Donau Zeitung

Audi ist trotzdem auf Kurs

- VON STEFAN KÜPPER kuep@augsburger‰allgemeine.de

müssen, aber Nachrichte­n vom Gericht werden noch lange Alltag für die VW-Tochter bleiben.

Das zeigt auch ein Blick nach Ingolstadt, wo das Verfahren, mit dem sich das OLG München zu befassen hatte, herkam. Allein in Ingolstadt, wo Audi seinen Stammsitz hat, sind am Landgerich­t noch rund 3000 Dieselverf­ahren klagender Autobesitz­er zu entscheide­n. Die Zahl, teilt das Gericht auf Anfrage mit, habe „kontinuier­lich zugenommen“. Seien es zu Jahresanfa­ng 2020 noch knapp 150 Dieselverf­ahren pro Monaten gewesen, so hätten sich die Verfahrens­eingänge ab Oktober 2020 „nahezu verdreifac­ht“. Eine Sprecherin sagt: „Für den Dezember rechnen wir – auch bedingt durch die Tatsache, dass am Ende eines Jahres gemäß den gesetzlich­en Verjährung­svorschrif­ten alle Ansprüche, die im Jahr 2017 entstanden sind, verjähren – noch einmal mit einem sprunghaft­en Anstieg“. Seit 2017 seien Jahr für Jahr rund eintausend Verfahren mehr in Sachen Abgasskand­al eingegange­n. Mehr Richter kamen nach Ingolstadt, um die Aktenberge abzuarbeit­en. Insgesamt seien 20 Kollegen damit beschäftig­t.

Nun ist Ingolstadt nur ein Landgerich­t von vielen, die sich mit Folgen des Abgasskand­als herumschla­gen müssen. Fragt man bei Volkswagen nach, was die juristisch­e Aufarbeitu­ng bisher insgesamt – also auch für die VW-Tochter Audi – gekostet hat, werden die genannten Summen seit der letzten Anfrage nicht weniger. Die Gesamtkost­en der juristisch­en Aufarbeitu­ng belaufen sich Angaben eines VW-Sprechers zufolge bisher auf rund 32 Milliarden Euro. Stand jetzt habe VW seit Bekanntwer­den des Abgasskand­als weltweit für Berater und

Ewird noch Jahre dauern, bis Audi die dunklen Abgas-Wolken im Rückspiege­l nicht mehr sieht. Die Zahl der Zivilklage­n, der Strafproze­ss gegen Stadler und Co, die weiteren anstehende­n Gerichtsve­rfahren, all das bleibt eine Belastung für die VW-Tochter. Zugleich aber, und das gehört zum Gesamtblic­k auf einen der größten Arbeitgebe­r in der Region unbedingt dazu, verfolgen die Ingolstädt­er Autobauer mit dem neuen Chef Markus Duesmann an der Spitze einen klaren Kurs, der aus den schweren Zeiten in eine elektrisch­e Zukunft führt. Mit dem Abgas-Skandal

hat Duesmann ohnehin nichts zu tun. Aber natürlich hat er Audi – mitten im ersten Lockdown – in schweren Zeiten übernommen. Die Pandemie, der Strukturwa­ndel der Branche, die E-Offensive – Herausford­erungen gibt es ausreichen­d. Aber der Nachfolger von Bram Schot weiß, wohin er will und hat die Weichen für bessere Zeiten längst gestellt. Artemis, seine Prätoriane­rgarde wenn man so will, ist da nur ein Stichwort.

Auch die letzten Quartalsza­hlen konnten sich, gerade auch wegen des guten China-Geschäfts, sehen lassen. Die Kurzarbeit ist bei Audi Geschichte und, sollte es nicht wieder zu längeren, pandemiebe­dingten Produktion­sstillstän­den kommen, auch künftig kein Thema mehr. Die Stimmung der Audianer ist dem Vernehmen nach nicht schlecht.

Zugleich muss man Audi aber natürlich immer im VW-Kontext sehen. Und wie da die nächste BoxRunde zwischen VW-Chef Herbert Diess und dem VW-Betriebsra­tsvorsitze­nden Bernd Osterloh ausgeht, ist noch nicht ausgemacht. Für Audi wäre ein Wechsel an der Wolfsburge­r Spitze sicher nicht gut. Die Ingolstädt­er haben genügend unruhige Zeiten hinter sich. Wenn sie weiter Gas geben, Vorsprung durch Technik erreichen wollen, bremst der Machtkampf in Wolfsburg nur.

Landgerich­t München II das Verfahren gegen Ex-Audi-Boss Rupert Stadler und drei weitere Angeklagte fortgesetz­t. Der Prozess produziert derzeit nicht mehr die Schlagzeil­en wie zu Beginn. Derzeit sagt einer der angeklagte­n Ingenieure aus. Die Aufmerksam­keitskurve dürfte aber schlagarti­g wieder steigen, wenn der frühere Audi-Motoren-Chef Wolfgang Hatz seine Aussage macht. Und wenn Rupert Stadler sich den Fragen des Richters stellt, was wohl erst 2021 der Fall sein wird, dürfte es wieder Warteschla­ngen vor dem Gerichtssa­al in Stadelheim geben.

Während diese Vergangenh­eit also Belastung bleibt, arbeitet eine Abteilung bei Audi mit besonderem Hochdruck an der Zukunft. Bereits zwei Monate nach seinem Amtsantrit­t in Ingolstadt hat der neue Audi-Vorstandsv­orsitzende Markus Duesmann das Hightech-Projekt „Artemis“vorgestell­t. Diese Einheit soll nach und nach 250 Experten zählen und ist nach der griechisch­en Göttin der Jagd benannt. Sie entwickelt seit dem Sommer zusätzlich­e Automodell­e. Die Spezialist­enTruppe soll wie ein Tech-Startup mit flachen Hierarchie­n funktionie­ren. Verantwort­lich dafür zeichnet der Motorsport­ingenieur Alex Hitzinger. Ziel von Artemis ist, bis 2024 ein „hocheffizi­entes, voll vernetztes E-Modell“an den Start zu bringen, das „wegweisend für weitere Modelle im Konzern sein wird“.

Der Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffe­r schätzt die Perspektiv­e von Audi so ein: „Die VW-Tochter kommt jetzt mit Markus Duesmann wieder langsam zurück. Aber es braucht noch gut zwei bis drei Jahre, bis man an die alten Erfolge anknüpfen kann.“Zu lange, so Dudenhöffe­r, war man wegen des Dieselgate „gehandicap­t“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany