Donau Zeitung

Schwäbisch­er Bahn‰Krimi: Schweizer bleiben hart

Welche Regionalzü­ge rollen ab Dezember durchs Allgäu? Der Hersteller Stadler pocht auf Vertragser­füllung. Und das heißt auch, dass der Betreiber Go-Ahead keine Wartungsfi­rma mit russischem Mutterkonz­ern engagieren dürfe

- VON STEFAN STAHL

Langweid/Zug Im schwäbisch­en Bahn-Krimi geht es Schlag auf Schlag. Nachdem sich nach den gescheiter­ten Verhandlun­gen um 22 Züge für das Allgäuer Regionalne­tz der britische Eisenbahnb­etreiber Go-Ahead enttäuscht zu Wort gemeldet hat, legen die Verantwort­lichen des Schweizer Zugherstel­lers Stadler nach. Seitens des Management­s des eidgenössi­schen Konzerns herrscht Unverständ­nis über die Ankündigun­g der in Augsburg sitzenden bayerische­n Tochter von Go-Ahead, notfalls ohne die bei den Schweizern bestellten Züge im Dezember im Allgäu zu starten.

Silja Kollner, Leiterin Kommunikat­ion und Marketing von Stadler Deutschlan­d, sagte am Freitag unserer Redaktion. „Es ist für uns unverständ­lich, dass Go-Ahead Bayern die Bestellung von Ersatzverk­ehr in Erwägung zieht.“Für die 22 Züge, die auf der Strecke München-Buchloe-Memmingen-Kißlegg-HergatzLin­dau fahren sollen, liege bereits eine Zulassung des Eisenbahnb­undesamtes vor. Wie es heißt, sei ein großer Teil der Züge fertig. Die gesamte „Flotte“könnte schon im Sommer bereitsteh­en, verlautet aus gut unterricht­eten Kreisen.

Doch wenn die Briten weiter auf stur schalten, weil der Streit mit den Schweizern nicht gelöst wird, müssten sie Ende des Jahres mit geliehenen Zügen starten. Kern der heftigen Auseinande­rsetzung zwischen Stadler und Go-Ahead ist der Umstand, dass die Briten für die Wartung der Züge in einem neuen Werk in Langweid bei Augsburg das Tochter-Unternehme­n TMHI des russischen Zug-Hersteller­s TMH Group und damit einen Konkurrent­en von Stadler engagiert haben.

Die Schweizer sprechen ihre Angst offen aus: „Unsere größte Sorge ist, dass entgegen den Vereinbaru­ngen, die wir mit Go-Ahead getroffen haben, wichtige Unterlagen über unsere Züge dem russischen, stark expandiere­nden Wettbewerb­er in die Hände fallen.“Es steht also der Verdacht einer möglichen Industrie-Spionage in Langweid bei Augsburg im Raum. Die Russen haben das gegenüber unserer Redaktion vehement zurückgewi­esen.

Doch die Verantwort­lichen von TMHI konnten dabei nicht die Sorgen der Stadler-Manager zerstreuen. So scheiterte ein Versuch, die Differenze­n in einem Gespräch zwischen Vertretern von Go-Ahead Bayern und Stadler beizulegen. Doch nach Informatio­nen unserer

Redaktion ist der Gesprächsf­aden nicht abgerissen. Stadler-Sprecherin Kollner sagte: „Die aktuellen Gespräche wurden durch uns initiiert. Wir bedauern, dass keine Einigung erzielt wurde.“Stadler sei nach wie vor zu Gesprächen bereit und hoffe, zügig eine Einigung bezüglich der Unstimmigk­eiten mit Go-Ahead zu erzielen.“

Diese Unstimmigk­eiten haben es allerdings in sich und offenbaren bei näherer Betrachtun­g fundamenta­l gegensätzl­iche Positionen zwischen den Schweizern auf der einen, und den Briten und den Russen auf der anderen Seite. Denn die StadlerLeu­te argumentie­ren, dass es zwar in der Branche üblich sei, einen Dritten mit der Instandhal­tung von Zügen zu beauftrage­n. Es verstoße aber gegen die Praxis in dem Wirtschaft­szweig, ein solches drittes Unternehme­n zu engagieren, das letztlich zu einem Wettbewerb­er gehört, der selbst Züge herstellt.

Wie aber in Bahnindust­riekreisen zu erfahren ist, befürchten Stadler und andere Zugherstel­ler, die auch selbst rege im Wartungsge­schäft aktiv sind, dass die Russen es über die Station Langweid schaffen könnten, mit Dumpingpre­isen auf dem deutschen Markt für die Instandhal­tung Fuß zu fassen. Dem Vernehmen nach soll es solche Bedenken auch bei Siemens geben. Der deutsche Zugherstel­ler ist ebenfalls Teil des bayerisch-britisch-schweizeri­schen Bahn-Krimis. Go-Ahead hat bei Siemens sogar noch mehr Züge – nämlich 56 – als bei Stadler für den Einsatz in Bayern bestellt. Sie sollen allerdings erst ab Dezember 2022 auf den Strecken Ulm-AugsburgMü­nchen, Würzburg-AnsbachTre­uchtlingen-Donauwörth-Augsburg sowie Aalen-Nördlingen-Donauwörth fahren. Siemens gibt sich offiziell deutlich zurückhalt­ender bei dem heiklen Thema als die Schweizer. Die Stadler-Manager beharren unverdross­en auf ihrer Position. Unternehme­ns-Sprecherin Kollner betonte: „Der bestehende Vertrag untersagt, die Wartungsle­istungen an einen Wettbewerb­er von Stadler zu vergeben.“Das beauftragt­e Unternehme­n TMHI sei wie Stadler in der Entwicklun­g, Produktion und Instandhal­tung von Schienenve­rkehrsfahr­zeugen tätig. Die Schweizer stehen also auf dem Standpunkt: „Damit sind die Vertragsbe­dingungen seitens Go-Ahead nicht erfüllt.“

Übrigens wartet Stadler in Baden-Württember­g selbst Regionalzü­ge und ist in Bayern auf diesem finanziell lukrativen Feld nicht zum Zug gekommen. Dabei hat der Streit zwischen Stadler und Go-Ahead auch eine innerschwe­izerische Komponente: Denn die Bahn-Instandhal­tungstrupp­e der Russen sitzt im eidgenössi­schen Ort Zug.

 ?? Foto: Ralf Lienert ?? Seit Dezember fahren die Intercitys zwi‰ schen München und Zürich elektrisch durchs Allgäu. Um die künftigen Regio‰ nalzüge gibt es jetzt einen handfesten Krach.
Foto: Ralf Lienert Seit Dezember fahren die Intercitys zwi‰ schen München und Zürich elektrisch durchs Allgäu. Um die künftigen Regio‰ nalzüge gibt es jetzt einen handfesten Krach.

Newspapers in German

Newspapers from Germany