehemann als Erster sterben würde. Erbrechtliche Regelungen bei Patchworkfamilien sind anspruchsvoll. Hierbei ist eine sachkundige Beratung dringend zu empfehlen.
Ich bin geschieden und habe zwei Söhne aus erster Ehe. Ich will demnächst heiraten, allerdings sollen meine beiden Häuser und mein Vermögen später an meine Kinder und nicht an meine künftige Ehefrau gehen. Sie ist ebenfalls vermögend. Kann ich das so regeln?
Ja, das ist möglich. Sie können mit Ihrer künftigen Ehefrau einen notariellen Pflichtteilsverzicht abschließen und durch ein Testament die beiden Söhne als alleinige Erben einsetzen. Allerdings sollten Sie auch die richtige Absicherung Ihrer künftigen Ehefrau bedenken.
Ich habe keine Immobilien und auch kein sonstiges größeres Vermögen. Mein Mann ist bereits verstorben. Kinder habe ich nicht. Mein Sparguthaben, meinen Schmuck und meine persönlichen Gegenstände soll meine Nichte bekommen und nicht meine beiden Geschwister. Ich habe aus dem Internet ein Testament ausgedruckt und unterschrieben. Reicht das?
Ihr Testament ist leider nichtig, da Sie es nicht vollständig eigenhändig geschrieben haben. Wenn Sie kein notarielles Testament machen wollen, muss das Testament vollständig eigenhändig von Ihnen geschrieben und unterschrieben sein. Ort und Tag der Errichtung des Testaments sollen hierbei angegeben sein, auch soll die Unterschrift den Vornamen und den Familiennamen enthalten.
Unsere Tochter verlangt schon heute von uns ihren Pflichtteil, um sich eine Eigentumswohnung zu kaufen. Sind wir dazu verpflichtet?
Nein, ein Pflichtteilsanspruch entsteht erst mit dem Tod des jeweiligen Elternteils. Sie können jedoch freiwillig jetzt schon einen Betrag schenken, wenn Ihre Tochter dafür auf ihren Pflichtteil nach den Eltern verzichtet. Dies ist nur wirksam, wenn es notariell beurkundet wird. Dies ist wichtig, weil bei einer Schenkung ohne solche Regelung dieses Kind nach dem Tod erneut einen Pflichtteilsanspruch hätte.
Meine Frau und ich haben zwei gemeinsame Kinder, die unser Vermögen erben sollen. Brauchen wir überhaupt ein Testament?
Ohne Testament gilt die gesetzliche Erbfolge. Wenn Sie oder Ihre Frau sterben, würde der überlebende Partner gemeinsam mit den Kindern in einer Erbengemeinschaft erben. Der Überlebende könnte somit ohne das Einverständnis der Kinder nicht mehr über das gemeinsame Vermögen verfügen. Das lässt sich durch ein Testament oder einen Erbvertrag vermeiden. Pflichtteilsansprüche der Kinder bestehen trotzdem.
Ich bin Mitinhaber eines größeren Unternehmens. Nur eines meiner Kinder soll die Beteiligung an der Gesellschaft erben. Ist das möglich?
Ja, sie können dieses Ziel erreichen. Allerdings genügt es hierzu nicht, ein Testament zu verfassen. Sie müssen vielmehr auch aufpassen, dass die Satzung der Gesellschaft Ihre Nachfolgevorstellungen zulässt. Bei Betriebsvermögen und bei Gesellschaftsbeteiligungen ist allerdings dringend vorher eine individuelle fachliche Beratung einzuholen.
Macht es eigentlich einen Unterschied, ob mein Kind neben meiner Frau erbt oder lediglich seinen Pflichtteil bekommt?
Falls das Kind Erbe ist, ist es unmittelbar am Nachlass beteiligt. Das heißt, das Kind ist Mitglied der Erbengemeinschaft. Damit kann Ihre Frau Verfügungen nur gemeinsam mit dem Kind treffen. Im Gegensatz hierzu ist der Pflichtteilsberechtigte nicht unmittelbar am Nachlass beteiligt, er ist nicht Mitglied der Erbengemeinschaft. Der Pflichtteilsberechtigte hat nur einen Geldanspruch gegen den oder die Erben. Dieser Geldanspruch beträgt nur die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
Mein Ehemann hat aus seiner ersten Ehe einen Sohn, zu dem kein gutes Verhältnis besteht. Was kann ich tun, damit das Vermögen, das mein Ehemann von mir erben soll, später nicht an dessen Sohn geht? Ich möchte, dass mein Vermögen nach dem Tod meines Ehemannes an eine gemeinnützige Einrichtung geht, soweit mein Ehemann es nicht verbraucht.
Sie können zum Beispiel Ihren Ehemann als einen von den gesetzlichen Beschränkungen soweit wie möglich befreiten Vorerben auf Lebenszeit und die gemeinnützige Einrichtung als sogenannten Nacherben einsetzen. Die Vor- und Nacherbfolge ist allerdings kompliziert und sollte mit einem Notar besprochen werden.
Mein Mann ist vor kurzem verstorben. Er hatte mich zur Alleinerbin eingesetzt. Ich möchte jetzt als Eigentümerin des Reihenhauses, in dem wir seit 40 Jahren leben, eingetragen werden. Der Erbschein dazu ist sehr teuer, er kostet 1270 Euro. Geht es ohne Erbschein?
Wenn Ihr Mann nur ein privatschriftliches Testament gemacht hat, müssen Sie leider trotz der Kosten den Erbschein beantragen, andernfalls können Sie nicht im Grundbuch als Eigentümer eingetragen werden. Falls Ihr Mann allerdings ein notarielles Testament errichtet hat, wären an Gesamtkosten für Notar und gerichtlicher Hinterlegung und Eröffnung insgesamt nur circa 1000 Euro angefallen.
Welche Vorteile hat ein notarielles Testament, wenn ich doch genauso gut handschriftlich ein Testament verfassen kann?
Der Notar formuliert Ihren Willen so, dass nach dem Erbfall kein Streit darüber entsteht, was Sie gemeint haben. Der Notar weist Sie außerdem auf mögliche Probleme hin, die aufgrund Ihrer Familien- und Vermögensverhältnisse eintreten könnten und bei der Erbregelung berücksichtigt werden sollten. Auch wenn ein Testament nur eine einfache Alleinerbeinsetzung enthält, hat das notarielle Testament gegenüber dem handschriftlichen Testament den Vorteil, dass der Erbe zum Nachweis seiner Erbenstellung gegenüber Banken und Grundbuchamt keinen Erbschein benötigt. Die Kosten für einen Erbschein betragen meist knapp das Doppelte der Kosten für ein notarielles Testament. Bei Immobilienbesitz ist daher das Selbstschreiben des Testaments oft die teuerste Variante.
Wie kann ich sicherstellen, dass mein handschriftliches Testament nicht von Unbefugten vernichtet wird, bevor es nach dem Erbfall zur Eröffnung an das Nachlassgericht gegeben wird?
Auch ein handschriftliches Testament kann vor dem Erbfall dem örtlichen Amtsgericht zur Aufbewahrung gegeben werden. Die Kosten dafür betragen einmalig 75 Euro. Der spätere Erbfall wird über die Gemeinde des Sterbeortes und das Zentrale Testamentsregister in Berlin automatisch dem Nachlassgericht
gemeldet, das dann von Amts wegen das Testament eröffnet und die Erben informiert.
Ich habe die österreichische Staatsangehörigkeit, lebe aber inzwischen in Deutschland. Gilt für meinen Erbfall nun deutsches Erbrecht? Gilt dies auch für Grundbesitz, den ich noch in Österreich besitze?
Die meisten EU-Staaten halten aufgrund der EU-Erbrechtsverordnung im Regelfall den letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort des Erblassers für maßgeblich: Lebte der Erblasser in Deutschland, gilt deutsches Erbrecht. Im geschilderten Fall gilt daher sowohl aus deutscher als auch aus österreichischer Sicht deutsches Erbrecht.
Ich habe ein behindertes Kind. Wie kann ich erreichen, dass der Erbteil meines Kindes nicht vom Staat beansprucht wird, um staatliche Leistungen für mein Kind zu kürzen?
Egal ob das behinderte Kind erbt oder auf den Pflichtteil verwiesen wird: Staatliche Leistungen zum Lebensunterhalt des Kindes werden gekürzt, bis das geerbte Vermögen oder der Pflichtteil nahezu vollständig aufgebraucht sind. Durch die testamentarische Anordnung einer Testamentsvollstreckung sowie einer Vor- und Nacherbfolge kann jedoch erreicht werden, dass der dem behinderten Kind vererbte Erbteil für solche Ausgaben des Kindes verwendet wird, die der Staat dem Kind nicht bezahlt, zum Beispiel Urlaubsreisen, Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke. Die Testamentsgestaltung hierfür ist jedoch sehr kompliziert und sollte nicht ohne Notar oder spezialisierten Rechtsanwalt vorgenommen werden.
Wir sind verheiratet und haben zwei Kinder. Leider haben wir seit Jahren keinen Kontakt. Jetzt wollen wir ein Testament errichten und nach dem Tod des Längerlebenden das Vermögen wohltätigen Zwecken zuführen. Können die Kinder Pflichtteilsansprüche geltend machen, obwohl wir seit Jahrzehnten keinen Kontakt haben?
Ja, die Kinder können tatsächlich bei beiden Todesfällen Pflichtteilsansprüche geltend machen. Eine Pflichtteilsentziehung ist nur unter ganz engen Voraussetzungen möglich, zum Beispiel falls der Berechtigte dem Erblasser oder dessen Familie nach dem Leben trachtet oder sich eines Verbrechens bzw. eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen diese schuldig macht oder böswillig seine Unterhaltspflichten verletzt. Lieblosigkeiten oder der Abbruch des Kontakts reichen nicht aus.