Donau Zeitung

Ein Leben lang am Ball

Erst war Dieter Lang ein außergewöh­nlicher Fußballer des FC Gundelfing­en, dann sammelte er als Tennisspie­ler Titel um Titel. Selbst mit 78 Jahren treibt er noch täglich Sport

- VON WALTER BRUGGER

Als die Landesliga-Fußballer des FC Gundelfing­en an diesem Sommertag im August 1985 ihre Kabine im Keller des Sportheims verließen und die Treppen Richtung Spielfeld beim BC Aichach hinaufstie­gen, blickte ein älterer Besucher in Richtung der Gundelfing­er Nummer zehn. „Das ist der Lang, der ist gut. Gegen den hab’ ich früher auch gespielt“, meinte der Aichacher voll Hochachtun­g zu seinem Begleiter. Die Krux war nur, dass da gar nicht Dieter Lang im FCG-Trikot steckte, sondern ein blutjunger Spieler, der sich gerade erst aufmachte, einen ähnlichen Status bei den Gärtnerstä­dtern zu erreichen: der 20-jährige Stefan Anderl.

Dieter Lang muss Schmunzeln, wenn er diese Geschichte hört und kann auch gleich die Erklärung für die Verwechslu­ng liefern: „Ich hatte auch schon sehr früh meine Haare verloren, ähnlich wie Stefan. Wir haben auch nie zusammenge­spielt, da war der Altersunte­rschied doch zu groß.“Im Sommer 1977 war Lang als Spielertra­iner der Gärtnerstä­dter abgetreten, in der Saison 1979/80 startete er nochmals für acht Partien ein Comeback auf dem Rasen. „Weil die Mannschaft tief im Abstiegska­mpf steckte“, wie sich Lang erinnert. Zu dem Zeitpunkt hatte er schon zahlreiche Auszeichnu­ngen bekommen, war beim FCG zum Ehrenspiel­führer ernannt worden und für 1000 Spiele im grün-weißen Trikot geehrt worden. „Die Zahl ist vielleicht etwas hoch gegriffen, da hat Theo Flemisch eher geschätzt. Aber 800 Spiele waren es sicher“, so Lang, der mit 16 Jahren schon seine ersten Einsätze in der „Ersten“hatte und als 17-Jähriger Stammkraft war. „Obwohl ich zu der Zeit kaum trainieren konnte, weil ich in Augsburg eine Ausbildung machte und es damals unmöglich war, bei einem anderen Verein ins Training zu gehen“, erinnert sich der mittlerwei­le 78-Jährige.

Selbst ohne regelmäßig­es Training wuchs Lang schnell in die Rolle als Leistungst­räger rein, was sein in die Wiege gelegtes Talent mehr als unterstrei­cht. „Dieter war in der Zeit unser Bester. Er hätte als erster Gundelfing­er den Sprung in die Bundesliga schaffen können“, erinnert sich Viktor Merenda, heute Vorsitzend­er des FCG und zehn Jahre lang Mitspieler von Dieter Lang. Mit der Einschätzu­ng steht Merenda nicht allein da, wie sich im Herbst 1967 zeigen sollte. Da trat der TSV 1860 München zum Ablösespie­l für den gerade aus Gundelfing­en zu den Löwen gewechselt­en Wolfgang Lex im Schwabenst­adion an. Die Münchner, ein Jahr zuvor deutscher Meister, hatten kurz zuvor – auch durch ein Tor von Lex – den Schweizer Topklub Servette Genf im Uefa-Pokal ausgeschal­tet und standen vor dem Duell mit dem FC Liverpool. Kultkeeper Petar Radenkovic sowie die Nationalsp­ieler Peter Grosser und Rudi Brunnenmei­er lockten rund 6000 Besucher ins Schwabenst­adion, die einen 3:0-Sieg der Löwen sahen. Hinterher meinte 1860-Coach Albert Sing angesichts der Gegenwehr von Lang & Co.: „Warum haben wir den Platterten eigentlich nicht geholt?“

Einmal war Lang schon höherklass­ig gewechselt, zur Saison 1964/65 hatte er sich dem BC Augsburg angeschlos­sen. Der Vorgänger des FC Augsburg war gerade aus der Regionalli­ga abgestiege­n, der damals zweithöchs­ten Spielklass­e, und stellte ein neues Team zusammen. Ein Kandidat war Gerd Müller, der die Nördlinger in die Landesliga geschossen hatte. „Die meinten damals aber, er soll noch ein Jahr in Nördlingen bleiben“, weiß Lang zu berichten. Ein paar Tage später wechselte der Torjäger in die Regionalli­ga – zu Bayern München, wo er später Weltruhm erlangen sollte. Und Lang schloss sich dem BCA an.

war schon eine gewaltige Umstellung für mich. In Augsburg haben wir viermal trainiert, das war komplett ungewohnt und mir wurde manchmal richtig schwarz vor Augen“, gesteht der Gundelfing­er. Erschweren­d kam noch hinzu, dass sich Spieler nicht erst über Kurzeinsät­ze herantaste­n konnten, denn Auswechslu­ngen waren zu der Zeit noch nicht erlaubt. Entweder stand man in der Startforma­tion oder blieb ohne Einsatz. Sieben Mal durfte Lang im Bayernliga-Team an der Seite von Uli Biesinger ran. Der war eine Ausnahmeer­scheinung, schließlic­h gehörte Biesinger 1954 zum Aufgebot der deutschen Nationalma­nnschaft und durfte sich Weltmeiste­r nennen, obwohl er beim „Wunder von Bern“ohne Einsatz blieb. „Er war ein feiner Kerl, ich habe mich mit ihm gut verstanden“, berichtet Dieter Lang über den ehemaligen Nationalsp­ieler – und schickt hinterher: „Aber das muss man sich in der heutigen Zeit erst einmal vorstellen: Weltmeiste­r Biesinger arbeitete als Amtmann bei der Stadt in Vollzeit, um seinen Lebensunte­rhalt zu verdienen.“

Auch für Dieter Lang hatte die Ausbildung Vorrang, selbst Profifußba­ller verdienten im Vergleich zu heute nur ein kleines Handgeld. „Ein bisschen was hat mir der BCA bezahlt und die Hälfte zu einem Auto dazugegebe­n. Ich hatte einen Lloyd, damit konnte ich mich nach Meinung der Verantwort­lichen aber dort nicht sehen lassen“, verrät Dieter Lang schmunzeln­d. Als sich der junge Student so langsam an das Niveau gewöhnt hatte und auf mehr Einsätze hoffen durfte, kam aber wieder Theo Flemisch ins Spiel. Der war Vorsitzend­er beim FCG und überredete den damals 22-Jährigen zur Rückkehr. „Im Nachhinein war es wohl mein größter sportliche­r Fehler“, räumt Lang ein, denn der BC Augsburg wurde nach seinem Abschied Bayernliga-Meister und kehrte ins Profilager zurück, in die Regionalli­ga. Während Lang mit dem FCG in der damals noch eingleisig­en schwäbisch­en Bezirkslig­a vergeblich um den Aufstieg in die Landesliga, damals die vierthöchs­te Liga, kämpfte. „Wir waren ein paar Mal knapp dran. Ganz bitter war es 1969. Da hatten wir das alles entscheide­nde Spiel beim Aufsteiger FC Lauingen. Ich habe gegen Norbert Fischer im FCL-Tor zwei Eck„Es bälle direkt verwandelt, trotzdem haben wir 4:5 verloren und die Lauinger sind Meister geworden“, blickt Lang zurück. Zwei Jahre später gelang den Grün-Weißen dann ebenfalls der Sprung in die Landesliga – und im Herbst 1972 übernahm der torgefährl­iche Spielmache­r eine Rolle, die er eigentlich nie übernehmen wollte: die des Spielertra­iners. Ähnlich wie bei der Rückkehr aus Augsburg, als ihn Flemisch überredet hatte, konnte er auch diesmal dem Drängen von Abteilungs­leiter Hans Anderl nicht widerstehe­n. Lang übernahm die Doppelfunk­tion und hatte viereinhal­b Jahre lang das Sagen. Länger hat seitdem kein FCG-Coach ununterbro­chen als Trainer gearbeitet. Und vielleicht wäre er es sogar noch länger im Amt geblieben, wenn nicht der Tennisspor­t eine immer wichtigere Rolle in Langs Freizeit eingenomme­n hätte. „Ich habe Hans Anderl gesagt, dass ich beim unwichtige­n letzten Saisonspie­l wegen eines Tennismatc­hes fehlen werde. Der meinte, dass er eh schon mit Xaver Waldmann gesprochen hatte, ob der nicht künftig den Trainer macht. Ich habe mir gedacht: Gott sei Dank! Und war sofort einverstan­den“, so Lang, für den die Trainerkar­riere damit abgeschlos­sen war. Obwohl der Bayernligi­st FC Memmingen durch die Vereinsiko­ne Kurt Kramer den

Gundelfing­er noch unbedingt ins Allgäu locken wollte.

Fußball spielte für Lang, der beruflich bei der Telekom im Fernmeldea­mt des Landkreise­s Günzburg beschäftig­t war, nach seiner langen FCG-Zeit und zahlreiche­n Auftritten in der schwäbisch­en Bezirksund der damals ebenfalls häufig aktiven Landesliga-Süd-Auswahl fortan nur noch eine Nebenrolle. Wie bei Promispiel­en mit den Günzburger Landkreis-Stolperern rund um den späteren Bundesfina­nzminister Theo Waigel, der das Team schon mal vom Fliegerhor­st Leipheim in die damalige Bundeshaup­tstadt Bonn fliegen ließ, um dort gegen die Bundestags-Auswahl anzutreten. Oder wenn Lang beim FC Schmiere auflief, das von der Reporter-Legende Sammy Drechsel mit Kabarettis­ten der Münchner Lach- und Schießgese­llschaft, darunter Dieter Hildebrand­t, ins Leben gerufene Hobbyteam. Wobei Dieter Lang gar nicht so recht weiß, wie er überhaupt zu der Ehre kam.

Sportlich stand Lang seit den späten 1970er Jahren aber vornehmlic­h auf dem roten Sandplatz, weshalb selbst seine beiden Söhne kaum glauben können, dass ihr Vater ein so bekannter Kicker war. Belege dafür hatte Dieter Lang nie gesammelt. Stattdesse­n ließ er Taten sprechen. Sein Bewegungst­alent und Ballgefühl zahlte sich auch im Tennis schnell aus. Wie oft Dieter Lang Dillinger Landkreism­eister wurde, kann er gar nicht mehr nachvollzi­ehen. 17 Titel waren es sicher, bei den Senioren triumphier­te er zehn Mal in Folge – und 1987 durfte er sich sogar schwäbisch­er Seniorenme­ister nennen. Auch als Tennisspie­ler verließ Lang zwischendu­rch mal den FCG – und gewann 2007 mit den „Herren 65“des TC Giengen die württember­gische Mannschaft­smeistersc­haft. Selbst heute ist Lang noch immer mit dem Schläger aktiv – und ist bei den „Herren 60“regelmäßig­er Punktelief­erant für die Grün-Weißen.

Der Sport hält den Senior weiterhin gesund, was gerade in CoronaZeit­en nicht unwichtig ist. Dazu gehört neben Tennis das tägliche Schwimmen im eigenen Pool, das Radfahren ohne Elektroant­rieb, wie Lang ausdrückli­ch betont – und zwischendu­rch das Golfen. Wobei der 78-Jährige trotz des zwischenze­itlichen Handicaps von 8,6 mit dem Golfschläg­er eher selten unterwegs ist. „Meine Frau ist da deutlich aktiver“, gesteht er ein. Die Freizeit nutzt der nach wie vor fitte Senior, um seine Nachfolger auf dem Fußballpla­tz zu beobachten. Bei den Landesliga-Heimspiele­n des FCG gehört Dieter Lang regelmäßig zu den Besuchern und würde sich über den Bayernliga-Aufstieg freuen. Selbst wenn er einräumt, „dass mir der Fußball inzwischen zu sehr taktisch geprägt ist, das Tempo eine immer größere Rolle spielt und beispielsw­eise tolle Dribbler kaum noch zu sehen sind. Das ist aber nicht auf den FCG gemünzt, das ist eine allgemeine Entwicklun­g.“

Über den aktiven Sport hinaus engagiert sich Dieter Lang auch ehrenamtli­ch. Schon seit den 80er Jahren gehört er dem Vorstand seines FC Gundelfing­en in verschiede­nen Funktionen an, aktuell kümmert er sich um die Mitglieder­verwaltung. Und um die Tennishall­e. Da managt er alles, was anfällt, seit der Verein in den 90er Jahren das Gebäude in Eigenregie übernommen hat. Wobei Dieter Lang zurzeit mehr Arbeit damit hat als üblich, was an der Pandemie liegt. „Die Halle war gut ausgebucht, durch die staatliche­n CoronaAufl­agen mussten wir sie allerdings sperren und hängen total in der Luft. Ich bekomme jeden Tag Anfragen, wie es mit den Tennis-Abos weitergeht – und habe keine Antwort. Dabei braucht der Verein die Einnahmen dringend für den Unterhalt.“Und Lang würde auch allzu gerne selbst den Tennisschl­äger schwingen, denn die ohnehin schon bis Mitte November verlängert­e Freiluftsa­ison ist witterungs­bedingt beendet.

„Warum haben wir den Platterten eigentlich nicht geholt?“

Albert Sing, Trainer 1860 München

 ?? Foto: Walter Brugger ?? Schwingt mit 78 Jahren immer noch fleißig den Tennisschl­äger: der ehemalige Spieler und Trainer der Gundelfing­er FC‰Fußballer Dieter Lang.
Foto: Walter Brugger Schwingt mit 78 Jahren immer noch fleißig den Tennisschl­äger: der ehemalige Spieler und Trainer der Gundelfing­er FC‰Fußballer Dieter Lang.
 ?? Foto: Theo Flemisch ?? Das damalige Bezirkslig­a‰Team des FC Gundelfing­en vor dem Ablösespie­l für Wolfgang Lex gegen den Bundesligi­sten 1860 Mün‰ chen am 15. Oktober 1967: (von links) Trainer Pfeiffer, Dieter Lang, Helmut Bahmann, Georg Kränzle, Hans Anderl, Walter Resch, Georg Neumann, Anton Walter, Viktor Merenda, Werner Haas, Xaver Waldmann, Helmut Peter.
Foto: Theo Flemisch Das damalige Bezirkslig­a‰Team des FC Gundelfing­en vor dem Ablösespie­l für Wolfgang Lex gegen den Bundesligi­sten 1860 Mün‰ chen am 15. Oktober 1967: (von links) Trainer Pfeiffer, Dieter Lang, Helmut Bahmann, Georg Kränzle, Hans Anderl, Walter Resch, Georg Neumann, Anton Walter, Viktor Merenda, Werner Haas, Xaver Waldmann, Helmut Peter.

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