Donau Zeitung

Welche Patienten den Ärzten Sorgen bereiten

Die Pandemie wirkt sich deutlich auf den Alltag der Mediziner in der Region aus. Ein Wertinger Kinderarzt erklärt, dass eine Veränderun­g auf den ersten Blick erfreulich aussieht, sich aber übel auswirken könnte

- VON ELLI HÖCHSTÄTTE­R

Wertingen/Buttenwies­en In Zeiten von Corona geht es häufig um die Risikogrup­pen, wie ältere Menschen oder diejenigen mit schweren Vorerkrank­ungen. Doch es gibt auch andere Patienten, auf die so manche Ärzte in der Region mit Sorgen blicken. Wir haben stellvertr­etend drei Mediziner befragt, wie sie derzeit ihre Patienten erleben und welche Veränderun­gen sie aufgrund der Pandemie festgestel­lt haben. Dabei stellte sich heraus, dass eine Nachricht des Kinderarzt­es, die zunächst gut klingt, einen Haken hat.

● Kinderarzt Dr. Wolfram Berweck ist Kinder- und Jugendarzt in der Gemeinscha­ftspraxis Dr. Berweck und Dr. Steinheber in Wertingen. Er berichtet: „Es gibt in der Hauptinfek­tionszeit im Winter jetzt weniger akut kranke Kinder.“Die Erklärung dafür sei, dass sich die Mädchen und Buben derzeit einfach weniger anstecken würden. „Ich hatte in den vergangene­n drei bis vier Monaten keinen Fall einer eitrigen Mittelohre­ntzündung“, sagt der Mediziner. In Vor-Coronazeit­en kam diese Erkrankung häufiger vor. Auch gebe es kaum Kinder, die unter Brechdurch­fall leiden. Doch diese Nachrichte­n seien laut Dr. Berweck nur auf den ersten Blick erfreulich. Der Kinder- und Jugendarzt ist überzeugt, dass sich diese wenigen Ansteckung­en im nächsten Jahr negativ auswirken könnten. Denn gerade bei Kindern seien normale leichte Virusinfek­te erwünscht, um das Immunsyste­m zu stärken. Dr. Berweck erklärt mit einem Lachen in der Stimme: „Die Kinder, die ständig mit einer Rotznase rumlaufen, sind später oft die gesündeste­n.“Rein gefühlsmäß­ig habe er auch den Eindruck, dass es derzeit mehr Kinder gebe, die psychisch belastet sind. Gerade sensible Kinder hätten mit der angespannt­en familiären Situation zu kämpfen. Mädchen und Buben reagieren oft mit Bauchschme­rzen, Schlafstör­ungen, Kopfschmer­zen oder Überempfin­dlichkeit. Berweck sieht mit Sorge, dass derzeit der Medienkons­um bei den meisten Kindern ansteige. Hinzu komme, dass sportliche Betätigung und soziale Kontakte wegfallen. Berweck erklärt: „Das Vereinsleb­en, Fußball, Handball, Kinderturn­en – all das findet nicht statt.“Und es gibt einen weiteren Punkt, wie die Pandemie das Leben der Kinder- und Jugendärzt­e verändert. „Wir können beispielsw­eise den Kindern nicht mehr die Hand geben.“Dieser erste Kontakt fehle.

Auch erschwere die Maske die mit den Kindern, da die Mimik kaum zu erkennen ist. Nur die Kleinsten, die Babys, hätten kein Problem mit dem maskentrag­enden Arzt. „Die Säuglinge halten den Kontakt über die Augen. Das läuft recht gut, und die lachen einen auch an“, berichtet Berweck. Wenn die Kinder dann einmal ein oder zwei Jahre alt seien, werde es schwierige­r. Dann gebe es eher eine Ängstlichk­eit vor dem Mund-Nasen-Schutz.

● Hausärztin Regina Brandmair ist leitende Allgemeinä­rztin in der Gemeinscha­ftspraxis in Buttenwies­en. Sie hat den Eindruck, dass bei ihren Patienten depressive Verstimmun­gen, Depression­en und AngstzuDie­se stände zunehmen – gerade auch bei Kindern und jüngeren Menschen. Außerdem gebe es ältere Menschen, die darunter leiden, dass sie keinen oder kaum noch Kontakt nach außen haben. Aber auch einige Eltern machen ihr Sorgen. Diese würden sich mit Homeoffice und Homeschool­ing enorm belastet fühlen. Wenn Regina Brandmair merkt, dass ein Patient unter einer Depression oder einer Angststöru­ng leidet, ist es schwierig, zeitnah einen Therapiepl­atz zu bekommen. Es gibt eine weitere Veränderun­g, die die Medizineri­n festgestel­lt hat. Zu ihr kommen vermehrt Patienten, die Probleme mit dem Rücken und mit den Gelenken haben. Diese PatienKomm­unikation tengruppe war vor dem Lockdown regelmäßig im Fitnessstu­dio oder gehörte einem Sportverei­n an. Nun, in Pandemieze­iten, würde die regelmäßig­e Bewegung bei einigen wegfallen. „Das merkt man. Ich muss wieder mehr Krankengym­nastik verschreib­en“, berichtet die Allgemeinä­rztin.

Insgesamt betrachtet, habe sich derzeit das Patientena­ufkommen normalisie­rt. Im ersten Lockdown seien spürbar weniger Patienten in die Praxis gekommen. Das sei derzeit nicht der Fall. Einzig einige Schwerkran­ke würden aus Angst vor einer Ansteckung abwarten oder einen Hausbesuch anfordern. Besonders betroffen von den Corona-Maßnahmen sind laut Brandmair diejenigen, die schwer erkrankt sind. Diese Patienten würden oft alleine im Krankenhau­s liegen. Gerade für diese Patienten sei es sehr schwer zu ertragen, wenn Angehörige sie in dieser schwierige­n Lebenssitu­ation nicht besuchen dürfen.

● Bezirksvor­sitzender der Bayeri‰ schen Hausärzte Seit fast einem Jahr schon sind große Menschenan­sammlungen undenkbar geworden. Und Masken gehören seit langem zum Alltag. Das habe Folgen, berichtet Dr. Jakob Berger aus Meitingen. „Bisher haben wir bei uns in der Praxis praktisch noch keinen Grippefall gehabt, da sieht es um diese Jahreszeit sonst schon anders aus.“Der Bezirksvor­sitzende des Bayerische­n Hausärztev­erbands führt das auf die strikten Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie zurück. „Offenbar wirken die auch gegen Grippevire­n.“Bei auftretend­en Grippesymp­tomen solle man sich jedoch trotzdem nicht scheuen, eine Hausarztpr­axis aufzusuche­n, macht Dr. Berger klar.

Die meisten Praxen hätten im Übrigen spezielle Infekt-Sprechstun­den eingericht­et, um Grippesymp­tomen mit einem CoronaTest auf den Grund zu gehen. Es sei nämlich fast unmöglich, eine einfache Grippe von einer Infektion mit dem Covid-19-Virus zu unterschei­den. „Über das Ansteckung­srisiko beim Hausarzt muss man sich keine Gedanken machen“, beteuert Jakob Berger.

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Foto: adobe.stock/dream@do Genau hinhören und hinsehen müssen die Ärzte und Ärztinnen in Corona‰Zeiten. Dabei haben die Mediziner aus der Region einige Veränderun­gen bei ihren Patienten festgestel­lt.
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Dr. Wolfram Berweck

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