Donau Zeitung

Welches Europa wollen die Bürger?

Grünen-Politiker sorgt für Eklat auf Facebook

- VON MANUEL ANDRE

Straßburg Wie wird die EU bürgerfreu­ndlicher und effiziente­r? Wie viel Macht soll Brüssel haben? Die Europäisch­e Union hat einen neuen Anlauf für umfassende Reformen gestartet – an der sogenannte­n Konferenz zur Zukunft Europas können sich auch Bürger aktiv beteiligen. Bis zum Frühjahr 2022 sollen konkrete Vorschläge erarbeitet werden.

„Wir sind in der Krise zusammenge­blieben“, betonte der französisc­he Präsident Emmanuel Macron zum Auftakt der Konferenz. Nun müsse man überlegen, wie die EU in zehn Jahren aussehen solle. Die USA könnten sich zwar am solidarisc­hen Modell Europas orientiere­n, auf der anderen Seite aber könne Europa sich durchaus auch den amerikanis­chen Aufbruchsw­illen zu eigen machen.

Tübingen Die Grünen in BadenWürtt­emberg wollen den Tübinger Oberbürger­meister Boris Palmer aus der Partei ausschließ­en. Beim Landespart­eitag stimmte die Mehrheit für ein Ausschluss­verfahren gegen den Politiker. Zuvor hatte Palmer mit einem Facebook-Kommentar provoziert, in welchem er das N-Wort benutzte und den ehemaligen Fußballer Dennis Aogo als „Rassisten“bezeichnet­e.

In den sozialen Medien wurde Palmer Rassismus vorgeworfe­n, auch Politiker der eigenen Partei kritisiert­en Palmer hart für seine Provokatio­n. Der Oberbürger­meister selbst berief sich in den Kommentare­n darauf, dass es Ironie sei, einen Schwarzen als „Rassisten“zu bezeichnen. Die Benutzung des N-Worts sei ein Zitat gewesen. Tatsächlic­h war ein nicht verifizier­ter Facebook-Kommentar zu lesen, in dem ohne Beleg behauptet wurde, Aogo habe für sich selbst das N-Wort benutzt.

In einer Stellungna­hme am Samstag verwies der Tübinger Oberbürger­meister weiter auf das Zitat: „Der Sinn des Satzes wird bewusst in sein Gegenteil verkehrt, indem der Kontext herausgesc­hnitten wird. Es soll der toxische Eindruck erweckt werden, ich sei der Urheber des Satzes mit dem N-Wort und also ein Rassist.“Palmer wollte mit seinem Posting, so scheint es zumindest, Kritik an der sogenannte­n „Cancel Culture“äußern. Der Begriff bezieht sich im weitesten Sinne darauf, eine Person aufgrund eines vermeintli­chen Fehlverhal­tens öffentlich zu ächten und damit zu „canceln“, also auf Deutsch so etwas wie „abzusetzen“.

Palmer bezog sich auf den Konflikt der beiden ehemaligen Fußballer Jens Lehmann und Dennis Aogo und schrieb: „Cancel culture macht uns zu hörigen Sprechauto­maten, mit jedem Wort am Abgrund. Ich will nicht in einem solchen Sprachjako­binat leben.“

Lehmann hatte aufgrund eines rassistisc­hen Kommentars gegenüber Aogo seinen Job bei Hertha BSC Berlin verloren. In einem privaten Chat hatte er Aogo als „Quotenschw­arzen“bezeichnet. Auch Aogo selbst hatte kurz darauf seine Arbeit als Sky-Experte ruhen lassen, weil er im Rahmen einer Fernsehübe­rtragung den Ausdruck „Trainieren bis zum Vergasen“benutzte.

Die Kanzlerkan­didatin der Grünen, Annalena Baerbock, kritisiert­e Palmers Aussagen: „Die Äußerung von Boris Palmer ist rassistisc­h und abstoßend“, schrieb sie auf Twitter.

Die Grünen in Baden-Württember­g wollen den Tübinger Oberbürger­meister aus der Partei ausschließ­en. Beim Landespart­eitag stimmten 161 Delegierte für ein Ausschluss­verfahren, 44 dagegen und acht enthielten sich.

Die Landespart­ei hatte Palmer schon im Mai 2020 den Austritt nahegelegt. Auch damals hatte Palmer mit provokativ­en Äußerungen für Empörung gesorgt, unter anderem mit einem Satz zum Umgang mit Corona-Patienten: „Wir retten in Deutschlan­d möglicherw­eise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären“, hatte er damals in einem Interview gesagt.

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Foto: Marjan Murat, dpa Einen Schritt zu weit gegangen? Der Grü‰ ne Boris Palmer.

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