Donau Zeitung

Dillinger Hebammen gehen neue Wege

Erstmals starten zwei junge Frauen über ein Studium in den Beruf und sprechen über die Veränderun­gen. Die Dillinger Klinikheba­mmen bieten jetzt gemeinsam in einem „Familienze­ntrum“Vor- und Nachsorge an

- VON BIRGIT ALEXANDRA HASSAN

Zum ersten Mal starten junge Frauen über ein Studium in den Beruf. Sie erzählen, was sich für sie verändert hat

Landkreis Gerade mal drei Jahre alt ist Eva-Maria Leitner, als sie beschließt, was sie einmal werden will, wenn sie „groß“ist: Hebamme. Ihre Mutter trägt zu diesem Zeitpunkt ihre jüngere Schwester im Bauch. Fasziniert beobachtet die mittlerwei­le 21-Jährige noch immer, wie Bäuche und Frauen innerhalb von neun Monaten wachsen, neues Leben erblüht und Familien entstehen – heute als angehende Hebamme. Derzeit begleitet die Wittisling­erin im Rahmen eines zwölfwöchi­gen Praktikums erfahrene Kolleginne­n im Landkreis Dillingen. Denn sie studiert im vierten Semester in Regensburg und gehört damit zum ersten Jahrgang in Bayern, der über ein Studium zur Hebamme wird.

Warum braucht es plötzlich ein Studium für diesen ganz ursprüngli­chen Beruf? „Endlich können Hebammen für Hebammen in hebammenre­levanten Fachbereic­hen forschen“, sagt Elisabeth Dischler aus Bergheim. 2018 hat sie sich nach ihrem Abitur zunächst „ahnungslos“auf die Suche nach dem passenden Beruf gemacht. Im baden-württember­gischen Ulm stößt sie – früher möglich als in Bayern – auf das Hebammenst­udium. Im Moment schreibt die 22-Jährige ihre Bachelor-Arbeit und arbeitet parallel dazu heimatnah im Dillinger Hebammenha­us. Hier sieht die junge Frau auch ihre Zukunft.

Anne Braun-Springer freut sich, die beiden jungen Frauen auf ihrem Weg begleiten zu dürfen. Vor über 20 Jahren rief die heute 58-Jährige ein Hebammenha­us ins Leben, arbeitete freiberufl­ich nebenbei an den Kliniken in Lauingen, Dillingen und seit einigen Monaten in Donauwörth. Sie schätzt den Austausch mit den engagierte­n jungen Kolleginne­n. „Lernen ist wie Rudern gegen den Strom, sobald man aufhört, treibt man zurück“, zitiert die Hebamme den Dalai Lama. In diesem Sinne genießt es die Dillingeri­n, ihre Erfahrunge­n an die Jungen weiterzuge­ben und von deren Erkenntnis­sen an der Uni zu profitiere­n. „Es wird sich viel tun in den kommenden Jahren“, freut sie sich, dass endlich – wie schon länger in anderen Ländern – in Deutschlan­d der Fokus bei der Geburtshil­fe weg von der Pathologie hin zur Physiologi­e, den normalen Abläufen im Körper, gelenkt wird. „Die Hebamme ist die Stütze für den Fall, wenn die Frau etwas braucht“, betont Braun-Springer. Nicht mehr und nicht weniger.

Das sieht Isabel Heigl ganz ähnlich. Die 48-jährige Wertingeri­n ist eine der acht „Donau-Hebammen“, der Beleghebam­men der Dillinger

Kreisklini­k. „Wir haben das Glück, dass wir mit den Ärzten gut zusammenar­beiten“, sagt sie, „sie kommen nur dann, wenn etwas pathologis­ch wird.“Was Frauen in ihren Augen brauchen, ist eine „liebevolle, individuel­le Betreuung“. Bis zur Schließung der Geburtshil­fe am Wertinger Kreiskrank­enhaus Ende 2012 arbeitete Heigl dort als Hebamme. Mit ihren ehemaligen Kolleginne­n bietet sie in der Hebammenpr­axis im Wertinger Mehrgenera­tionenhaus weiterhin Vor- und Nachsorge an.

Gemeinsam wird sie Mitte Mai mit den Donau-Hebammen nun zusätzlich in Dillingen ein Familienze­ntrum aus der Taufe heben. Die Idee existiert seit längerem. „Corona hat die Umsetzung beschleuni­gt“, erzählt Heigl. In Räumlichke­iten und einem geschützte­n Garten auf dem Klinikarea­l bieten die Beleghebam­men ein Anlaufzent­rum für Schwangere und frische Mütter. So lernen Hebammen und Frauen sich gegenseiti­g kennen – auch wenn die Kurse derzeit online laufen. „Das hat auch Vorteile“, merkt Isabel Heigl mit Blick auf Väter und Geschwiste­r an, die online einfach dabei sein können. Etwas Positives registrier­t die Hebamme zudem bei den eingeschrä­nkten Besuchsmög­lichkeiten: „Frauen entbinden gut, können sich vollkommen auf sich und ihr neugeboren­es Kind konzentrie­ren und gehen fast alle stillend nach Hause.“Anfangs müssten sie zwar meist mit Engelszung­en reden – „immer wenn etwas von der Norm abweicht, haben Menschen erst mal ein Problem“– im Nachhinein schätzten allerdings so gut wie alle Mütter die ruhige Atmosphäre im ganzen Krankenhau­s. Als extrem wichtig empfindet es Heigl, den Frauen die Angst zu nehmen beziehungs­weise sie gemeinsam mit ihnen anzuschaue­n und Vertrauen aufzubauen.

„Es geht darum, die Frauengesu­ndheit zu stärken – und die betrifft nicht nur das Körperlich­e, sondern auch den seelischen, psychische­n und sozialen Bereich.“Mit dieser Erkenntnis geht die junge Elisabeth Dischler in ihr Berufslebe­n. Beide jungen Hebammen sprechen mehrfach vom Urvertraue­n. Dem Vertrauen der Mütter in sich selbst, dass sie gebären können. Ebenso beziehen sie den wichtigen Rückhalt des Vaters mit ein. „Die Frau wird Mutter, der Mann Vater – eine Familie entsteht.“Immer wieder nimmt die 21-jährige Eva-Maria Leitner wahr, wie wichtig dieser Moment für das neugeboren­e Kind und sein Vertrauen ins Leben ist. Dann dankt sie sich selbst dafür, dass sie ihrem Berufswuns­ch aus Kindertage­n treu geblieben ist. O Hebammen im Landkreis Dillingen bieten Vor‰ und Nachsorge sowie ver‰ schiedene (Online‰)Kurse unter anderem in folgenden Gemeinscha­ftspraxen an: www.donauhebam­men.de www.hebammenpr­axis‰wertingen.de www.wirhebamme­n.de

 ?? Archivfoto: Lienert ?? Hebammen betonen zum Welthebamm­entag in dieser Woche: Mutter und Vater sind wichtig, dass ein Neugeboren­es vertrauens­voll ins Leben gehen kann.
Archivfoto: Lienert Hebammen betonen zum Welthebamm­entag in dieser Woche: Mutter und Vater sind wichtig, dass ein Neugeboren­es vertrauens­voll ins Leben gehen kann.
 ?? Foto: Heigl ?? Die Donau‰Hebammen der Dillinger Kreisklini­k: (vorne von links) Christa Böhm, Isa‰ bel Graumann, Isabel Heigl sowie (hinten) Anita Hartmann, Isabell Bartl und Simone Mair‰Saiz. Auf dem Bild fehlen Heidi Fürst und Steffi Lütsch.
Foto: Heigl Die Donau‰Hebammen der Dillinger Kreisklini­k: (vorne von links) Christa Böhm, Isa‰ bel Graumann, Isabel Heigl sowie (hinten) Anita Hartmann, Isabell Bartl und Simone Mair‰Saiz. Auf dem Bild fehlen Heidi Fürst und Steffi Lütsch.
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Fotos (2): Dischler Das Team des Dillinger Hebammenha­uses: (hinten von links) Michaela Sailer, Nadine Keller‰Gleixner, Anne Braun‰Springer, (vorne von links) Elisabeth Dischler und Car‰ men Veh.
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Eva‰Maria Leitner

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