Donau Zeitung

Neid ist vollkommen in Ordnung

- VON TILMANN MEHL time@augsburger‰allgemeine.de

Neid muss man sich erarbeiten. Wird meist denen zugerufen, die zwar unbeliebt sind, aber irgendeine Fähigkeit besitzen, die sie aus der grauen Masse hervorhebt. Der Klassenstr­eber beispielsw­eise. Niemand mochte mit ihm spielen, die Noten hätte man aber schon gerne mit ihm getauscht.

Etwas anders verhält es sich mit dem Impfneid. Die meisten würden sich gerne die Spritze in den Oberarm setzen lassen, doch noch ist es nicht allen vergönnt. Ungespritz­te neiden Gespritzte­n den Pieks. Anders als der Streber hat der Geimpfte aber meist recht wenig geleistet. Im Gegenteil: Er (oder sie) musste viel ertragen. Die Mühsale des Alters etwa oder eine Krankheit. Wer priorisier­t behandelt wird, mit dem will man nicht tauschen – außer in der Impfreihen­folge.

Wenn auf sportliche Höchstleis­tungen geblickt wird, schwingt neben Bewunderun­g auch immer Neid mit. Warum kann Franck Ribéry so außergewöh­nlich gut mit dem Ball umgehen und verdient dazu jedes Jahr Millionen an Euro? Weil er bei der Versorgung mit Talent prioritär behandelt wurde. Dafür fehlt es ihm wahrschein­lich an anderer Stelle.

Man kann sich den Menschen als ein Gefäß vorstellen, gefüllt mit Talenten, Fähigkeite­n, Äußerlichk­eiten und Erlerntem – irgendwann aber ist Schluss. Das Gefäß läuft über. Leistungst­urner beispielsw­eise verfügen über brillantes Körpergefü­hl, besitzen anbetungsw­ürdige Körper und gelten unter den Sportlern nicht als die Dümmsten. Allerdings können sie oftmals im Stehen gerade so über die Tischplatt­e schauen.

Oder Cristiano Ronaldo. Dieses Talent. Dieser Körper. Dieses Gehalt. Nun wäre es ein Leichtes anzunehmen, es fehle ihm an kognitiven Fähigkeite­n. Gewiss zählten die wenigsten Elite-Fußballer zu den Strebern in ihren Klassen. Das Vorurteil „Dumm kickt gut“gilt allerdings auch schon lange als widerlegt. An was aber könnte es Ronaldo dann mangeln? Der ehemalige Trainer des FC Blackpool, Ian Holloway, hat es so umschriebe­n: „Er hat eine stattliche Größe, ist unglaublic­h fit und schaut gut aus – irgendwas kann mit ihm nicht stimmen. Hoffentlic­h hat er den Penis eines Hamsters – dann würden wir uns alle besser fühlen.“

Neid mag eine kleingeist­ige Regung sein. Solange er aber das Gemüt aufhellt, sei er hingenomme­n.

 ?? Foto: dpa ?? In einem gesunden Körper wohnt ein ge‰ sunder Geist. Da freuen wir uns doch für Cristiano Ronaldo.
Foto: dpa In einem gesunden Körper wohnt ein ge‰ sunder Geist. Da freuen wir uns doch für Cristiano Ronaldo.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany