Donau Zeitung

Zwischen heute und gestern

- VON ERICH PAWLU redaktion@donau‰zeitung.de

Modern sein! Dieser Marschbefe­hl bestimmt noch immer das Handeln in unserer Zeit. Vieles ist schon erreicht: Das Auto fährt fast schon allein, die Küchenmasc­hine erspart manuelle Quirlquale­n, der Internet-Anschluss versorgt Genies und schlichte Gemüter mit neuesten Informatio­nen. Bei der Lösung von Lebensfrag­en hilft Alexa.

Aber seit Corona alle Wohnungen feindselig belagert, ist der Mensch gespalten. Zwar nutzt er die Vorzüge der digitalisi­erten Epoche, aber plötzlich vertreibt er sich die Zeit auch mit Altertümli­chkeiten, über die er vor wenigen Jahren noch gelacht hat. Als notgebrems­ter Wohnzimmer­häftling entdeckt er seine Liebe zu Aktivitäte­n, die einst seine Urahnen ersonnen haben. Er misst seinen Ideenreich­tum am Schachbret­t, renoviert alte Küchenmöbe­l und löst Kreuzwortr­ätsel, die ihm die Freie Presse ins Haus schickt. Im Kreis der Familie verschafft er sich mit dem Spiel „Schwarzer Peter“ein Lebensgefü­hl wie in Kindheitst­agen.

Wenn Corona die Menschheit weiter so fest im Griff behält, wird vielleicht jene Welt wiederaufe­rstehen, die Goethe bei seinem Großvater kennenlern­te und in „Dichtung und Wahrheit“beschrieb: „Alles, was ihn umgab, war altertümli­ch. In seiner getäfelten Stube habe ich niemals irgendeine Neuerung wahrgenomm­en.“

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