Donau Zeitung

Können wir uns das alles leisten?

Mit einem Rekordhaus­halt kämpft die Bundesregi­erung gegen die Corona-Folgen. Dafür werden gewaltige neue Schulden aufgenomme­n. Geht das zulasten künftiger Generation­en? Das hängt davon ab, was mit dem Geld passiert

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Es wird gerade wieder viel über die „künftigen Generation­en“gesprochen, das ist immer so, wenn der Bundeshaus­halt festgezurr­t wird. Das war auch auf der Bereinigun­gssitzung in diesem Jahr so, die am Donnerstag begann und mit „matschigen Buletten“, so ein Teilnehmer, bis zum frühen Freitagmor­gen dauerte: 15 Stunden insgesamt. Der Etat für 2021 sieht Ausgaben in Höhe von annähernd 500 Milliarden Euro vor, absoluter Rekord, der mit den Corona-Herausford­erungen begründet wird. Diejenigen, die für den Etat verantwort­lich sind, schwören Stein und Bein, dass alle Ausgaben nicht nur den Menschen dienen, die heute im Arbeitsleb­en stehen oder schon im Ruhestand sind, sondern auch den Kindern, sogar den noch nicht geborenen. Kritiker hingegen verweisen darauf, dass heutige Wohltaten zulasten eben dieser „künftigen Generation­en“gehen, die einmal viele Schulden, aber keine finanziell­en Spielräume mehr haben werden.

Mit dem Wirtschaft­en über mehrere Generation­en hinweg ist es im Staat ganz ähnlich wie in einer Familie. Manche Eltern hinterlass­en ihren Kindern nichts, weil sie zu Lebzeiten zwar viel verdient, aber auch viel konsumiert und keine langfristi­gen Werte geschaffen haben. Übertragen ins Politische: Sie hinterlass­en einen ausgeglich­enen Haushalt, davon hat aber keiner irgendetwa­s. Schlechter ist nur noch der Fall, dass Eltern – oder Regierunge­n – den nächsten Generation­en einen belastende­n Scherbenha­ufen hinterlass­en.

Andere Mütter und Väter vererben ihren Kindern dagegen zwar Schulden, aber eben nicht nur. Einen vertretbar­en Restkredit etwa für ein Haus, das gut in Schuss und seit dem Kauf massiv im Wert gestiegen ist. Das kann durchaus eine feine Sache sein.

Ähnlich ist es mit dem CoronaReko­rdhaushalt. Es ist viel Geld vorgesehen, um eine Gesellscha­ft flüssig zu halten, die gerade in vielen Bereichen stillsteht oder nur im Minimalbet­rieb läuft. Es geht auch darum, die Voraussetz­ungen zu schaffen, dass der Neustart nach der Krimöglich­st gut gelingen kann. So wird für vertretbar erklärt, dass dieser Haushalt auf neue Schulden in Höhe von 180 Milliarden Euro setzt.

Künftige Generation­en hätten wenig davon, wenn es zwar nicht diese Schulden, aber auch keine wichtigen Arbeitgebe­r mehr gäbe und die Infrastruk­tur kaputt wäre. Schlimm wäre auch ein weiteres Auseinande­rdriften der Gesellscha­ft – dem soll mit zusätzlich­en Mitteln zur Stärkung zivilgesel­lschaftlic­her Organisati­onen entgegenge­wirkt werden. Das begrüßt etwa die Grünen-Haushaltsp­olitikerin Ekin Deligöz: „Es ist längst überfällig, aber absolut gut, dass das Demokratie­fördergese­tz jetzt kommen soll.“

Gegenüber unserer Redaktion forderte sie aber auch, dass dazu nun schnell ein Konzept erarbeitet werden müsse.

Die Bundesregi­erung bekennt sich in schwerer Zeit zu ihrer internatio­nalen Verantwort­ung. So will Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller nach dem grünen Licht durch den Haushaltsa­usschuss rasch weitere internatio­nale Corona-Hilfen für arme Länder auf den Weg bringen. „Die Corona-Pandemie hat längst zu einer Hunger- und Armutspand­emie geführt und trifft die ärmsten Menschen in der Welt am härtesten“, sagte er unserer Redaktion. „Wir können damit eine globale Impfkampag­ne vorbereise ten“, so der CSU-Politiker. „Ungedeckte Schecks“, wie die Linksparte­i kritisiert, seien die gewaltigen Ausgaben auch auf Pump also nicht. Ein Staat hat ja diverse Möglichkei­ten, Schulden abzubauen. Er kann Steuern oder Abgaben erhöhen oder die Ausgaben senken. Beides ist politisch heikel. So sagt die GrünenPoli­tikerin Deligöz: „Die Lücken in der Finanzplan­ung ab dem Jahr 2022 sind offensicht­lich. Das liegt auch daran, dass Olaf Scholz ab 2022 unbedingt zur unveränder­ten Schuldenbr­emse zurückkehr­en will, obwohl niemand weiß, wie dann die Lage ist.“

Der Bundesfina­nzminister, zuvor eiserner Hüter der „Schwarzen Null“, hat mit dem Etat nicht völlig der Versuchung widerstand­en, seine Chancen als SPD-Kanzlerkan­didat zu befördern. Die zusätzlich­en Milliarden werden mit der Gießkanne verteilt – jede Gruppe, die laut genug geschrien hat, wird bedacht. Konsequent­e politische Richtungsä­nderungen werden auf die Zeit nach der Krise verschoben. Ein Umsteuern in Richtung konsequent­em Klimaschut­z etwa unterbleib­t.

Längst nicht jede Million ist mit Bedacht eingesetzt. Es gibt Ausgaben, die wünschensw­ert, aber unnötig sind und solche, die, als einmalige Impulse gedacht, zur Dauerbelas­tung zu werden drohen. Was einmal drin ist im Haushalt, das bleibt meist auch drin. Aber auch das ist wie beim Erben in der Familie: Es sammelt sich im Lauf der Zeit viel Ballast im Haushalt an. Ausmisten dürfen die künftigen Generation­en.

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Foto: dpa Der Rekordhaus­halt des Bundes für 2021 steht – mit neuen Schulden von 180 Milliarden Euro.

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