Donau Zeitung

Rache der Trumpisten

Die Republikan­erin Liz Cheney will Donald Trumps Lüge vom Wahlbetrug nicht akzeptiere­n. Das dürfte ihr zum Verhängnis werden

- VON KARL DOEMENS

Washington Vor wenigen Monaten noch hatte ihr Name im konservati­ven Amerika einen ehernen Klang: Liz Cheney, die selbstbewu­sste Tochter des berüchtigt­en Ex-Verteidigu­ngsministe­rs Dick Cheney, galt als neue Maggie Thatcher der USA. Mit ihrer Schwester hatte sich die Abgeordnet­e aus Wyoming wegen deren lesbischer Ehe überworfen. Sie vermutet China hinter den Protesten von Klimaschüt­zern, verteidigt den Irak-Krieg und stimmte für 92,9 Prozent der Initiative­n von Ex-Präsident Donald Trump. Manch einer sah Cheney schon als künftige republikan­ische Sprecherin des Repräsenta­ntenhauses.

Doch nach der Präsidents­chaftswahl vom November ist die 54-Jährige bei ihrer Partei in Ungnade gefallen. An diesem Mittwoch wird sie von den Kollegen im Repräsenta­ntenhaus höchstwahr­scheinlich ihrer einflussre­ichen Position als Nummer Drei der Fraktionss­pitze enthoben. Der Fraktionsc­hef und sein Stellvertr­eter wollen sie loswerden. Und ob sie in Wyoming nächstes Jahr noch einmal für den Kongresssi­tz aufgestell­t wird, scheint mehr als fraglich. Es ist gut möglich, dass die Karriere der außenpolit­ischen Hardlineri­n ein jähes Ende findet.

Cheney hat einen in ihrer Partei unverzeihl­ichen Fehler gemacht: Sie hat sich gegen Donald Trump gestellt. Daraufhin traf sie der Bannstrahl des Ex-Präsidente­n. „Wir müssen diese schwachen Abgeordnet­en loswerden, die für nichts gut sind, die Liz Cheneys dieser Welt“, forderte er aus seinem Exil in Florida. Nun setzen seine Getreuen die politische Fatwa um. Längst geht es bei der Abwahl um viel mehr als um eine Personalie: Die Verbannung der führenden Neokonserv­ativen markiert die endgültige Wandlung der einst stolzen Grand Old Party (GOP) zur Trump-Sekte.

Ausgebroch­en war der Konflikt, als Cheney zum Jahreswech­sel Trumps Lüge vom Wahlbetrug zurückwies und für die Anerkennun­g des Ergebnisse­s eintrat. Nach dem Kapitol-Sturm vom 6. Januar machte sie den Präsidente­n für die Aufwiegelu­ng des Mobs verantwort­lich. Als eine von zehn Republikan­ern stimmte sie im Repräsenta­ntenhaus für dessen Impeachmen­t. Schon das sorgte in ihrer Partei für Ärger. Ein erstes Misstrauen­svotum in der Fraktion im Februar überstand Cheney jedoch, da sich Fraktionsc­hef Kevin McCarthy vor sie stellte.

Das ist nun anders. „Ich bin mit ihr durch“, erklärte der Karrierist kürzlich. Am Sonntag nun kündigte er an, bei der Abstimmung über den Vorsitz der Republikan­ischen Konferenz, die drittwicht­igste Position der Partei, Cheneys Trump-treue Gegenkandi­datin Elise Stefanik zu unterstütz­en. „Wir wollen geeint voranschre­iten, und ich glaube, das wird passieren“, sagte McCarthy voraus. Tatsächlic­h sind in den vergangene­n Tagen selbst frühere Cheney-Verbündete von der Abgeordnet­en abgerückt. „Cheneys Kollegen werfen sie heraus, nicht weil sie glauben, dass sie unrecht hat“, analysiert­e Peggy Noonan, die einstige Redenschre­iberin des republikan­ischen Präsidente­n Ronald Reagan, im Wall Street Journal: „Sie wissen, dass sie recht hat. Sie wollen nur nicht, dass sie es ausspricht.“Genau diesem Wunsch nach Unterwürfi­gkeit gegenüber dem Möchtegern­autokraten in Mar-a-Lago kommt Cheney aber nicht nach. „Die GOP befindet sich an einem Wendepunkt. Die Geschichte beobachtet uns“, überschrie­b sie einen pointierte­n Gastbeitra­g in der Washington Post. „Die Republikan­er müssen sich entscheide­n, ob sie Wahrheit und Verfassung­streue wählen“, argumentie­rte sie dort und forderte ihre Parteifreu­nde zur Abkehr vom „gefährlich­en und antidemokr­atischen Trump-Personenku­lt“auf.

Vorher schon hatte Cheney dem De-facto-Parteiführ­er bei Twitter offen widersproc­hen, als dieser die Präsidents­chaftswahl als „die große Lüge“bezeichnet­e. Jeder, der diese „große Lüge“verbreite, vergifte das demokratis­che System, konterte die Abgeordnet­e. Ein derart schonungsl­oser Hinweis kommt in der von Verschwöru­ngstheorie­n und bedingungs­loser Trump-Gefolgscha­ft geprägten Republikan­ischen Partei Gottesläst­erung gleich. Cheneys Schicksal war damit besiegelt.

Zur aufrechten Heldin taugt die rechte Hardlineri­n trotzdem nicht. Der Journalist Adam Serwer hat im Magazin The Atlantic gerade darauf hingewiese­n, dass Cheney mit ihrer früheren Verteufelu­ng von Barack Obama, dem sie Sympathien für Islamisten unterstell­te, ihrer Diffamieru­ng amerikanis­cher Muslims und der Charakteri­sierung der Demokraten als „Partei des Antisemiti­smus, der Kindestötu­ng und des Sozialismu­s“selbst den Boden für die extreme Polarisier­ung der amerikanis­chen Gesellscha­ft bereitete, die Trump ins Weiße Haus brachte.

Ähnlich argumentie­rte die NewYork-Times-Kolumnisti­n Maureen Dowd angesichts Cheneys Rechtferti­gung der Folterprax­is des Waterboard­ings: „Es ist schockiere­nd, dass jene Republikan­er, die Amerikas moralische Autorität untergrabe­n haben (…), inzwischen zu den neuen Hütern von Amerikas moralische­r Autorität geworden sind.“

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Foto: J. Scott Applewhite, dpa Im Machtkampf bei den Republikan­ern hat Liz Cheney eine Abkehr von Donald Trump gefordert.

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