Donau Zeitung

Was passierte in der Dillinger Kaserne?

Ein Soldat steht vor Gericht, weil er auf seiner Stube eine Frau vergewalti­gt haben soll. Doch die Zeugenauss­agen sind widersprüc­hlich

- VON DOMINIK BUNK

Dillingen Diese Nacht werden die vier Beteiligte­n wohl nicht mehr vergessen: Angefangen hatte alles eines Abends im vergangene­n November in einer Dillinger Bar. Ein Soldat der Luitpoldka­serne war mit einem Kameraden weg. Sie trafen zwei junge Frauen. Es entwickelt­e sich zu einem feucht-fröhlichen Abend. Doch dieser nahm eine ungute Wendung. Während die Nacht für die beiden Männer auf ihrer Stube endete, landeten die Frauen im Augsburger Unikliniku­m.

Um die genauen Vorfälle von damals ging es nun vor dem Dillinger Amtsgerich­t. Dem angeklagte­n, damals 25-jährigen Soldaten wurde Vergewalti­gung vorgeworfe­n. Doch von Anfang an: Die beiden Soldaten trafen die Frauen in besagter Bar. Die damals 18-jährige Fitnesstra­inerin, die im Prozess als Geschädigt­e und als Nebenkläge­rin auftrat, und ihre Freundin kannten den Kameraden des Angeklagte­n bereits, weshalb sie den Abend zusammen verbrachte­n. Wie die Beteiligte­n im Zeugenstan­d erklärten, verstanden sich der Angeklagte und die Nebenkläge­rin sehr gut. So spielten sie wohl ein Spiel, bei dem sie sich als Paar ausgaben. Dabei küssten sie sich des Öfteren.

Weit nach Mitternach­t gingen die beiden Soldaten und die jungen Frauen getrennt voneinande­r nach Hause. Rund zwei Stunden später rief die Geschädigt­e den Angeklagte­n an, ob sie mit ihrer Freundin noch in der Kaserne vorbeischa­uen könne. Die Soldaten holten sie daraufhin ab. Auf der Stube angekommen ging der Abend mitsamt anzügliche­r Spiele auf dem Smartphone weiter. Während sich die Aussagen der Beteiligte­n bis zu diesem Punkt noch deckten, wichen sie von da an prägnant voneinande­r ab.

In seiner Aussage beschrieb der Angeklagte etwa ein Szenario, bei dem die Nebenkläge­rin seine Hand genommen und auf ihre nackte Brust gelegt habe. Hintergrun­d sei eine Frage im Spiel gewesen, bei der die 18-Jährige sagen sollte, was sie an sich ändern wolle. Die Antwort: „Ihre Brüste.“Zu Demonstrat­ionszwecke­n, so der Angeklagte, habe sie seine Hand wie beschriebe­n manövriert. Die Geschädigt­e jedoch erklärte bei ihrer Aussage, es wäre auf der Stube nicht mehr zu „pärchenähn­lichen“Handlungen gekommen. Ihre Freundin bestätigte dies zunächst, später erklärte sie jedoch, dass es durchaus hätte so gewesen sein können, wie der Angeklagte behauptete. Dessen Kamerad sagte aus, sie hätten sich in der Kaserne noch wie ein Paar benommen. An die Hand auf der Brust könne er sich jedoch, wie die Geschädigt­e auch, nicht erinnern. Ein anderer Soldat, der die 18-Jährige beim Rauchen traf, sagte aus, dass sich die junge Frau und der Angeklagte sehr nahe gewesen seien.

Als sich der damals 25-jährige Zeitsoldat und die junge Frau später schlafen legten, habe die damals 18-Jährige ihm klar machen wollen, dass sie nicht mit ihm im selben Bett schlafen wolle, sagte sie dem Gericht.

Der Angeklagte wiederum behauptete, dies nicht wahrgenomm­en zu haben. Somit hätten sie sich in Löffelchen­stellung hingelegt.

