Donau Zeitung

„Der Corona‰Stempel wird bleiben“

35 000 Abiturient­en in Bayern grübeln ab heute über ihren Prüfungen – auch Laura Bork. Sie macht sich Gedanken über die zu lösenden Aufgaben, vor allem aber über ihre Zukunft

- Interview: Sarah Ritschel

Frau Bork, an diesem Mittwoch beginnt das Abitur mit dem Fach Deutsch. Welche Regeln gelten dabei? Laura Bork: Wir müssen natürlich den Mindestabs­tand einhalten und Maske tragen. Eine normale medizinisc­he Maske reicht. Fünf Stunden eine FFP2-Maske aufzuhaben, damit hätte ich Probleme. Aber so sind es keine supergroße­n Einschränk­ungen. Ob man sich vor der Prüfung testen lässt, kann man eigentlich selbst entscheide­n. Aber bei uns war der Großteil des Jahrgangs bis Dienstag noch in Quarantäne, wir hatten drei Corona-Fälle, so weit ich bis jetzt weiß. Dann musste man sich ohnehin „freitesten“. Zum Glück war das alles noch vor den Prüfungen und beeinfluss­t sie nur gering, zumindest bei den meisten.

Mit welchen Hoffnungen und Ängsten gehen Sie in die Prüfung?

Bork: Eine Angst, die viele von uns haben, ist, dass die Leute denken, uns werde das Abi jetzt geschenkt. Andere Mitschüler befürchten, dass der Staat die Prüfungen schwerer gestaltet als sonst, damit dieser Eindruck auf gar keinen Fall entsteht. Ich hoffe, dass die Prüfungspl­aner genau hinsehen und berücksich­tigen, was wir gelernt haben und was nicht.

Ihr letztes Schuljahr war geprägt von Lockdown und Distanzunt­erricht. Die Prüfungen wurden von April in den Mai verlegt. Was war für Sie und Ihre Mitschüler die größte Schwierigk­eit? Bork: Die größte Herausford­erung war, genug Noten zusammenzu­bekommen. Im Distanzunt­erricht haben wir in manchen Fächern gar keine Schulaufga­ben oder Exen geschriebe­n, die Lehrer haben ihn sehr unterschie­dlich gestaltet. Bei der mündlichen Abiprüfung, die man frei wählen kann, habe ich deswegen vor allem danach entschiede­n, in welchem Fach ich im Distanzunt­erricht am meisten mitbekomme­n habe: Wirtschaft und Recht. In naturwisse­nschaftlic­hen Fächern habe ich mich deutlich verschlech­tert. Die neuen Inhalte konnte ich mir fast auf mich allein gestellt schlechter aneignen als in der Schule.

Wird Ihr Abitur deswegen weniger gut ausfallen, als wenn Sie es in normalen Jahren ablegen würden?

Bork: Nicht um viel. In anderen Fächern habe ich mich verbessert – eben weil statt Schulaufga­ben mehr mündlich geprüft wurde. Da ist es oft leichter, eine gute Note zu erreichen. Am Ende wird sich das ausgleiche­n. Ich glaube, die größeren Schwierigk­eiten liegen bei den jüngeren Jahrgängen – den 7., 8., 9. und teilweise 10. Klassen, die fast ein Jahr lang zu Hause waren, und auch bei Grund- und Unterstufe­nschülern, die bis jetzt wenig Erfahrunge­n im selbststän­digen Lernen und Arbeiten besitzen. Es wird lange dauern, den verlorenen Stoff wieder aufzuholen – vielleicht sogar bis zu deren Abschlussp­rüfungen.

Für Absolvente­n, die jetzt die Schulen verlassen, hat sich der Begriff der „Corona-Jahrgänge“eingebürge­rt. Wird Ihnen dieser Stempel bleiben?

Bork: Ja, wir haben schon einen besonderen Status als Corona-Jahrgang. Ich glaube, dass sich das beim Studium oder im Beruf auswirken wird. Dass Arbeitgebe­r davon ausgehen, dass wir Defizite haben, beispielsw­eise. Anderersei­ts könnten sie annehmen, dass wir selbststän­diger sind als andere Jahrgänge, weil wir uns so viel Stoff auf eigene Faust erarbeiten und äußerst flexibel sein mussten. Ich glaube, von außen wird vieles anders wahrgenomm­en als unter uns Abiturient­en. Deswegen ist ein Austausch darüber nötig. Die Leute – Ältere zum Beispiel oder Menschen, die keine Kinder in der

Schule haben – müssen wissen, wie sie mit uns umgehen sollen.

Wie sollte man mit Ihnen umgehen? Bork: Eigentlich ganz normal. Ich habe Angst, dass Vorurteile gegenüber dem Corona-Jahrgang herrschen – dass ich an einen Arbeitspla­tz oder ins Studium komme und die Leute davon ausgehen, dass ich es nicht kann. Auf der anderen Seite auch, dass sie mich übervorsic­htig behandeln und ich dann deswegen wieder nicht zeigen kann, dass ich eben doch etwas gelernt habe. Darüber müssen wir reden.

Die Zeit nach dem Abi ist mit einem speziellen Lebensgefü­hl verbunden: Man feiert den Abiball, fährt mit Freunden in den Urlaub. Fehlt das? Bork: Auf jeden Fall. Ich habe vor dem Abi schon den Realschula­bschluss gemacht – und seit damals habe ich mich auf den Abiball gefreut. Selbst wenn er stattfinde­n könnte: Normalerwe­ise veranstalt­et man Partys oder Pausenverk­äufe, um das Geld dafür aufzutreib­en, aber das durften wir ja alles nicht. Wir konnten in der Oberstufe untereinan­der auch nicht wie gewohnt neue Kontakte knüpfen, das ist wirklich traurig. Ich hoffe, dass ich vor dem Studium mit Freunden noch in den Urlaub fahren kann, um einfach wieder ein Gefühl von Freiheit erleben zu dürfen.

Mussten Sie wegen Corona Ihre Pläne für die Zukunft ändern?

Bork: Nein, bisher nicht. Ich will Kulturwiss­enschaften in Regensburg studieren, da gibt es keine Aufnahmepr­üfung und keinen Numerus clausus. Eigentlich wollte ich mir dort eine WG suchen, aber wenn das Semester digital stattfinde­t, wohne ich am Anfang noch zu Hause. Und ich hoffe, dass ich irgendwann ein Auslandsse­mester machen kann.

Mitte Juni sind alle Prüfungen vorbei. Was machen Sie danach als Erstes? Bork: Einfach mal einen Tag radeln, Leute beobachten (lacht). Ich will wieder mit Sport anfangen, wandern gehen. Aber ich muss auch meinem Bruder beim Lernen helfen – der ist in der 9. Klasse und hat viel aufzuholen.

Laura Bork, 19, aus Karls‰ huld besucht das Gym‰ nasium in Schrobenha­usen. Ab Herbst will sie Kultur‰ wissenscha­ften studieren.

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Symbolfoto: Robert Michael, dpa Mit Maske und Abstand absolviert der „Corona‰Jahrgang“bis 18. Juni seine Prüfungen.
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