Donau Zeitung

Reihenweis­e gerissene Rehe

In der Region beklagen einige Jäger, dass Tiere gehetzt und gewildert werden. Welche Zusammenhä­nge sie sehen

- VON WOLFGANG WIDEMANN

Landkreis Donau‰Ries Es war ein ganz und gar nicht schöner Anblick für den Spaziergän­ger südlich von Tapfheim im Bereich der Baggerseen. Mitte April entdeckte der Mann die schwer verwundete Geiß, die auf einer Wiese lag. Jagdpächte­r Werner Lippert erlöste das Tier – und stellte fest, dass es hoch trächtig war. Offenbar hatte ein Raubtier das Reh gerissen und war dann möglicherw­eise gestört worden. So etwas hat Lippert, der seit 25 Jahren auf die Jagd geht, noch nicht erlebt. Seine einzige Erklärung: Offenbar hat ein streunende­r Hund das Reh gehetzt und dann überwältig­t. Solche Vorkommnis­se haben sich in den vergangene­n Monaten in der Region gehäuft.

Nur ein paar Kilometer entfernt hat Heinz Roser das Gemeinscha­ftsjagdrev­ier Brachstadt gepachtet. Seit Februar stießen Passanten in der dortigen Flur auf drei Rehe, die mit Bissspuren tot oder schwer gezeichnet in der Landschaft lagen. Die Tiere seien auch angefresse­n gewesen, schildert Roser. Der spricht von einer in seiner Jagdkarrie­re „einmaligen Häufung“. Die drei Fundorte östlich von Brachstadt im Bereich „Leseberg“lägen lediglich 300 bis 400 Meter voneinande­r entfernt. War auch hier ein oder mehrere Hunde am Werk? Er habe mit anderen Waidmänner­n über diese Frage diskutiert, berichtet der Brachstädt­er. Erst recht, nachdem im benachbart­en Bissingen und in Mönchsdegg­ingen in dieser Woche ein Wolf gesichtet worden war. Seitdem erscheinen solche Vorfälle in einem neuen Licht. Dass bei Brachstadt ebenfalls ein Wolf zugeschlag­en hat, mag Roser nicht glauben. Er und sein Mitpächter seien fast jeden Tag im Revier: „Wir hätten doch irgendetwa­s gesehen.“Auch mit den im Revier installier­ten Wildkamera­s sei bislang kein Wolf aufgenomme­n worden.

Ein solches Raubtier lasse seine Beute nicht auf freier Flur liegen, „sondern zieht es in eine Hecke und nimmt sich ein paar Happen“, meint der Jäger. Die Kadaver der Rehe seien aber nur leicht angefresse­n gewesen. Er habe die Wolf-Meldungen aufmerksam zur Kenntnis genommen, sagt Roser, mehr aber auch nicht: „Das beunruhigt mich nicht.“

Die Tatsache, dass es dann nur Hunde gewesen sein könnten, die den Rehen zusetzten, beschäftig­t den Waidmann hingegen sehr. Er hat die Fälle bei der Polizei angezeigt. Die Problemati­k hänge wohl mit der Corona-Pandemie zusammen, mutmaßt Roser. Seitdem sehe man viel mehr Menschen bei Spaziergän­gen auf Feld- und Waldwegen. Manche kämen bis aus Augsburg oder anderen, weiter entfernten Regionen, um die Natur an den Ausläufern der Schwäbisch­en Alb zu genießen. Dies könne man an den Kfz-Kennzeiche­n ablesen. „Naturflüch­tlinge“nennt Heinz Roser solche Ausflügler.

Von den Spaziergän­gern hätten viele ihre Hunde dabei. Häufig seien diese nicht angeleint. Wenn er die Halter darauf anspreche, reagierten diese oft pampig. „Mein Hund braucht Auslauf“, ist eine Antwort, die Roser oft hört. Dies könne auch an der langen Leine geschehen, sagt der Jäger dazu. Keinesfall­s sei es in Ordnung, dass die Hunde frei in die Felder oder ins hohe Gras gelassen werden – gerade jetzt: Es ist Brutund Setzzeit. Sprich: Die Wildtiere bekommen ihre Jungen. Die sind besonders gefährdet und leicht zu wildern. Heinz Roser ist es ein Anliegen, die Hundebesit­zer dafür zu sensibilis­ieren. Gerissene Rehe sind seit Wochen auch im Jura-Bereich keine Seltenheit, vor allem im Raum Monheim/Otting/Fünfstette­n. Einer der Jagdpächte­r beklagt in der Nähe von Nußbühl gleich vier Tiere, die auf diese Weise getötet wurden. In umliegende­n Revieren sei gleiches passiert.

Dass ein Wolf dort umherstrei­ft, schließt der Jäger aus: „Der fängt seine Beute anders.“Deshalb komme nur ein Hund infrage. „Der springt von hinten auf das Reh und drückt es nach unten.“Die Waidmänner in der Region hätten den Verdacht, dass ein größerer Hund, der anscheinen­d allein durch die Gegend läuft, die Rehe angeht.

Diese Vermutung stützt ein Vorfall, über den der Ottinger Bürgermeis­ter Wolfgang Lechner Kenntnis hat: Eine junge Autofahrer­in habe in der vorigen Woche auf der Straße zwischen Otting und Wolferstad­t nahe dem Weiler Dattenbrun­n zufällig beobachtet, wie sich ein Hund gerade über ein Reh hermachte. Die Frau wollte dazwischen­gehen, ließ dies aber laut Lechner schnell bleiben, als der Hund auf sie aufmerksam wurde.

Die Frau machte aber Fotos. Die liegen mittlerwei­le dem Jagdpächte­r und der Polizei vor. „Es müsste ein Rottweiler sein“, weiß der Bürgermeis­ter. Der hofft, dass dem streunende­n Hund rasch Einhalt geboten wird, bevor noch mehr passiert.

Auch der Fünfstette­ner Bürgermeis­ter Josef Bickelbach­er ist besorgt. Wer seinen Hund unbeaufsic­htigt laufen lasse, mache sich strafbar. Zudem verweist Bickelbach­er darauf, dass ein wildernder Hund vom Jäger abgeschoss­en werden könne. Einer der Jagdpächte­r kündigt an, er werde im vorliegend­en Fall von diesem Recht Gebrauch machen.

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Foto: Heinz Roser Dieses Reh wurde von einem unbekannte­n Tier östlich von Brachstadt gerissen. Jagdpächte­r Heinz Roser ist besorgt: Er regis‰ trierte in seinem Revier in den vergangene­n Monaten mehrere solche Fälle.

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