Wie die Nebenkläge­rin aussagte, habe der Angeklagte schließlic­h angefangen, sie zu „betatschen“. Zunächst streichelt­e er wohl ihren Po. Dann habe er versucht, mit seinen Fingern weiter „nach vorne“zu kommen. Irgendwann drang er wohl in sie ein. Die junge Frau habe seine Hand weggezogen, sich jedoch nicht getraut, ihm nochmals zu sagen, dass sie nicht mit ihm im Bett schlafen wolle. Sie habe aber gedacht, ihre Geste wäre eindeutig gewesen. Daraufhin sei sie eingeschla­fen, einige Zeit später aber wieder aufgewacht: „Dann war er in mir. Ich war danach sofort unzurechnu­ngsfähig“, erklärte sie vor Gericht. Zu ihrer Freundin habe sie dann aufgeregt gesagt: „Wir gehen. Das lass’ ich nicht mit mir machen, der darf das nicht.“Danach sei sie auf den Flur gerannt und dort einem anderen Soldaten begegnet. Dieser alarmierte daraufhin die Polizei.

Aus Sicht des Angeklagte­n war es jedoch anders: Er habe zu keinem Zeitpunkt das Gefühl gehabt, dass sie dagegen gewesen wäre. Er sei lediglich mit dem Finger in sie eingedrung­en, nicht mit dem Penis. Das sei wegen des kleinen Betts gar nicht möglich gewesen. Aus seiner Sicht sprang die Geschädigt­e irgendwann auf und schrie ihn an, während er nicht gewusst habe, warum. Die Freundin der Geschädigt­en hatte zuvor bei der Polizei ausgesagt, dass

beiden sich vor dem Schlafenge­hen im Bett geküsst und gekuschelt hätten. Im Zeugenstan­d erklärte sie der Richterin wiederum, dass sie keine Küsse gehört habe.

Laut der Freundin sagte der Angeklagte zur Geschädigt­en nach dem Vorfall: „Es tut mir so leid, so war das nicht gemeint.“Sie meinte zudem, dass er die Bettdecke dabei in der Hand gehabt hätte, die später in seinem Auto sichergest­ellt wurde, wie einer der befragten Polizisten erklärte.

Nachdem die Polizei eintraf, wurden die beiden Frauen mit dem Rettungswa­gen ins Universitä­tsklinikum Augsburg gebracht. Dort wurde die 18-Jährige laut der behandelnd­en Ärztin gynäkologi­sch untersucht. In ihrer Scheide habe man DNA des Angeklagte­n nachgewies­en, jedoch nicht feststelle­n können, ob diese von seinem Penis oder Finger stammte.

Die Staatsanwä­ltin Melanie Koch plädierte auf Freispruch. Zu groß seien die Abweichung­en in den Zeugenauss­agen, welche sich auch im Vergleich mit den Vernehmung­en bei der Polizei kurz nach der Tat stark geändert hätten. Auch Georg Zengerle, der Verteidige­r des Angeklagte­n, war dieser Meinung. Im Falle einer Verurteilu­ng verlangte er zudem Einsicht in die Unterlagen der Ärzte, die die Nebenkläge­rin wegen ihrer schweren Depression­en betreut hatten. Sie war 2018 in stationäre­r Behandlung.

Die Anwältin der Nebenkläge­rin und Geschädigt­en, Marion Zech, erklärte, sie glaube ihrer Mandantin. Es gebe für sie keinen Grund zu lügen, da sie den Angeklagte­n neu kennengele­rnt hatte. Zudem erklärte ein zuständige­r Kriminalpo­lizeibeamt­er, dass sie für ihn glaubhaft wirkte, trotz der vielen Ungereimth­eiten. Zech plädierte für eine Verurteilu­ng. Das Strafmaß sei dabei egal, ihrer Mandantin solle nur geglaubt werden.

Richterin Gabriele Held sprach den Angeklagte­n nach insgesamt elf Stunden Verhandlun­g und Beratung mit den Schöffen frei. Die vielen Unstimmigk­eiten in den Aussagen der Hauptzeuge­n hätten nicht sicher bestätigen können, dass das alles gegen den Willen der jungen Frau geschehen sei. Die Entscheidu­ng wird innerhalb einer Woche rechtskräf­tig, zuvor kann die Nebenkläge­rin noch Rechtsmitt­el einlegen.

 ?? Foto: Berthold Veh (Archiv) ?? Ein Mann, damals Zeitsoldat in Dillingen, soll 2019 eine junge Frau auf seiner Stube vergewalti­gt haben. Doch die vielen Zeugen behaupten alle etwas anderes.
Foto: Berthold Veh (Archiv) Ein Mann, damals Zeitsoldat in Dillingen, soll 2019 eine junge Frau auf seiner Stube vergewalti­gt haben. Doch die vielen Zeugen behaupten alle etwas anderes.

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