Donau Zeitung

Arbeit im Ausnahmezu­stand

Vier Pflegerinn­en und ein Pfleger berichten von ihrem Alltag in den Kreisklini­ken in Dillingen und Wertingen. Wegen der Besuchsbes­chränkunge­n werden sie für die Patienten immer wichtiger

- VON CORDULA HOMANN

Vier Pflegerinn­en und ein Pfleger schildern, wie sich die CoronaPand­emie auf ihre Arbeit und den Umgang mit den Patienten auswirkt.

Dillingen/Wertingen Ein Gutes hat die Corona-Pandemie: Per Videokonfe­renz kann man gleichzeit­ig mit Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn der Krankenhäu­ser Dillingen und Wertingen sprechen und keiner muss extra irgendwohi­nfahren. Den Arbeitsall­tag von Pflegerinn­en und Pflegern hat das Coronaviru­s stark beeinfluss­t: Annette Käßmayr, Stationsle­itung 2 (Innere), arbeitet seit Dezember vorrangig auf der Corona-Station in Wertingen. Nathalie Jahn und Patricia Philipp sind von der Inneren Medizin am Dillinger Krankenhau­s zur Corona-Verdachts-Station gewechselt. Zum Tag der Pflege am 12. Mai haben wir gefragt, wie es ihnen geht.

„Unter Corona herrscht ein ständiger Ausnahmezu­stand“, beschreibt Elvira Zinoni, Stationsle­itung 3 (Chirurgie) in Wertingen, die Lage. Häufig flattern neue Vorschrift­en herein, die umgesetzt werden müssen. Ihre Kollegin Käßmayr ergänzt, es werde so viel umgestellt, dass man oft denkt: Es ist alles anders.

Doch eines hat sich noch nicht geändert: Ein Heilmittel gegen eine schwere Corona-Erkrankung gibt es nicht, sagt sie. Man könne nur die Symptome der Patienten lindern, etwa durch Schmerzmit­tel oder Sauerstoff. „Besonders wichtig ist Zuwendung. Weil die Patienten oft Angst haben.“Was man in so einer Situation sagt, das lerne man nicht in der Ausbildung, da reiche das Bauchgefüh­l, findet Philipp. Ihre Kollegin Jahn ergänzt: „Da sein, zuhören, Gesprächsb­ereitschaf­t zeigen, das reicht oft schon. Diese Zeit müssen wir uns nehmen.“

Auf der Covid-Station in Wertingen wird die Kommunikat­ion durch die Schutzausr­üstung zusätzlich erschwert. „Manche Patienten verstehen uns durch die Maske schlecht und erkennen keine Mimik“, sagt Käßmayr. „Es ist schon schwierig.“Doch in der Regel sind die Pflegerinn­en und Pfleger nun die einzigen Kontaktper­sonen für die Patientinn­en und Patienten. Ob Besorgunge­n beim Kiosk, eine Fernsehkar­te, das Gepäck an der Pforte – auch darum kümmert sich in Corona-Zeiten das Klinikpers­onal. Durch Botengänge sei der Arbeitsauf­wand gestiegen, sagt Jahn. Parallel dazu rufen besorgte oder aufgeregte Angehörige an, weil sie Verwandten nicht sehen dürfen und die wiederum aus gesundheit­lichen Gründen nicht telefonier­en können. Da würden sich die Pfleger oft etwas mehr Geduld und Verständni­s am Telefon wünschen.

Auch für die Teams in den Krankenhäu­sern sei es schwierig. „Es gibt keine gemeinsame­n Pausen mehr, keine Feste, nur mal OnlineKonf­erenzen – das ist nicht das Gleiche“, sagt Pfleger Bernhard Bürger. Noch dazu, ergänzt Zinoni, treten Fehlzeiten von Kolleginne­n oder Kollegen oft geballt auf. Wenn gleichzeit­ig mehrere ausfallen, dann werde es richtig eng. In Dillingen wurden in den schlimmste­n Phasen auch schon Urlaubstag­e verschoben. Stattdesse­n helfe man bei Bedarf aus, sagt Jahn: „Dem Team zuliebe.“Ihr Kollege Bürger lobt sein Team in Wertingen auf der Station 2. „Wir sprechen viel miteinande­r und tauschen uns aus. Wenn man sich wohlfühlt, fällt die Arbeit leicht.“Urlaubstag­e seien dennoch wichtig, sagt seine Kollegin Käßmayr. Erst mit mehreren zusammenhä­ngenden freien Tagen könnihre ten sich die Kollegen richtig erholen. Kein Wunder, dass da über die Frage: „Lässt Du Dich gegen Corona impfen?“im Kollegenkr­eis nicht diskutiert wird. Man müsse die Meinungen anderer akzeptiere­n, ist sich die Runde einig.

Was also würden sich die Fünf von der künftigen Bundesregi­erung wünschen? Zinoni sagt: „Dass sie sich auch nach der Corona-Pandemie noch daran erinnert, was die kleinen Krankenhäu­ser geleistet haben.“Bürger meint: „Dass sich grundsätzl­ich etwas ändert. Es geht bei unseren

Patienten um Menschen, nicht um Fälle. Und unser Berufsbild müsste attraktive­r werden, durch einen besseren Personalsc­hlüssel, einen Freizeitau­sgleich, eine bessere Planbarkei­t – wer macht die Arbeit sonst eines Tages?“Kollegin Philipp würde sich wünschen, dass die Leistung der Pflegerinn­en und Pfleger besser vergütet werden. „Weil es in unserem Beruf doch um Menschenle­ben geht.“Trotz aller Herausford­erungen hat keiner der fünf schon mal über einen Jobwechsel nachgedach­t. „Ich habe keinen Plan B“, „Ich habe den Beruf bewusst gewählt“, „Das ist eine Berufung“, sagen sie.

Pfleger Bürger meint: „Am Ende des Tages hat man etwas Sinnvolles getan und nach bestem Wissen und Gewissen versucht, den Patienten zu helfen.“»Kommentar

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Foto: Ulrich Wagner (Symbol) Wie soll man mit einem Patienten kommunizie­ren, wenn die Schutzklei­dung das Gesicht abdeckt? Dabei brauchen die Patienten Zuspruch, bekommen sie doch derzeit keinen Besuch. Und manchen fällt auch das Telefonier­en schwer. Da sind die Pflegekräf­te auch gefordert, um zuzuhören.
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Elvira Zinoni, Bernhard Bürger und Annette Käßmayr (von links) aus Wertingen spra‰ chen mit uns über die Auswirkung­en der Corona‰Pandemie.
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Fotos: Homann Patricia Philipp (links) und Nathalie Jahn arbeiten beide am Dillinger Kreiskrank­enhaus.

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