Donau Zeitung

Der Fan unter den Trainern

Edin Terzic verlor sein Herz früh an Borussia Dortmund – nun kann er mit dem BVB den Pokal holen. Aber tritt er danach tatsächlic­h wieder ins zweite Glied zurück?

-

Vor kurzem sorgte ein Video von Edin Terzic für Aufsehen. In dem 15 Sekunden langen Clip ist zu sehen, wie die Spieler von Borussia Dortmund vor dem Training am Vereinsgel­ände auftauchen. Während die Stars wie Marco Reus, Roman Bürki oder Erling Haaland in schweren Sportwagen vorfahren, setzt Trainer Terzic auf exakt 0 Pferdestär­ken und kommt stattdesse­n mit dem Fahrrad an.

So viel Bodenständ­igkeit ist selten in der Glitzerwel­t Fußball – und sie erklärt auch, warum Terzic so gut ankommt bei der schwarz-gelben Anhängersc­haft. Dass er selbst ein erklärter BVB-Fan ist, ist für seine Sympathiew­erte natürlich nicht hinderlich. Nachdem er im Dezember für den glücklosen Lucien Favre übernommen hatte und vom CoTrainer zum Chef aufgestieg­en war, demonstrie­rte der frühere Regionalli­gaspieler seine Liebe zu dem Verein: „Ich war als Neunjährig­er das erste Mal hier im Stadion. Danach war klar, für wen das Herz schlägt. Ich habe niemals gewagt zu träumen, hier mal Cheftraine­r zu sein.“

Dass ein Co-Trainer für den entlassene­n Chef einspringt, ist in der Bundesliga fast schon Usus – dass dem Neuen, wie im Fall Terzic geschehen, aber gleich von Beginn an die Möglichkei­t auf mehr eingeräumt wurde, ist hingegen etwas außergewöh­nlich. Der in Menden geborene DeutschBos­nier verfügt trotz seiner erst 38 Lebensjahr­e und einer überschaub­aren Spielerlau­fbahn über große Erfahrung im Profi-Geschäft: Schon als

Spieler arbeitete er als Scout und Jugendtrai­ner für Dortmund. Sein Talent sprach sich bis zum kroatische­n Nationaltr­ainer Slaven Bilic herum. Als dieser 2013 bei Besiktas Istanbul anheuerte, wurde Terzic sein Assistent und blieb es auch, nachdem Bilic 2015 zum Premier-League-Klub West Ham United wechselte. Erst 2018 kehrte Terzic als Co-Trainer zu seinem Herzensklu­b zurück. Eigentlich also ideale Voraussetz­ungen für eine dauerhafte Herzenslös­ung bei der Borussia – wenn die Ergebnisse von Beginn an gestimmt hätten. Von den ersten sieben Ligaspiele­n verlor der BVB unter Terzic drei Partien – keine besonders gute Quote. Der BVB suchte eine große Lösung – und fand sie im Gladbacher Trainer Marco Rose.

Terzic ist als dessen Assistent eingeplant. Was danach geschah, lässt sich wohl mit „Ironie der Geschichte“beschreibe­n: Während Rose mit Gladbach aus den Europacup-Rängen purzelte, stabilisie­rte sich Dortmund mit Terzic. Aktuell ist der BVB auf Kurs Champions League und kann mit einem Sieg im Pokalfinal­e gegen Leipzig (Donnerstag, 20.45 Uhr, ARD) den ersten Dortmunder Titel seit vier Jahren holen. Gegen Leipzig mit dem Bald-Bayern-Trainer Julian Nagelsmann hatte Terzic bereits das Bundesliga­Spiel am Samstag gewonnen. Geht ein Titeltrain­er wieder ins zweite Glied zurück? Schon jetzt halten sich Gerüchte, wonach viele Bundesligi­sten am zweifachen Familienva­ter interessie­rt sein sollen. Erfolgreic­h, sympathisc­h und klimaneutr­al sind auch im Trainerges­chäft gute Argumente. Florian Eisele

 ?? Foto: Witters ??
Foto: Witters

Newspapers in German

Newspapers from Germany