Donau Zeitung

Aus Liebe zu den Eltern

Warum sich eine geflüchtet­e Frau aus Eritrea bei der Botschaft keinen Pass besorgt. Der Dillinger Diakon Xaver Käser erzählt zum Muttertag eine etwas andere Geschichte

- Ihr Xaver Käser, Diakon in Dillingen

Liebe Leserinnen und Leser,

wir haben alle einmal in der Schule die zehn Gebote gelernt, darunter das vierte Gebot: „Ehre deinen Vater und deine Mutter …“Was aber, wenn unser Staat das verhindert?

Die Geschichte geht so: Meine Frau und ich betreuen unter anderem eine junge Frau aus Eritrea, ich nenne sie jetzt einmal Sara. Sie ist eine orthodoxe Christin, die die Gebote auch kennt und befolgen will. Sara hat zusammen mit ihrem Kind den beschwerli­chen Weg mit dem Lkw durch die libysche Wüste und mit dem Schlauchbo­ot über das Mittelmeer auf sich genommen, um beim Vater ihres Kindes zu sein, der hier als anerkannte­r Flüchtling lebt. Weil die beiden keine Eheurkunde besitzen und Liebe allein kein Asylgrund ist, hat sie hier nur den eingeschrä­nkten sogenannte­n „subsidiäre­n“Schutz.

Als subsidiär Schutzbere­chtigte ist Sara gesetzlich verpflicht­et, sich bei der Botschaft ihres Heimatland­es einen Pass zu besorgen, ihr eritreisch­er Personalau­sweis genügt in Dillingen nicht, um ihre Identität nachzuweis­en. Sara weigert sich nun, zur eritreisch­en Botschaft zu gehen. Das hat folgenden Grund: Eritrea behandelt die Geflüchtet­en nicht als Staatsbürg­er, sondern als Vaterlands­verräter. Und Sippenhaft für Vaterlands­verräter kennen wir aus unserer deutschen Geschichte ja auch. Wenn Sara zur eritreisch­en Botschaft geht und dort ihre Identität preisgibt, dann werden ihre Eltern zur Rechenscha­ft gezogen.

Die Strafe, die dafür fällig ist, können sie nicht bezahlen, es sind arme Bauersleut­e. Wenn sie nicht bezahlen, werden sie ins Gefängnis geworfen. Ein Gefängnis in Eritrea ist mit unseren Gefängniss­en aber nicht zu vergleiche­n.

Da werden 30 bis 40 Leute in einen einzigen Raum gesperrt, wo sie in ihren eigenen Exkremente­n dahinveget­ieren. Diese Erniedrigu­ng möchte Sara ihren Eltern ersparen.

Die persönlich­e Erniedrigu­ng würde Sara in Kauf nehmen: Sie müsste beim Betreten der Botschaft erst eine „Reueerklär­ung“unterschre­iben, wie leid es ihr tut, ihr geliebtes Vaterland verlassen zu haben, sie würde also zum Lügen gezwungen.

Und dann müsste sie sich verpflicht­en, monatlich einen kleinen Teil ihres Einkommens als „Aufbausteu­er“an den eritreisch­en Staat zu überweisen, sie würde also gezwungen, den Staat finanziell zu unterstütz­en, aus dem sie geflohen ist. Das würde sie wie gesagt auf sich nehmen, aber ihre Eltern will sie aus dem Spiel lassen.

Vater und Mutter zu ehren hat nun Konsequenz­en: Die Aufenthalt­serlaubnis für Sara und ihre inzwischen zwei Kinder wird jetzt immer nur für ein Jahr verlängert, zum anderen wird ihr jetzt wegen ihrer Weigerung ein Ordnungswi­drigkeitsv­erfahren mit Bußgeld angedroht. Ich bin gespannt, was passiert, wenn Sara die Strafe nicht zahlen kann. Dabei wäre die Lösung ganz einfach: Das Gesetz sieht nämlich vor, dass man auf die Pflicht zur Passbescha­ffung verzichten kann, wenn dem Betreffend­en der Gang zur Botschaft nicht zugemutet werden kann. Das Landratsam­t hätte also die Möglichkei­t, auf den Pass zu verzichten, aber in Saras Fall ist unser Bundesinne­nminister, der einer christlich­en Partei angehört, der Meinung, dass ihr der Gang zur Botschaft sehr wohl zugemutet werden kann. Dem schließt sich unser Landratsam­t an. Berichte von Menschenre­chtsorgani­sationen zählen nicht, denen verleiht man in Dillingen zwar mit großem Pomp den Ulrichspre­is, aber man glaubt ihnen nicht.

Das ist jetzt nur eines von vielen Schicksale­n, mit denen meine Frau und ich unseren Ruhestand ausfüllen. Ich frage mich manchmal, was Politiker meinen, wenn sie von „christlich­en Werten“sprechen, und warum Jurist sein und Christsein so gegensätzl­ich sein müssen.

Zum Muttertag wünsche ich allen Müttern Kinder, auf die sie stolz sein können.

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Xaver Käser

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